Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Am 13. September 1830 kam Marie von Ebner-Eschenbach auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier in Mähren als Marie Dubský von Třebomyslice auf die Welt. Ihr Weg schien vorgezeichnet, schon als Kind wollte sie die „größte Schriftstellerin aller Zeiten“ werden. Doch obwohl ihr literarisches Talent von ihrer zweiten Stiefmutter Xaverine Kolowrat-Krakowsky gefördert wurde, musste sie gegen eine ganze Reihe an Vorbehalten ankämpfen. Im väterlichen Schloss wurde sie als „Blaustrumpf“ bezeichnet, eine abfällige Bezeichnung für bildungshungrige und „unweibliche“ Frauen im 19. Jahrhundert. Ebner-Eschenbach arbeitete das Verhältnis zu ihrem Vater später im Roman „Unsühnbar“ auf. Auch als sie längst als Schriftstellerin etabliert und gefeiert war, musste sie sich ihrer Familie gegenüber für ihren Beruf rechtfertigen.
1848 heiratete sie ihren Cousin Moritz von Ebner-Eschenbach und zog mit ihm nach Wien - aus der Reichweite ihrer Familie. Unabhängig war sie deswegen aber nicht. Ihr Mann war der Vormund, auch wenn er ihr Freiräume ließ. Sie musste dem Haushalt vorstehen und die „weiblichen Pflichten“ erfüllen. 1851 zog das Paar für fünf Jahre nach Klosterbruck bei Znaim.
Von Migräne und ihrer Schwiegermutter geplagt, stürzte sich Marie von Ebner-Eschenbach in ein literarisches Projekt nach dem anderen und entwickelte einen rebellisch, emanzipierten Standpunkt. „Ich brauche das Schreiben nothwendiger, als die Luft, die ich athme“, teilte sie damals ihrer Freundin Elisabeth von Knorr mit. Zurück in Wien versuchte sie sich als Dramatikerin einen Namen zu machen. Ihr Theaterstück „Das Waldfräulein“ war zwar ein Erfolg beim Publikum, bei den Zeitungskritikern fiel es jedoch durch. Die teils sehr heftige Kritik traf Ebner-Eschenbach hart, sie empfand ihre Erfahrungen mit der männerdominierten Theaterwelt als Scheitern. Sie wandte sich daraufhin der Prosa zu und erzielte damit große Erfolge. „Božena“ von 1875 und die „Dorf- und Schlossgeschichten“ von 1883 ließen Ebner-Eschenbach in die erste Riege der Autorinnen und Autoren aufsteigen. In ihren Werken beschrieb die Schriftstellerin meist das Schicksal von AußenseiterInnen und übte gleichzeitig Kritik am Establishment.
Mit zunehmender Bekanntheit trat Ebner-Eschenbach auch politisch und emanzipatorisch in Szene. 1891 trat sie dem von Bertha von Suttner gegründeten Verein zur Abwehr des Antisemitismus bei. Sie stand zudem in engem Kontakt mit Pionierinnen der bürgerlichen Frauenbewegung, mit Auguste von Littrow und Iduna Laube, Gründerinnen des Wiener Frauenerwerbvereins. Sie korrespondierte mit Frauenrechtlerinnen wie Adelheid Popp und Marianne Hainisch, auch mit deutschen Autorinnen wie Fanny Lewald, Helene Lange oder Natalie von Milde. Über deren Vermittlung trat Ebner-Eschenbach Anfang der 1890er-Jahre außerdem dem Deutschen Frauenverein Reform bei. Wobei sie sich in diesem nicht wie viele ihrer Mitstreiterinnen für eine spezielle Förderung für Frauen in Sachen Bildung aussprach, sondern für eine vollkommene Gleichstellung. Ebner-Eschenbach gehörte 1885 zu den Gründungsmitgliedern des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, einem Gegenstück zum Presseclub „Concordia“, der damals nur Männer zuließ.
