Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Therese Eckstein war die Tochter der aus Prag stammenden Amalie Eckstein, geborene Wehle und des jüdischen Papierfabrikanten Albert Eckstein. Da ihr als Frau der Zugang zur Universität verwehrt war, nahm Therese Eckstein Privatunterricht und bildete sich im Selbststudium weiter. 1888 heiratete sie den Bankbeamten Viktor Schlesinger, der jedoch kurz nach der Hochzeit an Tuberkulose starb. Sie selbst litt zeitlebens unter den Folgen des Kindbettfiebers, an dem sie bei der Geburt ihrer Tochter Anna im Jahr 1890 erkrankt war.
Schlesinger engagierte sich zunächst in der bürgerlichen Frauenbewegung und wurde Mitglied des Allgemeinen österreichischen Frauenvereins. Als Publizistin forderte sie die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium, die Verbesserung des Arbeitsschutzes für Frauen und die Einführung des Frauenwahlrechts. Im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen und sozialistischen Frauen auf diversen nationalen und internationalen Frauenkongressen tendierte Eckstein-Schlesinger zunehmend zu den Sozialistinnen und stellte den von der bürgerlichen Frauenbewegung vertretenen Grundsatz der „Überparteilichkeit“ in Frage.
1901 zählte sie zu den Mitgründerinnen des Vereins sozialdemokratischer Frauen und Mädchen. In den folgenden Jahren versuchte sie Frauen in verschiedenen Berufsgruppen zu organisieren, wie z. B. in der Frauensektion der Gewerkschaft der Buchbinder. Als am 19. März 1911 der erste Frauentag abgehalten wurde, übernahm Therese Schlesinger dessen Vorsitz. Im Rahmen ihrer politischen Arbeit hielt sie zahlreiche Vorträge und publizierte Artikel und Aufsätze in der „Arbeiter-Zeitung“, in „Die Unzufriedene“, in „Der Kampf“, aber auch in der Berliner "Neuen Zeit". Im Ersten Weltkrieg war Therese Schlesinger eine der führenden Persönlichkeiten des "linken Flügels" um Friedrich Adler und später um Otto Bauer, die an der Spitze des Kampfes gegen den Krieg standen.
Als 1918 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen durchgesetzt wurde, gab Schlesinger mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen gemeinsam mit Adelheid Popp das Wochenblatt "Die Wählerin" heraus. Sie gehörte im Jahr 1919 zu den ersten sieben Sozialdemokratinnen, die ins Parlament gewählt wurden. Von 1919 bis 1923 gehörte Schlesinger der Konstituierenden Nationalversammlung und dem Nationalrat, danach bis 1930 dem Bundesrat an. Aus ihrer Feder stammen auch jene Teile des „Linzer Programms“ der österreichischen Sozialdemokratie aus dem Jahr 1926, die sich auf die Frauenfrage beziehen.
Nach dem "Anschluss" Österreichs flüchtete Therese Eckstein-Schlesinger vor den Nationalsozialisten nach Frankreich, wo sich Marianne Pollak und andere im Exil lebende Freunde ihrer annahmen. Sie starb im Jahr 1940 im französischen Exil.
Die in den Jahren 1929/30 errichtete Wohnhausanlage in der Wickenburggasse 15 im achten Wiener Gemeindebezirk, trägt den Namen Therese-Schlesinger-Hof. Der Schlesingerplatz in der Josefstadt wurde 1901 nach dem christlich-sozialen und antisemitischen Reichsratabgeordneten Josef Schlesinger benannt, die Neubenennung nach Therese Schlesinger erfolgte 2006.
verwendete Literatur und Quellen:
Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus
Jaindl: Therese Schlesinger
das rote wien
Lexikoneinträge
Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert
Schlesinger-Eckstein, Therese - Politikerin, Frauenrechtlerin, Schriftstellerin
6. (7.?) 6. 1863, Wien - 5. 6. 1940, Paris
Therese Ecksteins Mutter stammt aus einer Prager jüdischen Familie und erzieht ihre Kinder im Geist eines auch im religiösen Sinn liberalen, kultivierten Bürgertums. Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt sie die Leitung der Pergamentfabrik im fünften Bezirk Wiens und wird zur Ernährerin ihrer vielköpfigen Familie. In ihrem Betrieb richtet sie eine der ersten Schulküchen Wiens ein. Therese wechselt sich mit ihren fünf Schwestern beim Küchendienst ab. Die Nähe zur Fabrik gewährt ihr Einblick in soziale Mißstände. Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in Wien erhält sie zunächst Privatunterricht und besucht Vorlesungen an der Wiener Universität, bevor sie 1888 heiratet. Nach der Geburt ihrer Tochter Anna (1890) erkrankt Therese Schlesinger-Eckstein an Kindbettfieber und behält eine Körperbehinderung zurück. Ihr Mann stirbt früh an Tuberkulose, ihre Tochter leidet an Depressionen und nimmt sich später das Leben. In dieser Zeit stärkster psychischer Belastungen erhält sie durch ihre Freundinnen Marie Lang und Auguste Fickert Zugang zur bürgerlichen Frauenbewegung und wird Mitglied im "Allgemeinen österreichischen Frauenverein". Therese Schlesinger-Eckstein beginnt publizistisch zu arbeiten. In der "Volksstimme" fordert sie die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium ein, die Verbesserung des Arbeitsschutzes für Frauen, vor allem aber die Einführung des Frauenwahlrechts. Als Mitglied der Enquetekommission "Zur Lage der Wiener Arbeiterinnen" lernt sie 1896 Adelheid Popp, Anna Boschek und Victor Adler kennen, dem sie zeitlebens freundschaftlich verbunden bleibt. Ein Jahr später wird sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Während ihrer Parteiarbeit lernt sie u.a. Käthe Leichter schätzen, der sie "eine große Zukunft voraussagt". Im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit hält sie zahlreiche Vorträge und publiziert Artikel und Aufsätze in der Volksstimme", der "Arbeiter-Zeitung", in "Die Unzufriedene", "Der Kampf" und der Berliner "Neuen Zeit". 1901 zählt sie zu den Mitgründerinnen des "Vereins sozialdemokratischer Frauen und Mädchen". Von 1919 bis 1923 ist sie Abgeordnete in der Konstituierenden Nationalversammlung und bis 1930 Mitglied des Bundesrats. Aus ihrer Feder stammt der sich auf Frauenfragen beziehende 1926 formulierte Teil des "Linzer Programms" der Sozialdemokraten. Nach dem Anschluß Österreichs flüchtet sie, da sie aufgrund der antisemitischen Gesetze der Nationalsozialisten in Lebensgefahr ist, nach Frankreich. Ihr letztes Lebensjahr verbringt sie in einem Sanatorium in Blois.
