Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Alice Schalek wurde am 21. August 1874 in Wien geboren. Sie kommt aus einem jüdischen Elternhaus, konvertiert jedoch 1904 zum Protestantismus. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts feiert Schalek unter dem Pseudonym Paul Michaely literarische Erfolge mit Werken wie „Wann wird es tagen?“ und „Das Fräulein“. In beiden Büchern stehen junge, bürgerliche Frauen im Mittelpunkt, die sich gegen traditionelle Rollenbilder und Erwartungen einer männerdominierten Gesellschaft auflehnen. Der Fokus auf soziale Zwänge, denen sich Frauen ausgesetzt sahen, ist bereits für Schaleks frühe Arbeiten charakteristisch und geht mit der Forderung nach besseren Bildungsmöglichkeiten und mehr Unabhängigkeit einher.
Zwischen 1910 und 1911 unternimmt Alice Schalek Reisen nach Indien, China, Tongking, Macao und Australien. Sie macht zahlreiche Fotos und schreibt nach ihrer Rückkehr Reiseberichte für die „Neue Freie Presse“, die Schalek ab 1903 als Redakteurin beschäftigt. Die Journalistin hält an der Wiener und Berliner Urania Vorträge über ihre Reisen und ist damit die erste Frau, die in diesen Häusern spricht. Zudem ist sie Vorstandsmitglied des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien.
1915 wird Schalek auf eigenen Wunsch Mitglied des österreichischen Kriegspressequartiers. Die einzige weibliche Berichterstatterin fotografiert im Ersten Weltkrieg an der Front am Isonzo und in Montenegro. Ihr Ansinnen, über den Krieg zu schreiben, durchbricht die bis dato selbstverständliche männliche Wahrnehmungs- und Deutungshoheit und stellt so eine gesellschaftliche Provokation dar. Karl Kraus setzt Schalek in „Die letzten Tage der Menschheit“ ein Negativdenkmal, indem er sie als blutrünstige und kriegslüsterne Frontberichterstatterin darstellt. Die öffentliche Kriegs- und Antikriegsdebatte vermischt mit dem Geschlechterdiskurs trägt dazu bei, dass Alice Schalek 1917 ihre Akkreditierung als Kriegsberichterstatterin verliert.
Nach Ende des Ersten Weltkriegs verändert sich der Fokus ihrer Berichte auf die politische Situation und die Lebensumstände von Frauen in den besuchten Ländern. Sie rückt von der Bipolarität der Geschlechter ab, die sie während des Ersten Weltkrieges implizit propagiert, und das Engagement für Frauenrechte wird ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. In engagierten Auslandsreportagen berichtet Schalek etwa über die Frauenbewegung in Japan oder die „All India Women’s Conference“.
Trotz der Kritik an ihrer Euphorie für den Krieg steht Schaleks Beitrag zum Journalismus außer Frage. So wird sie 1924 als erste Frau in den Wiener Presseclub Concordia aufgenommen. 1938 emigriert Schalek in die USA, um sich vor dem Nationalsozialismus in Sicherheit zu bringen. Sie stirbt am 6. November 1956 in New York.
verwendete Literatur und Quellen:
Fotografen aus Österreich. - In: Übersee, 57-255
Klaus: Rhetoriken über Krieg. - In: Feministische Studien 26 (2008) 1, 65-82
Manojlovic: Strolling through India. - In: Colonial Austria, 193-205
Von Samoa zum Isonzo
Lexikoneinträge
Lexikon der Frau
Schalek, Alice Therese Emma, Pseud. Paul Michally, österr. Schriftst. u. Journalistin, *Wien 21.8.1874, +1939 (aus rassisch-polit. Gründen verschleppt u. verschollen). Unternahm Reisen nach Indien (1910), nach China, Tongking u. Macao (1911) u. schilderte ihre Eindrücke in Vorträgen u. Reisebüchern. Vorstandsmitgl. des Vereins dtsch. Schriftst. u. Künstlerinnen.
Wer ist wer
Schalek, Alice, Schriftst.
L: * Wien, 21. 8. 1874; Weltreisende, 25.000 eigene photographische Aufnahmen aus 5 Erdteilen, 500 Lichtbildervortr. in deutsch und englisch Wien, Oe., Deutschld., CSR, Amerika, Indien; 2 Jahre Kriegsberichterstatterin als einzige Frau; d. erste weibl. Mitgl. d. "Concordia", Vicepräs. d. Soroptimisten Klubs. (...)
V: Heinrich, Kaufmann; M: Clara, geb. Ettinger.
