Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Marianne Katharina Pick wurde in Wien in eine bürgerliche Familie geboren und studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Heidelberg. 1918 schloss sie ihr Studium in Heidelberg ab, da dies in Wien zu diesem Zeitpunkt für Frauen noch nicht möglich war. 1921 heiratete sie den Journalisten Otto Leichter, mit dem gemeinsam sie zwei Söhne hatte. Schon während ihrer Studienzeit gehörte sie zu den führenden VertreterInnen der Linken um Friedrich Adler, die den Krieg ablehnten. Von 1919 bis 1925 war Käthe Leichter wissenschaftliche Mitarbeiterin Otto Bauers in der Staatskommission für Sozialisierung.
Ab 1925 bis zu ihrer Entlassung 1934 leitete sie das neue Referat für Frauenarbeit in der Wiener Arbeiterkammer. Sie betrieb Grundlagenforschung und veröffentlichte die Ergebnisse ihrer Studien in zahlreichen Artikeln und mehreren Büchern. 1927 erschien die erste große Untersuchung des Frauenreferats zum Thema "Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich", die die Auswirkungen der Massenarbeitslosigkeit auf das Leben der Frauen thematisierte. 1930 wurde von ihr das "Handbuch der Frauenarbeit in Österreich" zusammengestellt, in dem führende Sozialdemokratinnen wie unter anderem Adelheid Popp, Anna Boschek, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, ebenso wie Arbeiterinnen publizierten. Käthe Leichter bemühte sich in "Arbeit und Wirtschaft", dem gemeinsamen Zentralorgan der Arbeiterkammer und der Freien Gewerkschaften, eine eigene Beilage für Frauen durchzusetzen, was ihr 1927 gelang. Auch hier ließ sie nicht nur Funktionärinnen und Wissenschaftlerinnen, sondern auch Arbeiterinnen zu Wort kommen. In Zusammenarbeit mit Anna Boschek nutzte sie neue Medien wie das Radio, um eine möglichst breite Öffentlichkeit – vor allem neue Hörerinnen - mit ihren Arbeiten zu erreichen. Ab 1929 wurde eine halbstündige "Radiostunde für arbeitende Frauen" gesendet, die bis 1933 rund um das Thema Frauenarbeit regelmäßig ausgestrahlt wurde. Käthe Leichter wurde 1932 als erste Frau in den Betriebsrat der Arbeiterkammer gewählt.
Innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAPÖ) engagierte sie sich in der Frauenpolitik und dürfte gemeinsam mit Marianne Pollak und Therese Schlesinger, die die Frauenfragen betreffenden Punkte im sozialdemokratischen Linzer Parteiprogramm 1926 formuliert haben. Seit 1919 übernahm sie immer wieder Funktionen in der SDAPÖ – unter anderem in der Bezirksorganisation Innere Stadt und im Frauenzentralkomitee. Sie selbst betrachtete sich nicht als Teil der Frauenbewegung, obwohl ihre Schriften und Aktivitäten signifikant zum Wissen über Frauenerwerbstätigkeit beitrugen und sie sich für die Verbesserung der Frauenrechte einsetzte. Im Mittelpunkt ihrer politischen Aktivitäten stand auch die Auseinandersetzung mit dem Faschismus, wobei sie die abwartende Haltung der SDAPÖ-Führung kritisierte. Ab 1934 war sie ebenso wie ihr Mann in der Illegalität tätig. Die beiden gehörten zu den GründerInnen der Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter leitete in der illegalen Organisation zuerst das politische Bildungswesen, dann den Nachrichtendienst.
Als Sozialistin wurde sie im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich am 30. Mai 1938 von der Gestapo verhaftet, 1939 wurde ihr von der Universität Heidelberg die Doktorwürde aberkannt, 1940 erfolgte die Deportation in das KZ Ravensbrück. Ihrem Mann und ihren Kindern gelang die Flucht aus Österreich. Als Jüdin wurde sie im März 1942 in der „Euthanasieanstalt“ Bernburg/Saale mit Giftgas ermordet.
Mehrere Preise und Orte wurden im Gedenken an sie eingerichtet oder benannt. Seit 1949 gibt es eine Käthe-Leichter-Gasse in Hietzing. 1988 wurde eine Wohnanlage im 13. Wiener Gemeindebezirk, Auhofstraße 152-156, nach ihr benannt. Der Käthe-Leichter-Preis, der Österreichische Staatspreis für die Frauengeschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung, wurde erstmals 1991 vergeben. An der Hausfassade des ehemaligen Büros von Käthe Leichter im ersten Wiener Bezirk, Ebendorferstraße 7, wurde 2006 eine Gedenktafel angebracht. 2013 wird durch die Universität Heidelberg die Doktorwürde von Käthe Leichter wiederhergestellt und der Entzug als "unerträgliches Unrecht" benannt. Ebenfalls 2013 beschäftigt sich das Kunstprojekt und die Ausstellung: "Ein Le(e.h.)rstuhl für Käthe Leichter" mit ihrem Leben und Wirken.
