Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Bertha von Suttner wird am 8. Juni 1843 in Prag geboren, sie stammt als gebürtige Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau aus einer böhmischen Adelsfamilie. Ihr Vater Franz Michael Graf Kinsky, ein General, verstirbt noch vor ihrer Geburt. Sie wächst bei ihrer Mutter Sophie Wilhelmine im aristokratischen Umfeld der österreichisch-ungarischen k.u.k. Monarchie auf. Als adelige Kinsky erfährt sie nicht die übliche strenge Klostererziehung sondern genießt den liberaleren Unterricht durch Gouvernanten, so lernt sie etliche Sprachen, beschäftigt sich mit Musik und Literatur und reist mit ihrer Mutter durch halb Europa. Mehrere arrangierte Verlobungen scheitern.
Nachdem das vererbte Vermögen ihres Vaters (nicht zuletzt aufgrund der Spielleidenschaft der Mutter) weitgehend aufgebraucht ist, muss Bertha 1873 eine Stelle als Gouvernante bei dem Industriellen Freiherr Karl von Suttner in Wien annehmen und erteilt den vier Töchtern der Familie Unterricht in Musik und Sprache. In dieser Zeit verliebt sie sich in den sieben Jahre jüngeren Arthur Gundaccar von Suttner, den jüngsten Sohn der Suttners, der diese Liebe erwidert. Um einen Skandal zu vermeiden reist sie 1876 nach Paris, wo sie über Vermittlung für knappe zwei Wochen die Privatsekretärin von Alfred Nobel wird.
Zurück nach Wien heiratet sie Arthur Gundaccar heimlich am 12. Juni 1876, gegen den Willen seiner Eltern – er wird in der Folge enterbt und das junge Ehepaar zieht für mehr als acht Jahre in den Kaukasus nach Georgien, wo die beiden unter schwierigen finanziellen Umständen von Gelegenheitstätigkeiten leben, insbesondere vom Schreiben von Unterhaltungsromanen, Zeitungsbeträgen sowie von Übersetzungen. Hier verwendet Bertha von Suttner auch erstmals ihre später berühmten Pseudonyme wie B. Oulot, N.O. Body und Jemand. Dort – fern vom Habsburgerreich entwickelt Bertha von Suttner ihr Schreibtalent, ihre liberale Weltanschauung, ihre Russland-Affinität und die Beherrschung der russischen Sprache.
Eine Krise zwischen Russland und Österreich-Ungarn zwingt sie 1884 zur Heimreise nach Österreich, wo sie sich mit der Familie Suttner aussöhnen und schließlich auf Schloss Harmannsdorf im Waldviertel ihre Heimat finden – nicht gerade der ideale Ort für überzeugte Liberale und Freidenker – trotzdem wird die schriftstellerische und – Friedensarbeit hier fortgesetzt. Jetzt legt sie ihren Fokus auf eine friedlichere Gesellschaft und Pazifismus. In kurzen Jahresabständen erscheint Buch auf Buch: "High Life" (1886), „Inventarium einer Seele“ (1883), „Maschinenalter“ (1889) und im selben Jahr „Die Waffen nieder!“ etc. – die meisten erregen große Aufmerksamkeit und werden Bestseller und erleben etliche Auflagen. Doch „Die Waffen nieder““ schlägt alle Rekorde. Inspiriert durch internationale Friedensvereine und –aktivitäten beschreibt sie schonungslos die Schrecken des Krieges aus der Sicht einer Ehefrau und trifft damit den Nerv ihrer Gesellschaft, die zu dieser Zeit in heftigsten Diskussionen über den Militarismus und den Krieg begriffen war. Dieses Buch sollte ihr größter literarischer Erfolg werden, der in 37 Auflagen erscheint und in zwölf Sprachen übersetzt wird.
Internationale Vortragstätigkeiten in Europa und USA, Aufrufe, Petitionen, Konferenzberichte und Publikationen, Artikel in Tageszeitungen wie der „Neuen Freien Presse“ sollten immer mehr SympatisantInnen für die Friedensarbeit bringen. 1891 gründet sie die Österreichische Friedensgesellschaft. Ihr internationaler Ruf steigt rasant. 1904 gehört sie bereits zu den bedeutendsten TeilnehmerInnen der „Internationalen Frauenkonferenz“ in Berlin.
