Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Die aus einer assimilierten jüdischen Familie des Prager Bürgertums stammende Olga Schwarz (Zeit ihres Lebens "Olly" genannt), übersiedelt 1898 mit ihren Eltern nach Wien. 1898 heiratet sie den Arzt Emil Schwarz und tritt aus dem Judentum aus. In Wien lernt sie den Volksbildner Ludo Hartmann kennen und wird Ausschussmitglied im Athenäum - sie hält für die Dauer des Bestehens des Vereins das Amt der Kassierin inne. Außerdem wird sie Vorstandsmitglied im Neuen Wiener Frauenklub und leitet die dortige Musikabteilung.
Ihre Interessen gelten jedoch hauptsächlich der Frauenbildung und Frauenberufstätigkeit. 1906 lernt sie Olga Steindler kennen, die eine Mädchenschule gründen will. Sie gründen gemeinsam den Verein zur Förderung der höheren kommerziellen Frauenbildung, im Rahmen dessen 1907 im 2. Wiener Bezirk die Handelsakademie für Mädchen eröffnet wird - Olga Steindler wird Direktorin, Olly Schwarz Kuratorin der Schule. Sie sammelt im Rahmen dieser Tätigkeit Kenntnisse über die Berufsberatung von Mädchen - ein Neuland zu dieser Zeit. 1909 erscheint ein "Ratgeber für die weibliche Berufswahl", verfasst von Eduard Leonhard, Direktor der Fachschulen der Vereinigung der arbeitenden Frauen. Olly Schwarz wird Vorstandsmitglied des Vereins und vertieft dort ihre praktischen Erfahrungen. Im Mai 1914 nimmt sie am Internationalen Kongress des Frauenweltbundes (ICW) in Rom teil und wird vom Bund Österreichischer Frauenvereine mit einem Referat über weibliche Berufstätigkeit in Österreich betraut.
Der Kriegsausbruch macht weitere Initiativen zunichte. Olly Schwarz arbeitet im Kriegsspital der Wiener Stiftskaserne und erkrankt. 1915 besucht sie eine vierwöchige Ausbildung für Berufsberatung in Berlin. Anfang 1916 setzt sie die Gründung eines Verbandes mit dem Namen Zentralstelle für weibliche Berufsberatung durch. Sie hält Vorträge in verschiedenen Städten der Monarchie und organisiert 1917 eine Tagung für die Berufsinteressen der Frauen. Im Verlauf des Krieges tritt sie auch dem patriotisch orientierten "Kuratorium für Kriegerwitwen" bei, ihr Hauptengagement gilt aber weiterhin einer Institutionalisierung der Berufsberatung. Nach Ende des Krieges, am 2. Dezember 1919, ist es soweit: Es ergeht ein Erlass des Ministeriums an alle Bürgermeister von Städten mit eigenem Statut, in welchem die Notwendigkeit zur Errichtung kommunaler Ämter für Berufsberatung angeregt wird. Die Gemeinde Wien zögert noch, aber in den sozialdemokratischen Führerinnen findet Olly Schwarz Verbündete. 1921 genehmigt der Gemeinderats-Ausschuss die Übernahme der Beratungsstelle durch die Gemeinde Wien. Olly Schwarz wird Leiterin der weiblichen Abteilung des Berufsberatungsamts der Stadt Wien.
Politisch sympathisiert Olly Schwarz seit ihrer Bekanntschaft mit Ludo Hartmann mit der Sozialdemokratischen Partei, dennoch engagiert sie sich - nach reiflichen Überlegungen - bei den Wahlen 1919 als Kandidatin der Demokratischen Partei Julius Ofners, die eine herbe Niederlage erleidet.
Auch die Jahre ab ihrem Eintritt 1922 in das Berufsberatungsamt der Stadt Wien sind von intensiver Tätigkeit geprägt. Schwarz organisiert neben ihrer täglichen Arbeit Tagungen, schreibt Artikel und Bücher, hält Vorträge. Dennoch setzt die immer fühlbarer werdende wirtschaftliche Depression und das Aufkommen des Austrofaschismus ihren Bemühungen immer stärkere Schranken. Das Angebot an Lehrstellen sinkt ständig, die Aufnahme in männlich dominierte Fachschulen gestaltet sich schwierig und viele Mädchen wenden sich wieder an- oder ungelernten Arbeitsbereichen zu. Olly Schwarz wird in Pension geschickt, ist aber weiter in der Zentralstelle aktiv bis diese 1936 das zwanzigjährige Jubiläum feiert und damit die Arbeit einstellt.
