Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Die zentrale Figur in der österreichischen Frauenstimmrechtsbewegung war Ernestine von Fürth. Geboren 1877 in Prag, heiratete sie den Hof- und Gerichtsadvokaten Emil Ritter von Fürth (1863-1911). Beide traten 1905, vermutlich im Zusammenhang mit ihrer Heirat, in Wien aus dem Judentum aus. Im darauffolgenden Jahr wurde Ernestine von Fürth gemeinsam mit der Lehrerin und späteren Sozialdemokratin Lepoldine Glöckel, Mitgründerin des Frauenstimmrechtskomitees, dem fast alle Vorstandsmitglieder des Bundes Österreichischer Frauenvereine (BÖFV) angehörten. Der Versuch des Komitees einen Frauenstimmrechtsverein zu gründen, scheiterte am Vereinsverbotsgesetz für Frauen und gelang erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie. „Der erste auf dem Boden des neuen freien österreichischen Staates gegründete Verein war der ‚Deutschösterreichische Verein für Frauenstimmrecht’ (früher Frauenstimmrechtskomitee), dessen Konstituierung am 7. November 1918 stattfand“, schrieb Ernestine Fürth im Jahr 1930.
Zwischen 1907 und ihrer Vertreibung als Jüdin aus Österreich nach dem „Anschluss“, arbeitete Ernestine von Fürth jahrzehntelang für diverse österreichische Frauenbewegungszeitschriften, u a. für „Der Bund“ und „Die Österreicherin“. Sie fungierte als Herausgeberin der zwischen 1911 und 1918 erscheinenden „Zeitschrift für Frauenstimmrecht“. Nach der Verleihung des Wahlrechts an die Frauen rief Ernestine Fürth bei einer Veranstaltung des Deutschösterreichischen Vereins für Frauenstimmrecht am 15. November 1918 – am 12. November waren den Frauen die vollen politischen Rechte zuerkannt worden - dazu auf, alle Kräfte dafür einzusetzen, dass die große Masse der neuen Wählerinnen ihr Recht „im Sinne der Erfüllung des Kulturprogramms ausübe, das die Grundlage der fortschrittlichen bürgerlichen Frauenbewegung bildet“.
Zeitweise hatte Ernestine von Fürth auch die Funktion der Vorsitzenden-Stellvertreterin des BÖFV inne. Im „Der Bund“ kritisierte Fürth die „politische Indolenz des deutschen Bürgertums“, gegen die die Frauen fortschrittlicher bürgerlicher Kreise jahrelang zu kämpfen gehabt hätten. Die zukünftige Entwicklung und Gestaltung des neuen Vaterlandes würde nun von den Frauen maßgeblich mitbeeinflusst. Der Gedanke von der „wahren Demokratie“ sei dabei sowohl gegen die Sozialdemokratie als auch gegen den Klerikalismus zu verteidigen, so Fürth. Die Distanzierung der bürgerlichen Frauenbewegung von der Sozialdemokratie setzte, wie an dieser Rede Ernestine von Fürths deutlich wird, bereits unmittelbar nach Kriegsende ein. Zugleich verteidigte Fürth die bürgerliche Frauenbewegung gegen Attacken aus dem konservativen Lager.
Bis zum Jahr 1938 war Ernestine Fürth Autorin in „Die Österreicherin“ und schrieb u. a. über Themen wie die Zukunft der Ehe, innenpolitische Themen, die Entwicklungen der internationalen Frauenbewegung und über die Auswirkungen des Doppelverdienergesetzes auf die Frauen. Im Jahr 1933 beschrieb sie in „Die Österreicherin“ die Niederschlagung der Frauenbewegung in Deutschland nach der Machtübernahme der NationalsozialistInnen. Im März 1934 äußerte sich Ernestine Fürth über die Frauen im Ständestaat. Dabei konzentrierte sie ihre Kritik auf die wirtschaftliche Seite und forderte bei der Errichtung einer Ständekammer die Berücksichtigung der Frauen. Eine deutliche Distanzierung von den politischen Inhalten des autoritären Regimes fand nicht statt.
Wenige Jahre später, nach dem „Anschluss“, – das genaue Ausreisedatum ist nicht bekannt - floh Ernestine Fürth, über sechzigjährig, mit ihrem Sohn in die Vereinigten Staaten. Ihr Mann war bereits im Jahr 1911 bei einem Badeurlaub in Dänemark tödlich verunglückt. Sie starb im Jahr 1946 in Washington.
verwendete Literatur und Quellen:
Fürth: Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. - In: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich, 65-83
Malleier: Jüdische Frauen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung 1890 - 1938, 59–65
Lexikoneinträge
biografiA
Fürth Ernestine von, Nini, geb. Kisch; Frauenrechtsaktivistin und Vereinsfunktionärin
Geb. Prag, Böhmen, (Praha, Tschechien), 5. 10. 1877
Gest. Washington, D. C., USA, 31. 10. 1946
LebenspartnerInnen, Kinder: Verheiratet mit Dr. Emil Ritter von Fürth, Hof- und Gerichtsadvokat,
geb. 7. 9. 1863 in Strankowitz, Böhmen, gest. 17. 8. 1911.
Religionsaustritt am 30. 6. 1905. Vermutlich sind beide im Zusammenhang mit ihrer Heirat ausgetreten. E. v. F. flüchtete mit ihrem Sohn Herbert Fürth in die USA. (Zwei in der „Österreicherin“ erschienene Artikel von Josef Herbert Fürth stammen vermutlich von ihm; siehe: 1931, Nr. 1: „In memoriam Franziska Zach“ und 1934, Nr. 4: „Die Frauen und die neue Verfassung“.) Laufbahn: E. v. F. schrieb von 1907 bis 1938 für diverse österreichische Frauenbewegungszeitschriften („Der Bund“, „Die Österreicherin“). Herausgeberin der zwischen 1911 und 1918 in Wien monatlich erscheinenden „Zeitschrift für Frauen-Stimmrecht. Organ für die politischen Interessen der Frau“. Verantwortliche Redakteurin der Zeitschrift war Henriette Herzfelder. E. v. F. war eine führende Figur in der österreichischen Frauenstimmrechtsbewegung. Sie war Mitgründerin des „Frauenstimmrechtskomitees“ im Jahr 1906. Der Versuch des Komitees, einen Frauenstimmrechtsverein zu gründen, scheiterte und gelang erst nach dem Zusammenbruch der Monarchie. Der erste auf dem Boden des neuen freien österreichischen Staates gegründete Verein war der ‚Deutsch-österreichische Verein für Frauenstimmrecht‘ (früher Frauenstimmrechtskomitee), dessen Konstituierung am 7. November 1918 stattfand.“ (Fürth 1930, S. 80). E. F. war Mitorganisatorin der von den „deutschen Frauenstimmrechtskomitees“ (Wien mit Zweigorganisationen in Brünn und Troppau) organisierten und unter seinem Vorsitz stattfindenden ersten österreichischen Frauenstimmrechtskonferenz in Wien im März 1912. Während polnische und slowenische Vertreterinnen an der Tagung teilnahmen, lehnten die Tschechinnen eine Teilnahme an der Konferenz ab, da ausschließlich deutsch als Konferenzsprache vorgesehen war (Fürth 1930). E. v. F. war außerdem Vorsitzende der Rechtskommission des BÖFV. Diese Kommission erstellte Vorschläge für Gesetzesänderungen zur Verbesserung der rechtlichen Situation von Frauen und beschäftigte sich mit Themen wie der Dienstbotenordnung, der Ehegesetzgebung oder dem Erbrecht.