verwendete Literatur und Quellen:
Broessler: "Ein Genie der Freundschaft". - In: "Man ist ja schon zufrieden, wenn man arbeiten kann", 9-14
Hauch: Leichter, Käthe (1895-1942). - In: A Biographical Dictionary of Women's Movements and Feminisms, 286-289
Lexikoneinträge
biografiA
Leichter Käthe, geb. Marianne Katharina Pick, Ps. Anna Gärtner, Maria Mahler; Politikerin, Wirtschaftswissenschafterin und Volksbildnerin
Geb. Wien, 20. 8. 1895
Gest. KZ Ravensbrück bzw. Bernburg, Deutsches Reich 17. 3. 1942
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Charlotte, geb. Rubinstein; Vater: Dr. Josef Pick, Rechtsanwalt; Schwester: Vally Weigl, Musikerin und Pädagogin.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1921 Heirat mit Otto Leichter, sozialdemokratischer Journalist und Parteipolitiker, zwei Söhne: Heinz (Henry) (* 1924), Dr. iur., Rechtsanwalt; Franz (* 1930), Dr. iur., Rechtsanwalt und Politiker.
Ausbildungen: Beamten-Töchter-Lyzeum, ab Herbst 1914 Studium der Staatswissenschaften in Wien, ab Herbst 1917 Studium in Heidelberg (M. Weber), 1918 Promotion.
Laufbahn: Nach ihrer Rückkehr nach Wien schloss sie sich der Rätebewegung an, wo sie auch ihren späteren Mann kennen lernte. Im Herbst 1918 Mitgründerin des Verbands sozialdemokratischer Studenten und Akademiker, ab 1919 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Staatskommission für Sozialisierung und Konsulentin im Finanzministerium, von Wilhelm Ellenbogen in den Zentralverband für Gemeinwirtschaft berufen. 1925 übernahm sie den Aufbau des Frauenreferats in der Wiener Arbeiterkammer. In zahlreichen Veröffentlichungen, der Gestaltung des Frauenteils von „Arbeit und Wirtschaft“ sowie des „Österreichischen
Metall- und Bergarbeiters“ beweist sie ihr bedeutendes sozialpolitisches Engagement. Besondere Erwähnung bedarf das von ihr herausgegebene „Handbuch der Frauenarbeit in Österreich“. Neben ihren politischen Aktivitäten im Frauenzentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und in der sozialdemokratischen Bezirksorganisation Innere Stadt zählte sie zu den eifrigsten Referentinnen der Zentralstelle für das Bildungswesen. Nach der Zerschlagung der Sozialdemokratie durch die austrofaschistische Regierung Dollfuß im Februar 1934 flüchtete die Familie in die Schweiz. Im September 1934 Rückkehr nach Österreich. K. L. gehörte dem Schulungsausschuss der illegalen Revolutionären Sozialisten Österreichs (RS) an. Ihr Haus im Wien 23. (Mauer) wurde ein Treffpunkt von Funktionären der verfolgten Arbeiterbewegung. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erneut politisch und nun auch „rassisch“ verfolgt, flüchtet Otto Leichter im März 1938 in die Schweiz, auch die Kinder können rechtzeitig ins Ausland gebracht werden. K. L. wird jedoch kurz vor der Ausreise durch einen Spitzel verraten, am 30. Mai 1938 von der Gestapo verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Trotz zahlreicher ausländischer Interventionsversuche wird sie im Jänner 1940 ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert. Sie wurde in der NS-Tötungsanstalt Bernburg in Deutschland im Zuge der sogenannten Aktion 14f13 mit Giftgas ermordet.
Ausz.: Verkehrsflächenbenennung 1949: Wien 1130, Käthe-Leichter-Gasse, 1988: Käthe Leichter Hof und Gedenktafel in Wien 1130, Auhofstraße 152 –156, Gedenktafel in der Ebendorferstraße, Wien 1010. ab 1991: Käthe-Leichter-Preis.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-028831 ; TP-058728 ; TP-012751
- Briefe von Adelheid Popp, Leopoldine Glöckel, Käthe Leichter, Therese Schlesinger, Frieda Nödl, Maria Emhart, Hella Postranecky an Rosa Jochmann - In: VGA Wien, Nachlass Rosa Jochmann
- VGA Wien, Personenarchiv, Käthe Leichter Lade 21, Mappe 67
- Manuskripte über Aline Furtmüller, Luise Kautsky, Käthe Leichter, Anna Kethly, Anna Altmann, Anna Boschek - In: VGA Wien, Personennachlass Gabriele Proft, Karton 2, Mappe 4/5