Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Christine Auspitz ist die Tochter eines hohen Militärs. Sie absolviert die Lehrerinnenbildungsanstalt in Wien und beginnt 1897, sobald für Frauen der Universitätszugang möglich ist, als außerordentliche Hörerin Literaturgeschichte zu studieren. In dieser Zeit unterrichtet sie daneben und legt 1902 extern die Maturaprüfung ab. 1905 promoviert sie zur Doktorin der Philosophie an der Universität Wien. Nach ihrer Heirat mit dem Juristen Heinrich Touaillon geht sie mit ihm in die steirische Provinz.
Nach ihrer Übersiedlung beginnt sie 1910 an ihrer Habilitationsschrift „Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts“ zu arbeiten. Sie ist die erste Frau, die sich wissenschaftlich mit Frauen- und Kinderliteratur beschäftigt. Erst 1919 kann diese im Verlag Wilhelm Braumüller wegen der kriegsbedingten Papiernot gedruckt werden. Touaillon verpflichtet sich der Grazer Papierfabrik für das über 600 Seiten starke Werk im Tausch für das benötigte Papier 300 Kilogramm Schweine zu beschaffen.
Im gleichen Jahr legt sie ihre Habilitationsschrift an der philosophischen Fakultät in Graz vor. Nachdem ihr in Graz durch das Professorenkollegium, das eine Frau per Geschlecht und nicht wegen mangelnder fachlicher Qualifikation als nicht geeignet erachtet, die Lehrbefugnis verweigert wird, erhält sie schließlich 1921 an der Universität Wien eine Dozentur für neuere deutsche Literatur. Damit ist Christine Touaillon eine der Pionierinnen, die sich den Zugang zum universitären Wissenschaftsbereich aneignet. Als erste habilitierte Germanistin Österreichs ist sie die zweite Frau, nach Elise Richter, der es gelingt, zur Lehrtätigkeit zugelassen zu werden. Sie hält Vorlesungen an der Universität Wien.
In Wien, vor ihrer Heirat und Übersiedlung in die Steiermark, knüpft sie bereits Kontakte zum radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung. Aus der Steiermark und ihren verschiedenen Wohnorten fungiert sie mit Auguste Fickert als Herausgeberin des "Neuen Frauenleben", des Vereinsorgans des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins - nach Auguste Fickerts Tod 1910 gemeinsam mit Leoplodine Kulka und Emil Fickert. Sie setzt sich in der Ethischen Gesellschaft und der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit mit Fragen der Friedensarbeit auseinander. Außerdem ist sie ab 1922 Ausschussmitglied des Verbandes der akademischen Frauen Österreichs.
Darüber hinaus publiziert sie in diversen Zeitschriften zu frauenpolitischen aber auch literaturgeschichtlichen Themen, hält Vorträge im akademischen Rahmen aber auch an Volksbildungseinrichtungen, wie dem Wiener Verein Volksheim und an der Grazer Urania.
Früh stirbt Christine Touaillon 1928 an einer nicht diagnostizierten Herzinnenwandentzündung, die als „Klimakterium"-Beschwerden abgetan werden. 2012 wird die Christine-Touaillon-Straße in Wien 22 nach ihr benannt.
verwendete Literatur und Quellen:
Leitner: Christine Touaillon, geb. Auspitz. - In: Frauenstudium und Frauenkarrieren an der Universität Graz, 210-247
Simon: "Durch eisernen Fleiß und rastloses, aufreibendes Studium". - In: Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung in Österreich, 205-219
Lexikoneinträge
biografiA
Touaillon Christine, geb. Auspitz; Literaturwissenschafterin und Schriftstellerin
Geb. Iglau, Mähren (Jihlava, Tschechien), 27. 2. 1878
Gest. Graz, Stmk, 15. 4. 1928
Herkunft, Verwandtschaften: Tochter von Leopold Auspitz (1838 –1907 ), Offizier der österreichisch-ungarischen Armee und Schriftsteller; und Henriette, geb. Eggenberg (um 1846–1895), Schwester von Walther Ernst (von) Auspitz, später Walter Ernst Heiydendorff, auch Auspitz-Heydendorff, Offizier, Widerstandskämpfer und Schriftsteller.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1904 verheiratet mit Dr.jur. Heinrich Touaillon, Notar. Ausbildungen: Volks- und Bürgerschule, ab 1893 Lehrerinnenbildungsanstalt des Zivilmädchenpensionats in Wien, 1897 Lehrbefugnis zum Unterricht an öffentlichen Volksschulen; ab 1897 Studium als a.o. Hörerin an der Universität Wien, 1902 Reifeprüfung in Salzburg, Studium der Germanistik und Geschichte an der Universität Wien, 1905 Promotion zum Dr. phil.