1898 erhielt Marie von Ebner-Eschenbach das Ehrenkreuz für Kunst und Literatur, der höchste zivile Orden Österreichs. Die philosophische Fakultät der Universität Wien verlieh ihr als erster Frau ein Ehrendoktorat. Außerdem wurde Ebner-Eschenbach als erste Frau im Presseclub „Concordia“ zugelassen und 1930 in Wien-Währing ein Park nach ihr benannt. Sie starb am 12. März 1916 in Wien.
verwendete Literatur und Quellen:
Becker: Marie von Ebner-Eschenbach. – In: Autobiographien von Frauen, 302-317
Strigl: Berühmt sein ist nichts
Lexikoneinträge
Österreichisches biographisches Lexikon
Ebner von Eschenbach Marie Freifrau, Dichterin. * Schloß Zdislawitz bei Kremsier (Mähren), 13. 9. 1830; + Wien, 12. 3. 1916. Väterlicherseits dem alten böhm. kathol. Adelsgeschlecht der Dubsky von Trebomyslic (1608 in den Freiherren-, 1843 in den Grafenstand erhoben) und mütterlicherseits der sächs. protest. Familie Vockel (im 18. Jhdt. geadelt und in den Freiherrenstand erhoben) entstammend, wuchs sie inmitten einer großen Familie, weitverzweigter Sippen- und Schwägerschaft und mannigfacher Verbindungen und Beziehungen im Sommerhalbjahr auf Schloß Zdislawitz und in den Wintermonaten in Wien auf. Sie fühlte sich zeitlebens als Aristokratin, jedem Nationalismus fremd, fand früh über die herkömmliche Standeserziehung hinaus zu klassischer Lektüre und, unter dem Eindruck der Besuche im Burgtheater, zu ehrgeiziger dichterischer Produktion, über die Grillparzer1847 ein ermunterndes Urteil fällte. 1848 vermählte sie sich mit ihrem feinsinnigen und verständnisvollen Vetter Moritz Frhrn. E. v. E., folgte ihm 1850 nach Klosterbruck bei Znaim und 1863 zurück nach Wien, das neben Zdislawitz und bei wenigen Reisen (zur Weltausstellung nach Paris und nach Rom) ihr ständiger Aufenthalt wurde. Ihre dichterische Produktion entfaltete sich nun, in kinderloser Ehe, rasch. Sie versuchte sich zunächst erfolglos als Dramatikerin (histor. Dramen nach dem Vorbild Schillers, Gesellschaftsstücke und Lustspiele aus der Gegenwart), dann als Erzählerin, wurde jedoch erst 1879 durch den Abdruck der Erzählung "Lotti, die Uhrmacherin" in der führenden Monatsschrift "Deutsche Rundschau" (J. Rodenberg) bekannt. Ihr Ruhm als Erzählerin nahm nun stetig zu, sie trat in freundschaftliche und fördernde Beziehungen zu zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten (bes. J. Rodenberg, L. v. François, P. Heyse, E. v. Handel-Mazzetti) und ihr 70. und 80. Geburtstag wurden in ganz Österreich und Deutschland festlich begangen (1900 Dr.phil. h.c. der Univ. Wien). Bedeutendste Dichterin Österreichs und neben der Droste-Hülshoff des deutschsprachigen Raumes überhaupt. Hervorragendste Vertreterin der realist. österr. Heimaterzählung, meisterhafte Aphoristikerin und Verfasserin wertvoller autobiograph. Schriften. In ihrer Einstellung gesellschaftskritisch, patriarchalisch-sozial, ethisch-didaktisch und humorvoll.