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen
Schlesinger, Therese, geb. Eckstein
Politikerin
6.6.1863 (Wien) - 5.6.1940 (Blois/Frankreich)
Früh verwitwet, engagierte sich S. seit 1894 im "Allgemeinen Österreichischen Frauenverein" (AF) und trat für Wahl- und Studienrecht der Frauen ein. 1897 wurde sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), in deren Vorstand sie 1919 gewählt wurde. Sie war Mitglied der konstituierenden nationalversammlung und 1920-30 Bundesratsmitglied. In sozialdemokratischen Zeitschriften veröffentlichte S. zahlreiche Beiträge, u.a. "Was wollen Frauen in der Politik?" (1909). Von ihr stammen auch die Frauenfragen betreffenden Punkte im "Linzer Programm" der SPÖ von 1926. 1938, nach dem sogenannten Anschluss Österreichs, floh sie nach Frankreich.
Österreichisches biographisches Lexikon
Schlesinger Therese, geb. Eckstein, Politikerin und Schriftstellerin. Geb. Wien, 6. 6. 1863; gest. Blois, Dep. Loir-et-Cher (Frankreich), 5. 6. 1940. Tochter eines freisinnigen jüd. Papierfabrikanten und Erfinders, Schwester des Journalisten Gustav Eckstein, des Universalgelehrten Friedrich Eckstein und der Feministin Emma Eckstein. Sie heiratete 1888 den Bankbeamten Viktor S. Bei der Geburt ihrer Tochter Anna (geb. Wien, 15. 8. 1889; gest. ebenda, 23. 2. 1920, Selbstmord) wurde sie mit Rotlauf infiziert, was zu lebenslanger Körperbehinderung führte. Ab 1894 arbeitete sie eng mit Auguste Fickert im Zentrum der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung, dem Allg. Österr. Frauenver., zusammen, in dessen Vorstand sie auch gewählt wurde. 1896 engagierte sich S. bei der von der Eth. Ges. veranstalteten Enquete zur Lage der Wr. Arbeiterinnen und trat 1897 der Sozialdemokrat. Partei bei. Als Mitgl. der Frauensektion der Gewerkschaft der Buchbinder engagierte sie sich führend im Buchbinderstreik von 1898. Im gleichen Jahr wurde sie zur ersten sozialdemokrat. Frauenreichskonferenz delegiert, 1899 Mitgl. des Frauenreichskomitees. Im Wahlkampf 1901 setzte sich S. bes. für Victor Adler ein. 1901 war sie auch bei der Gründung des Ver. sozialdemokrat. Frauen und Mädchen beteiligt; S. trat auf Parteitagen und Frauenkonferenzen vehement für die Gleichberechtigung der Geschlechter, speziell für das Frauenwahlrecht, ein und wurde zur unbequemen Kritikerin einschlägiger Vorurteile auch innerhalb der österr. Arbeiterbewegung. Neben der polit. Emanzipation der Frau galt ihre bes. Aufmerksamkeit dem Mutter- und Kinderschutz, der sozialen Akzeptanz der Hauswirtschaft und sozialpsycholog. Themen. Während des Ersten Weltkriegs war sie maßgeblich in der im Ver. Karl Marx organisierten pazifist. Linksopposition um Friedrich Adler engagiert. 1917 nahm sie als deren Delegierte an der 3. Zimmerwalder Konferenz teil. 1919 Mitgl. des Parteivorstandes und der Konstituierenden Nationalversmlg., war S. 1920-23 Abg. zum Nationalrat, 1923-30 zum Bundesrat; 1926 formulierte sie den die Frauenfrage betreffenden Tl. des "Linzer Programms". 1933 zog sie sich ins Privatleben zurück, 1939 war S. zur Emigration nach Frankreich gezwungen.