Zunehmend engagiert sich Suttner auch für die Frauenfrage, Frauenbildung und Chancengleichheit der Geschlechter. Sie ist in mehreren Frauenvereinen, der Friedenskommission des Bundes Österreichischer Frauenvereine, dem Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen aktiv und schreibt auch für Frauenzeitungen. Die Journalistin und Pazifistin Leopoldine Kulka ist eine ihrer besten Freundinnen, ebenso Marianne Hainisch und Henriette Herzfelder und die international tätige Ellen Key. Mit der Salzburger Feministin Irma von Troll-Borostyáni führt Suttner zwischen 1886 und 1890 ein regen Briefwechsel über das Arbeiten als Schriftstellerinnen und gesellschaftliche Themen. Zahlreiche Vorträge bringen sie auch zu deutschen Frauenvereinen.
Mit größerer Berühmtheit wird sie auch zur Zielscheibe für Spott und Hohn in den Karikaturen der internationalen Presse – höhnisch „Friedensbertha“ genannt. Doch 1905 wird ihre Arbeit endlich belohnt: als erste Frau erhält sie den (von ihr selbst initiierten) Friedensnobelpreis. 1912 mahnt sie vor der Gefahr eines internationalen Vernichtungskrieges und begibt sich auf eine äußerst erfolgreiche zweite Amerikareise, die sie als Vortragende von der Ostküste bis zur Westküste in über fünfzig Städte brachte.
Bertha von Suttner erliegt am 21. Juni 1914, wenige Wochen vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, vor dem sie wiederholt gewarnt hatte, einem Krebsleiden. Ihre letzten Worte werden von ihrem Friedens-Weggefährten Alfred Fried übermittelt: „Die Waffen nieder! –.– sag’s vielen – vielen".
verwendete Literatur und Quellen:
Biedermann: "Eine Genossin des leibhaftigen Gottseibeiuns?" - In: Österreichische Sprache, Literatur und Gesellschaft 2000, 139-151
Bittermann-Wille: Die Friedensbertha - gerühmt und bewundert - belacht und angefeindet. - In: "Gerade weil Sie eine Frau sind ..."
Lexikoneinträge
Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts
SUTTNER, geb. Gfn. Kinsky, Bertha v. (Pseud.: B. Oulot. Jemand)
geb. 9.6.1843 in Prag
gest. 21.6.1914 in Wien (ihre Urne steht in Gotha auf einem Sockel im Columbarium)
Vater österr. Feldmarschall-Leutnant Franz v. Kinsky, gest. schon vor ihrer Geburt. Mutter die Schriftstellerin Sophie Kinsky. Geh. 1876 Ingenieur und Schriftsteller Arthur Gundaccar v. Suttner (1850 - 1902). Sie bekam 1905 den Friedens-Nobelpreis.
Österreichisches biographisches Lexikon
Suttner, Bertha (Sophia Felicita) Freifrau von; geb. Gfn. Kinsky v. Wchinitz (Chinic) und Tettau; Ps. Elisa Arnold, B. Oulot, Jemand; Schriftstellerin, Journalistin und Friedensaktivistin
Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 9. 6. 1843; gest. Wien, 21. 6. 1914 (begraben: Urnenhain Gotha); röm.-kath. Tochter des kurz vor ihrer Geburt verstorbenen FML Franz Joseph Kinsky Gf. v. Wchinitz (Chinic) und Tettau (1769–1843) und von Sophie Wilhelmine, geb. v. Körner; ab 1876 mit →Arthur Gundaccar Frh. v. S. verheiratet. – S. wuchs in aristokrat. Umfeld in Brünn (Brno), später in Wien und Klosterneuburg auf. Neben luxuriösen Reisen in Kurorte und zu Spielstätten genoss sie französ., engl. und italien. Sprachunterricht durch Gouvernanten aus verschiedenen Ländern und erreichte durch die Lektüre belletrist. und wiss. Literatur einen hohen Bildungsgrad. Mehrere Verlobungen sowie eine Karriere als Sängerin scheiterten. 1872 wurde S. Gouvernante der vier Töchter von Karl Gundaccar Frh. v. S. d. Ä. (s. u. →Arthur Gundaccar Frh. v. S.) in Wien sowie auf dessen Landschloss Harmannsdorf in NÖ. Diese Stellung wurde aufgrund der Liebesbeziehung mit Arthur Gundaccar Frh. v. S. unhaltbar. S. nahm 1876 für wenige Tage die Tätigkeit als Sekr. bei Alfred Nobel in Paris an. Wenig später heiratete sie heiml. Arthur Gundaccar Frh. v. S. gegen den Willen seiner Eltern. Das Paar zog sich daraufhin für fast neun Jahre zu S.s Bekannten Ekaterina Dadiani, Fürstin von Mingrelien, nach Georgien zurück, wo es den russ.