Olly Schwarz engagiert sich in den 30er Jahren noch in der Flüchtlingshilfe ("Liga für Menschenrechte") bis sie und ihr Mann selbst durch den Einmarsch Hitlers in Österreich ins gesellschaftliche Abseits gedrängt werden. 1939 gelingt ihnen mit Hilfe von Verwandten die Emigration in die USA. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, ein ihr entsprechendes Tätigkeitsfeld zu finden, tritt sie dem Frauenkomitee der Settlement-Bewegung in Chicago bei und engagiert sich wiederum in der Sozialarbeit. 1954 kehrt das Ehepaar noch einmal kurz nach Wien zurück. 1955 stirbt Emil Schwarz. Olly Schwarz stirbt 1960, nachdem sie ihre Memoiren niedergeschrieben hat, die ein so lebendiges Bild der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung liefern.
Der Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft hat in seiner Sitzung am 7. November 2011, beschlossen, die Verkehrsfläche in 1220 Wien, zwischen Im Gestockert und der Löwensteinstraße, mit Olly-Schwarz-Gasse zu benennen.
verwendete Literatur und Quellen:
biografiA
Malleier: Jüdische Frauen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung 1890 - 1938
Schwarz: Lebens-Erinnerungen
Lexikoneinträge
biografiA
Schwarz Olly, Olga, geb. Frankl; Frauenrechtsaktivistin, Pädagogin und Berufsberaterin
Geb. Prag, Böhmen (Praha, Tschechien), 10. 3. 1877
Gest. Chicago, Illinois, USA, 1960
Herkunft, Verwandtschaften: Vater starb 1899. Sie stammt aus einer assimilierten deutschsprachigen jüdischen Familie.
LebenspartnerInnen, Kinder: Ab 1899 mit dem Arzt und Hämatologen Prof. Dr. Emil Schwarz verheiratet. (starb 1955).
Laufbahn: 1898 ging sie nach Wien. Mit neun Jahren, so erzählt sie in ihren Aufzeichnungen, ist in ihr zum ersten Mal der Wunsch aufgekommen, ärmeren Menschen zu helfen. Als ein Mitschüler ihres Bruders, dessen Vater Schuster war, von seinem ewigen Hunger erzählte, konnte sie ihre Familienmitglieder dazu bewegen, diesen Buben jeweils einmal in der Woche zu verköstigen. Einem elternlosen Kind brachte sie Französisch bei. Als sie älter war gab sie Gartenparties, den Erlös spendete sie an soziale Institutionen. Sie begann schon in ihrer Jugend in einem Klub zu schreiben. Früh in die „bessere Gesellschaft“ eingeführt, erlebte sie immer wieder welch untergeordnete Rolle ein Mädchen zu spielen hatte. O. Sch. wurde Mitglied des Ausschusses des Athenaeum, eines Vereins für Frauenweiterbildung von Prof. Ludo Hartmann. Daneben war sie Vorstandsmitglied des Neuen Wiener Frauenklubs, kurz darauf auch Leiterin der Musikabteilung des Frauenklubs. Als Kuratorin kümmerte sie sich auch um die Stellenbeschaffung der Mädchen, die absolviert hatten. Sie gründete 1907 die Wiener Handelsakademie für Mädchen. Sie trat als Vorstandsmitglied in die „Vereinigung der arbeitenden Frauen“ ein, danach absolvierte sie selbst einen Kurs für Berufsberaterinnen und bildete unter dem Namen „Zentralstelle für weibliche Berufsberatung“ einen Zentralausschuss. Später wurde sie vom Bund der österreichischen Frauenvereine zur Delegierten gewählt und hielt ein sehr erfolgreiches Referat am internationalen Kongress des Frauen-Weltbundes in Rom. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde sie Kriegs-Krankenpflegerin. Nach acht Monaten musste sie aus gesundheitlichen Gründen den Dienst aufgeben. Danach nahm sie ihre Tätigkeiten in der Frauenbewegung wieder auf und hielt eine Tagung für die Berufsinteressen der Frauen ab. Kurze Zeit später trat sie in das Kuratorium für Kriegerwitwen ein. Dabei wurde sie mit dem Kriegskreuz 2. Klasse für Zivilverdienste ausgezeichnet. Außerdem erhielt sie einen neu geschaffenen Titel verliehen: Bundesstaatlicher Fürsorgerat. O. Sch. nahm auch an einem Frauenbeirat der österreichischen Heeresverwaltung teil. Als 1917 das Ministerium für soziale Verwaltung gegründet wurde, war sie eine vielbeschäftigte Mitarbeiterin. Unter anderem wurde dort eine Kommission für Frauen-Arbeit eingerichtet. Als die Republik ausgerufen wurde, war diese Kommission aber überflüssig geworden. O. Sch. besuchte wieder Kurse für Berufsberater in Berlin. Im Dezember 1919 wurden durch einen Erlass die privaten Berufsberatungen in die öffentliche Verwaltung überführt. Auch in die Politik stieg Frau O. Sch. ein, so wurde sie Wahlkandidatin für die Demokratische Partei und hatte im 6. und 7. Bezirk Vorträge zu halten. Als die Demokraten eine Wahlniederlage erlitten hatten, wechselte sie zu den Sozialdemokraten. Ab 1917 hat sie jährlich Tagungen für Berufsberatung abgehalten. Weit über die Grenzen Österreichs hinaus wurden diese Tagungen berühmt. O. Sch. rückte immer mehr in die Öffentlichkeit und musste zahlreiche Interviews geben. 1922 wurde sie Gemeindebeamtin auf dem Gebiet der Sozialarbeit im Berufsberatungsamt der Stadt Wien. Später wurden die Mittel drastisch gekürzt und O. Sch. als Meistverdienende entlassen. Zu dieser Zeit verfasste sie das Buch „Wir stehen im Leben“, das die Berufserlebnisse von fünf Frauen schildert, einmal in Brief-, in Tagebuchform, und in Gesprächen. Eine Krankenpflegerin, eine Wirtschaftsleiterin, eine Schneiderin, Verkäuferin und eine Bürovorsteherin kommen dabei zu Wort. Das Buch wurde zunächst sehr gut aufgenommen und besprochen, durch den aufkommenden Austrofaschismus kam es aber bald zu Rückschlägen. Ab 1933, während der großen Flüchtlingswelle, arbeitete sie bis zur Liquidierung in der Flüchtlingsfürsorge der Liga. Sie emigrierte wegen ihrer jüdischen Herkunft 1939 in die USA, wurde unter anderem Mitglied des Frauenkomitees des YMCA (Young Men’s Christian Association) und ging mit ihrem Mann zahlreichen gesellschaftlichen Verpflichtungen nach.
Ausz., Mitglsch.: Kriegskreuz 2. Klasse für Zivilverdienste; Verkehrsflächenbenennung: 2011 Olly-Schwarz-Gasse in 1220 Wien. O. Sch. war Mitglied zahlreicher soziologischer und kulturwissenschaftlicher Vereinigungen.
W.: „Berufskunde. Gewerbliche Frauenberufe. In: Berufskundliches Archiv. Beilage zur Zeitschrift ‚Lehrlingsschutz, Jugend- und Berufsfürsorge‘“ (1930, mit Helene Corradini), „Wir stehen im Leben. Berufskundliche Erzählungen für junge Mädchen“ (1934), „Lebens-Erinnerungen. Maschinengeschriebenes Typoskript, Chicago“ (1959)
Susanne Blumesberger
Wlaschek: Biographia Judaica Bohemiae
Schwarz, Olly, geb. 10. März 1877 Prag, gest. 1960 Chicago. Frauenrechtlerin, Pädagogin, Gründerin der Wiener Handelsschule [sic!] für Mädchen und des "Athenaeums", der Hochschule für Frauen, 1939 Emigration in die USA.