Wien, I., Schottenring 15.
Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft
Schalek, Alice, Schriftstellerin. Heute, wo Frauen über den Ozean fliegen und es in Beruf und Sport den Männern gleich tun, ist man leicht geneigt, zu vergessen, daß es vor nicht allzulanger Zeit abenteuerlich und revolutionär war, wenn eine Frau allein in ferne Länder reiste und über ihre Eindrücke auf kulturellem und völkerkundlichem Gebiete, untestützt durch hochinteressante photographische Aufnahmen, vielbemerkte Vorträge hielt. A. Sch., die erste Forschungsreisende Österreichs, hat Pionierarbeit geleistet; sie ist eine hochbegabte Schriftstellerin und wurde als eines der ersten weiblichen Mitglieder in den Schriftsteller- und Journalistenverein "Concordia" aufgenommen. Sie hielt zahlreiche Vorträge im In- und Auslande, in Wien zumeist in der Urania, und veröffentlichte mehrere vielgelesene Bücher, zuletzt über ihren Aufenthalt in Japan, China udn Indien. Während des Weltkrieges war sie Kriegsberichterstatterin der "Neuen Freien Presse" und schilderte die Kämpfe an der Isonzofront. Aus ihrem belletristischen Schaffen seien hier die Novellenbücher "Das Fräulein", "Sommererlebnis" und die Romane "Wann wird es tagen" und "Schmerzen der Jugend" erwähnt. Über ihre Reisen publiziert sie die Bücher: "Japan, das Land des Nebeneinander" und "Ein Bummel durch Hinterindien". - A. Sch. ist die Tochter des Wiener Kaufmannes Heinrich Sch., des Gründers der bekannten Annoncenexpedition gleichen Namens. Sie feiert ihren Geburtstag am 21. August. - Wohnung: I., Schottenring 15.
Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts
SCHALEK, Alice Therese Emma (Pseud.: Paul Michaely)
geb. 21.8.1874 in Wien
gest. 6.11.1956 bei New York
Vater Kaufmann. Sie reiste viel, war auch Kriegsberichterstatterin.
Die geistige Elite Österreichs
SCHALEK ALICE
Schriftstellerin, wohnt Wien I, Schottenring 15, Telephon A-17-2-56. Wurde am 21. August 1874 als Tochter des Herrn Heinrich Schalek und seiner Gattin Klara, geb. Ettinger, in Wien geboren. Die hochbegabte Schriftstellerin hat zu einer Zeit, in welcher die Berufstätigkeit einer Frau der des Mannes noch lange nicht als gleichwertig angesehen wurde, für die bessere Werteinschätzung ihres Geschlechtes auf den verschiedensten Gebieten hervorragende Pionierarbeit geleistet. Sie unternahm Weltreisen in die fernsten Länder und vermochte über ihre Eindrücke hochbeachtete Vorträge zu halten, welche sie mit interessanten photographischen Aufnahmen doppelt wirksam machte. Es war kein Wunder, daß A. Sch., welche den Ruf einer vortrefflichen Journalistin erwarb, als das erste weibliche Mitglied in den Schriftsteller- und Journalistenverein "Concordia" aufgenommen wurde.
Während des Weltkrieges war sie Kriegsberichterstatterin der "Neuen Freien Presse" und schilderte in prächtigen Farben die Kämpfe an der Isonzofront. Dem Klub der Soroptismistinnen gehört sie als Vizepräsidentin an und ist auch Mitglied des Vereines der Schriftstellerinnen und des Penklubs. Aus der Reihe ihrer zahlreichen Werke seien erwähnt: Romane: "Wann wird es tagen?" und "Schmerzen der Jugend"; Novellen: "Auf dem Touristendampfer" und "Das Fräulein"; Kriegsbücher: "An der Isonzofront" und "Tirol in Waffen"; Reisebücher: "Indienbummel", "Im Lande Buddhas", Bei den Maharadschas", "Japan, das Land des Nebeneinander".
A. Sch. hat in der Wiener und Berliner Urania als erste Frau gewprochen. Sie wurde für ihr verdienstvolles Wirken wiederholt ausgezeichnet. Im Kriege erhielt sie als Berichterstatterin und Erfinderin des ersten Abzeichens, des "Schwarzgelben Kreuzes", das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille, das Kriegskreuz für Zivilverdienste II. Klasse, die Bronzene Salvatormedaille der Stadt Wien usw. A. Sch. ist die Tochter des Gründers der bekannten Annoncenexpedition Heinrich Schalek und Schwester des Rechtsanwaltes Dr. Rudolf Schalek.