-türk. Krieg aus der Nähe erlebte. S. unterrichtete Musik sowie Sprachen und begann, Feuilletons, Kurzgeschichten und Fortsetzungsromane zu schreiben, die in verschiedenen Ztg. und Z. erschienen. Im Kaukasus formte sich ihr tiefer Glaube an den Pazifismus. Nach der Aussöhnung mit der Familie kehrte das Ehepaar 1885 nach Harmannsdorf zurück, wo S. zum Broterwerb weiterhin Liebesromane verf., die von einer realist. Schreibweise geprägt und an vielen Stellen autobiograph. gefärbt sind. In polit. Essays wie „Das Maschinenzeitalter. Zukunftsvorlesungen über unsere Zeit“ unter dem Ps. Jemand (1889) schrieb sie gegen nationale und reaktionäre Sichtweisen. 1889 gelang ihr der Durchbruch mit dem Tendenzroman „Die Waffen nieder!“, wobei sie durch realist. Schilderung von Kriegsgreueln hitzige Debatten auslöste und erhebl. zur Popularisierung des Friedensgedankens beitrug. Der Roman wurde zu einem der größten Bucherfolge des 19. Jh., in zahlreichen Z. abgedruckt und in alle europ. Sprachen übers. Als nun prominente Persönlichkeit setzte sich S. für die Friedensbewegung ein. Ihre Forderung nach Kriegsverzicht sollte durch Schiedsgerichtsverträge, einen internationalen Gerichtshof und eine Friedensunion umgesetzt werden. Ihrem Aufruf zur Gründung einer Österr. Ges. der Friedensfreunde folgten 1891 2.000 Mitgl. Im selben Jahr trat S. bei der Konferenz der Interparlamentar. Union und beim 3. Internationalen Friedenskongress in Rom auf, wobei sie als erste Frau im großen Ratssaal auf dem Kapitol sprach und zur Vizepräs. des neu gegr. Internationalen Friedensbüros in Bern gewählt wurde. In enger Zusammenarbeit mit →Alfred Hermann Fried gab sie 1892–99 die Z. „Die Waffen nieder“ heraus. S., seither Galionsfigur des internationalen Pazifismus, beteiligte sich an der Bildung der dt. Friedensges. in Berlin 1892 sowie der ung. 1895 in Budapest, nahm an internationalen Friedenskongressen teil, wobei sie sich dort zumeist als einzige Frau unter Diplomaten, Militärs und Völkerrechtlern fand, und wurde von Staatsoberhäuptern, u. a. von Theodore Roosevelt, empfangen. Ihr Glaube an die Konstituierung eines internationalen Rechtsgefüges zur Verhinderung militär. Auseinandersetzungen erhielt 1894 insbes. neuen Ansporn durch das Friedensmanifest von Zar Nikolaus II., auf dessen Initiative hin 1899 die 1. Friedenskonferenz in Den Haag stattfand. Nach dem nie überwundenen Tod ihres Ehemannes 1902 wurde der Besitz in Harmannsdorf wegen Verschuldung zwangsversteigert, S. zog nach Wien. Einladungen führten sie mehrmals nach Monaco zu Fürst Albert I., auf Vortragsreisen in die USA (1904 und 1912), nach Dtld. (1905) und Skandinavien (1906), wo sie den von ihr angeregten und ihr 1905 zugesprochenen Friedensnobelpreis in Empfang nahm. 1912 gewährte ihr der Industrielle Andrew Carnegie eine Lebensrente.
Lexikon der Frau
Suttner, Bertha, Freifrau von, geb. Gräfin Kinsky, österr. Schriftstell. u. Pazifistin, *Prag 9.6.1843, +Wien 21.6.1914. Verh. 1876 mit dem Schriftst. Frh. A. G. v. S. (+1902). Begann mit konventionellen Erzählungen, griff aber nach 1887 unter dem Einfluss der engl. "Internat. Peace and Arbitration Assoc." u. der Idee des Roten Kreuzes immer leidenschaftlicher in den Kampf gegen den nationalist. Machtstaat, den Militarismus u. die sozialen Missstände ein. Sie kämpfte für Pazifismus, internat. Schiedsgerichtsbarkeit, soz. Reformen u. Aufklärung im Geiste der positivist. Philosophie. Ihre Kampfmittel waren der roman, der Essay, die Ztschr. ("Die Waffen nieder!" 1892-99) u. die von ihr 1891 gegr. "Österr. Gesellsch. der Friedensfreunde". Hatte sich bereits 1876 um eine Stelle als Sekretärin Alfred Nobels bworben u. inspirierte ihn, bes. bei einer Zus.kunft in Zürich (1892), zur Stiftung eines Friedenspreises. Erhielt 1905 den Friedensnobelpreis.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Standort: 1790659-B.Neu-Per.7 - In: Friede - Fortschritt - Frauen - Wien: , 2007, 2007, 71-79