Laufbahn: Nach der Lehrerinnenausbildung war Ch. T. zunächst eine Zeitlang als Lehrerin an Privatschulen tätig. Sie habilitierte sich als zweite Frau in Österreich 1921 an der Universität Wien, nachdem der gleiche Versuch in Graz 1919 am Widerstand gegen die Zulassung von Frauen zum akademischen Lehramt gescheitert war, und wurde an der Universität Wien Dozentin für Neuere Deutsche Literaturgeschichte. Vorträge im Volksheim in Wien und in der Grazer Urania, Engagement für Otto Glöckels Schulreform; Glöckels zweimaliges Angebot eines steirischen Landtagsmandats lehnte sie ab. Ausz., Mitglsch.: Verkehrsflächenbenennung: 2012 Christine-Touaillon-Straße in 1220 Wien. Während des Ersten Weltkrieges Engagement in der Friedensbewegung, 1917 Organisation von pazifistischen Versammlungen in Wien. Vorstandsmitglied der sozialen Gruppe der Ethischen Gesellschaft; Vorstandsmitglied des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins, in dessen Zeitschrift „Neues Frauenleben“ sie auch wiederholt, v. a. literarische Rezensionen, publizierte und die sie gemeinsam mit Leopoldine Kulka und Emil Fickert herausgab. Sie verfasste darin auch einen Nachruf auf die „Führerin“ des AÖF Auguste Fickert (1910). Auch mit der Schriftstellerin Rosa Mayreder war Ch T. in engem Kontakt.
Elisabeth Lebensaft
Österreichisches biographisches Lexikon
Touaillon Christine, geb. Auspitz, Literaturwissenschaftlerin und Feministin.
Geb. Iglau, Mähren (Jihlava, CZ), 27. 2. 1878; gest. Graz (Stmk.), 15. 4. 1928.
Enkelin des Arztes Moritz Auspitz (geb. Nikolsburg, Mähren / Mikulov, CZ, 6. 5. 1803; gest. Wien, 2. 3. 1880), Tochter des Off. und Schriftstellers Leopold Auspitz (geb. Nikolsburg, 5. 12. 1838; gest. 23. 2. 1907) und von Henriette Auspitz, geb. Eggenberg (geb. um 1846; gest. 18. 10. 1895), Nichte von →Heinrich Auspitz, Schwester von Paul Auspitz und des Off. Walther Ernst v. Auspitz-Heydendorff (geb. St. Pölten, NÖ, 30. 10. 1888; gest. Wien, 19. 1. 1974); ab 1904 mit dem Notar Heinrich T. verheiratet. – Nach Absolv. der Bürgerschule in St. Pölten und Wien besuchte T. ab 1893 die Lehrerinnenbildungsanstalt des Zivilmädchenpensionats in Wien. 1897 erhielt sie die Lehrbefugnis für öff. Volksschulen und inskribierte als ao. Hörerin und eine der ersten Frauen an der Univ. Wien. Daneben unterrichtete sie an Privatschulen und legte 1902 die Externistenmatura am Staatsgymn. in Salzburg ab. I. d. F. belegte sie als o. Hörerin Dt. Philol. sowie Geschichte und prom. 1905 über Zacharias Werners Drama „Attila König der Hunnen“ bei →Jakob Minor. Als T.s Mann eine Stelle in Vorau erhielt, folgte sie ihm. Ihre begonnene Arbeit über ältere dt. Kinderliteratur musste sie aufgrund der schwierigen Bücherbeschaffung abbrechen. T. beschäftigte sich als Erste wiss. mit der Literatur von Frauen. Nach der Übersiedelung nach Stainz bei Graz 1910 begann sie mit ihrer Habil.schrift „Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts“ (1919, Reprint 1979), die sie 1919 an der phil. Fak. der Univ. Graz einreichte, 1920 jedoch wegen eines