Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Julius Ofner studiert in Prag und Wien Jus und lässt sich in Wien als Anwalt nieder. 1896 wird er in den Niederösterreichischen Landtag gewählt und bildet zusammen mit Eugen von Philippovich und Ferdinand Kronawetter die Sozialpolitische Partei. Diese liberale Partei ist zwischen 1896 und 1919 in Wien und Niederösterreich von Bedeutung. 1901 bis 1918 ist Ofner Reichsratsabgeordneter der Sozialpolitischen Partei, 1918 bis 1919 Mitglied der österreichischen Nationalversammlung.
Bei den Wahlen 1919 erleidet er mit der Demokratischen Partei, deren Mitbegründer er ist und für die eine Reihe von Frauen aus der bürgerlichen Frauenbewegung an aussichtsreicher Stelle kandidieren, so u.a. Olly Schwarz, Marie Schwarz, Henriette Herzfelder, Else Beer-Angerer und Helene Rauchberg, eine vernichtende Niederlage.
Als Politiker gilt sein Interesse vor allem sozialen Fragen: er wirkt bei zahlreichen, u.a. arbeitsrechtlichen, Gesetzen mit und setzt sich immer wieder aktiv für Anliegen der Frauenbewegung und Frauenrechte ein. Bezüglich des Eherechts tritt er für eine Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses ein und zieht damit die Feindschaft der katholischen Kirche und antisemitische Stimmungen auf sich.
Nach ihm wird ein Wohnbau der Gemeinde Wien, Margaretengürtel 22, benannt, in der Taborstraße befindet sich ein Ofner-Denkmal und im 2. Bezirk eine Ofnergasse.
verwendete Literatur und Quellen:
Dr. Julius Ofner [Nachruf]. - In: Mitteilungen der "Vereinigung der arbeitenden Frauen" 22 (1924) 4, 1-2
Österreichisches biographisches Lexikon
Lexikoneinträge
Österreichisches biographisches Lexikon
Ofner Julius, Jurist und Politiker. * Horschenz (Horenice, Böhmen), 20. 8. 1845; + Wien, 26. 9. 1924. Stud. an den Univ. Prag (1863) und Wien (1865) Jus. 1869 Dr. jur., ab 1885 Hof- und Gerichtsadvokat in Wien. 1896 wurde er in den niederösterr. Landtag gewählt, in dem er mit Philippovich und Kronawetter eine kleine demokrat. Fraktion bildete. 1901-18 Reichsratsabg. als parteiloser "Sozialpolitiker", 1919 Mitgl. der Nationalversmlg. Gem. mit Schreier gehörte er zu den Begründern der "Demokratischen Partei", die bei den Wahlen eine vernichtende Niederlage erlitt. Ab 1919 ständiger Referent beim Verfassungsgerichtshof. Er war Vizepräs. der Wr. Rechtsanwaltskammer und der Jurist. Ges. und außerdem in zahlreichen sozialpolit. Ver. tätig. In seinen rechtsphilosoph. eth. Untersuchungen über das Verhältnis von Individuum und Ges. erblickte O. den Zweck des Rechts in der Sicherung der Entwicklung des Einzelnen, wodurch er zu einem Wortführer der sozialpolit. Richtung der 80er Jahre wurde. Er sah die Aufgabe der Jurisprudenz nicht nur in der Auslegung bestehenden Rechts, sondern auch in der Schaffung neuen Rechts aufgrund der konkreten gegenwärtigen Verhältnisse, fußend auf den Ergebnissen der Soziol., Ökonomie und Psychol. Er bekämpfte den Rechtspositivismus und übertriebenen Historismus und leistete durch Veröff. der Beratungsprotokolle zum Allg. Bürgerlichen Gesetzbuch einen wesentlichen Beitr. zur Geschichte des österr. Rechtes. O. erwarb sich große Verdienste um die Entwicklung der österr. Gesetzgebung, insbes. im Arbeitsrecht (Handlungsgehilfen-, Güterbeamten- und Schauspielergesetze, Dienstpragmatik der Staatsbeamten, Verbot der Kinderarbeit, Sonntagsruhe im Bürodienst, Zulassung der Frauen zu bestimmten Berufen, Fürsorge für entlassene Sträflinge etc.), in der Fortbildung des Privatrechts (Novellierung des Allg. Bürgerlichen Gesetzbuches, Herabsetzung des Volljährigkeitsalters, Erbbaurecht, Automobilhaftpflicht, Frauen als Vormünder etc.) und im Strafrecht (die sog. Lex Ofner über die Herabsetzung der Schadensgrenze bei Eigentumsdelikten, die bedingte Verurteilung etc.).