Lexikon deutscher Frauen der Feder
Ebner-Eschenbach, Marie von, geb. Gräfin Dubsky
Schriftstellerin
13.9.1830 (Schloss Zdislawitz b. Kremsier - heute Kromeriz/Tschechien) - 12.3.1916 (Wien)
E.E. gilt als die bedeutendste deutschsprachige Erzählerin des 19. Jhs. Sie verlor ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt, ihre erste Stiefmutter, die drei Jahre für sie gesorgt hatte, als Siebenjährige. Als sie zehn Jahre alt war, heiratete ihr Vater in dritter Ehe X. v. Kolowrat, eine hochgebildete Frau, die das schriftstellerische Talent ihrer Stieftochter erkannte und förderte. Durch sie lernte E.-E. u.a. F. v. Schiller und F. Grillparzer kennen. 1848 heiratete sie ihren Vetter Moritz v. E.-E. und zog zu ihm nach Klosterbruck in Mähren, wo er eine Militärakademie leitete. Ab 1856 lebte sie in Wien und wandte sich ganz der Schriftstellerei zu. Fast 20 Jahre schrieb sie Dramen, doch erst mit dem Kurzroman "Bozena. Die Geschichte einer Magd" (1876), der in der "Deutschen Rundschau" vorabgedruckt wurde, konnte sie auf sich aufmerksam machen. Mit ihren "Aphorismen" (1880) und den "Dorf- und Schlossgeschichten" (1883), die ihre bekannteste Novelle, "Krambambuli", enthalten, gelang ihr endgültig der Durchbruch. 1887 erschien ihr Roman "Das Gemeindekind", der bis heute immer wieder aufgelegt wurde. In ihrem Werk, das dem kritischen Realismus zugeordnet wird, setzt sich E.-E. u.a. mit sozialen Fragen ihrer Zeit und der gesellschaftlichen Situation von Frauen auseinander. 1898 erhielt sie als erste Frau das "Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft", den höchsten österreichischen zivilen Orden, 1900 wurde ihr die Ehrendoktorwürde für Philosophie der Universität Wien verliehen.
Literatur in der Wiener Moderne
Marie von Ebner-Eschenbach
1830-09-13 (Zdislawic (Tschechien)) bis 1916-03-12 (Wien (A))
E. (geb. Freifrau von Dubsky) ist Tochter des Freiherrn von Dubsky und seiner zweiten Frau, geb. Marie Freiin von Vockel, einer norddeutsch-protestantischen Beamtenadligen. Nach dem frühen Tod der Mutter lernte sie erst tschechisch sprechen und französisch dichten. Sie wuchs auf dem Schloss oder im "Rabenhaus" in der Rotenturmstrasse in Wiener 1. Bezirk auf.
1848 heiratete sie ihren Vetter Moritz von Ebner-Eschenbach, Professor an der Ingenieur-Akademie in Wien, später Feldmarschallleutnant und Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Bis auf die in Klosterbruck bei Znaim (Znajmo) verbrachte Zeit (1850-56) lebte die Familie weiterhin in Wien und Zdislawic. E.s Interesse für Uhren bewog sie 1879 zu einer Uhrmacher-Lehre. Ihre Uhren-Kollektion bildet heute den Grundstock des Wiener Uhrenmuseums.
E.-E. konzentrierte sich zuerst aufs Drama und wollte Burgtheater-Autorin werden. Nach misslungenen Versuchen - z.B. Maria Stuart in Schottland (1860), Waldfräulein (1873) - wandte sie sich E. der erzählerischen Kurzform, mit der sie den Weg vom Biedermeier zum Realismus beschritt.
Bozena (1875) zeigt eine tschechische Magd in ihrer urwüchsigen Nächstenliebe und zugleich in ihrem plebejischen Selbstbewusstsein. Neben der humorvoll-autobiographischen Erzählung Lotti, die Uhrmacherin (1880) veröffentlichte E.-E. beachtenswerte Aphorismen (1880).
Die Dorf- und Schlossgeschichten (1883) sowie Neue Dorf- und Schlossgeschichten (1886) verzeichnen den Höhepunkt ihrer belletristischen Produktion. Krambambuli problematisiert die Anthropomorphisierung des domestizierten Tieres. Das Gemeindekind (1887) gestaltet an zwei Geschwistern aus dem Lumpenproletariat entgegengesetzte und sich zugleich ergänzende Varianten der Entsagung. In Thematik und Heldenwahl dem Naturalismus ähnlich, bleibt E.-E.s Prosa von dessen Ästhetik unbeeinflusst. Besondere Beachtung verdienen die autobiographischen Schriften (Meine Kinderjahre, 1906).
1898 erhielt E.-E. den höchsten Zivilorden Österreichs, das Ehrenkreuz für Kunst und Literatur. 1900 wurde sie der erste weibliche Ehrendoktor der Wiener Universität. Um die Jahrhundertwende galt sie neben Ferdinand von Saar als eine der größten Schriftsteller Österreichs und als Wegbereiterin der Wiener Moderne.