unter Vorwänden verschleppten Bescheids zurückzog. An der Univ. Wien, wo es Widerstand gegen Frauen im akadem. Lehramt nicht in diesem Ausmaß gab, habil. sie sich 1921 nach →Elise Richter als zweite Frau sowie als erste Germanistin in Österr. Es folgte eine mehrjährige Lehrtätigkeit an der Univ. Wien, in der sie den Schwerpunkt auf die Geschichte des Romans und die moderne Lyrik legte. Da ihr Lebensmittelpunkt weiterhin im weststeir. Stainz lag, unterrichtete sie ab 1922/23 nur mehr im Wintersemester. Sie war Mitarb. am „Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte“ von Paul Merker und Wolfgang Stammler (Kapitel „Bildungsroman“, „Briefroman“, „Familienroman“, „Frauendichtung“, Bd. 1, 1925/26) sowie an der „Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte“ von →Johann Willibald Nagl, Jakob Zeidler und Eduard Castle (Kapitel „Lyriker“, Abschnitt zu Ada Christen, s. → Christiane v. Breden; „Zeitroman“, →Bertha Freifrau v. Suttner, Bd. 3, 1930). T. fungierte als Mithrsg. der Z. „Neues Frauenleben. Organ der freiheitlichen Frauen in Österreich“ (1911–18) und stand mit →Rosa Mayreder, →Leopoldine Kulka und →Auguste Fickert in engem Kontakt. Sie war auch in der Volksbildung tätig: Im Wr. Ver. Volksheim sowie an der Grazer Urania hielt sie Vorträge und proklamierte die Ideen des Schulreformers →Otto Glöckel. Vergebl. versuchte er, sie als Kandidatin für ein steir. LT-Mandat zu gewinnen. Sie war Vorstandsmitgl. des Allg. Österr. Frauenver. Wien, der Eth. Ges., der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit sowie im Verband der Akadem. Frauen Österr.
Lexikon der Frau
Touaillon, Christine, österr. Literarhistorikerin, *Iglau 27.2.1878, +Graz 15.4.1928. Verh. 1904 mit dem Notar Heinr. T. Habilitierte sich 1921 als eine der ersten weibl. akad. Lehrerinnen an der Univ. Wien. Mitherausgeberin der für die österr. Frauenbewegung bed. Ztschr. "Neues Frauenleben" (1902-18), Mitarbeiterin am Reallexikon der dtsch. Lit.gesch. von Merker-Stammler (1926 ff.) u. am 3. Bd. der Dtsch.-Österr. Lit.gesch. von Nagl-Zeidler-Castle (1930). Grundlegend für die neuere dtsch. Lit.gesch. ist ihr Standardwerk "Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts" (1919).
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Korrespondenzen, Statuten, Tätigkeitsberichte der IFFF, Programm der Österreichischen Frauenpartei, Antikriegsausstellung 1935 - In: SFN, Sammlung Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit, Zweig Österreich, NL I/39a, NL I/39b
- Briefe und Ansichtskarte von Christine Touaillon und Anna Schapire-Neurath an Auguste Fickert - In: WBR/HS, Nachlass Auguste Fickert, H.I.N. 71074, H.I.N.-71075, H.I.N.-71076, H.I.N.-71131 1908-1911
- Postkarten von Christine Touaillon an Elise Richter - In: WBR/HS, Nachlass Elise und Helene Richter, H.I.N.-114440, H.I.N.-114439
- Briefe von Christine Touaillon an Marie Franzos - In: ÖNB/HAN, Nachlass Marie Franzos, Autogr. 258/117-1 bis 4 Han
- Briefe von Christine Touaillon an Elise Richter - In: ÖNB/HAN, Autogr. 266/47-1 bis 3 Han