Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Als mittleres von drei Kindern wurde Emma Kögler 1878 in Böhmen geboren. Ihr Vater war Bürgermeister. Nach dem Tod des Vaters und der Erkrankung der Mutter kümmerte sie sich um den Haushalt und die finanziellen Angelegenheiten der Familie. Dies sollte nur der Anfang ihres autodidaktischen Studiums sein, im Laufe dessen sie sich ein Wissen über Wirtschaftspolitik und Volkswirtschaftlehre aneignete. Sie sympathisierte schon früh mit der Sozialdemokratie – im Gegensatz zu ihrer protestantisch-bürgerlichen Familie. Ab 1899 kam sie in Kontakt mit Protagonistinnen der sozialdemokratischen Frauenbewegung und publizierte in sozialdemokratischen Zeitschriften. In diesem Umfeld lernte sie auch Leo Freundlich, den Herausgeber einer sozialdemokratischen Zeitung in Mährisch-Schönberg, kennen. Die beiden heirateten und bekamen bald darauf zwei Töchter. 1911 zogen die Freundlichs nach Wien und ließen sich scheiden.
Emmy Freundlich begann sich in den sozialdemokratischen Frauenorganisationen zu engagieren. Als Delegierte des Frauenreichskomitees nahm sie an den Parteitagen zwischen 1909 und 1933 teil. Frauenpolitisch bezog Emmy Freundlich eine ambivalente Haltung. Sie betrachtete die Gleichstellung der Frauen als gewerkschaftlichen Fragen untergeordnet. So unterstützte sie die Forderungen der Gewerkschaften und der Partei, den Kampf für das Frauenwahlrecht zunächst hintan zu stellen. Frauenspezifische Organisierung innerhalb der Gewerkschaften wiederum fand sie notwendig. Ablehnend war ihre Haltung gegenüber politischen Frauenvereinen, die keine primär gewerkschaftlichen Ziele verfolgten.
Ab 1912 begann ihr Engagement in der Konsumgenossenschaftsbewegung. Damit ließ sich ihr Interesse an Wirtschaftsfragen mit sozialdemokratischer Frauenpolitik vereinen. Hausfrauen in ihrer Rolle als Konsumentinnen sowie als ökonomischer und politischer Faktor standen im Fokus ihrer Arbeit. Innerhalb der Konsumgenossenschaftsbewegung setzte sie sich für eine frauenspezifische Organisierung ein. Der Aufbau gemeinwirtschaftlicher Strukturen und die Wichtigkeit von Frauen in diesen war ihr zentrales Politikfeld. Frauen blieben bei Freundlich aber auf ihre Rolle als Hausfrau und Versorgerin beschränkt, auch wenn sie deren Arbeitsleistungen gesellschaftlich aufzuwerten versuchte. Durch Koch-, Näh-, Haushaltungskurse usw. sollten diese nichterwerbstätigen Frauen für die Sozialdemokratie gewonnen werden. Freundlich betätigte sich auch als Vermittlerin, indem sie unter anderem in der Zeitschrift „Der freie Genossenschafter“ von 1927 bis 1934 als Redakteurin tätig war, darüber hinaus aber auch in anderen sozialdemokratischen Zeitschriften publizierte.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Freundlich 1919 sozialdemokratische Abgeordnete im Nationalrat und blieb dies bis 1933/34. Zu ökonomischen Fragen wie auch zu Ernährungs- und KonsumentInnenenfragen meldete sie sich häufig zu Wort und legte großes Fachwissen an den Tag.
Auf internationaler Ebene wurde Emmy Freundlich 1921 zur Präsidentin der International Cooperative Women´s Guild (ICWG, Internationale Genossenschaftliche Frauengilde) gewählt und bis zu ihrem Tode in dieser Funktion immer wieder bestätigt. Als anerkannte Wirtschaftspolitikerin wurde sie Mitglied der Wirtschaftssektion des Völkerbundes und war 1927 Delegierte auf der internationalen Weltwirtschaftkonferenz in Genf. Aufgrund dieser Ämterkumulation - sie war in einer Reihe von nationalen wie internationalen Organisationen in verschiedenen Funktionen vertreten – wurde sie auch kritisiert. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum Amalie Seidel 1928 bei der Gründung des genossenschaftlichen Frauenkomitees und der genossenschaftlichen Frauenorganisation den Vorsitz übernahm.
1934 wurde Emmy Freundlich verhaftet, bald darauf aber - nachdem international interveniert wurde - wieder entlassen. 1939 ging sie ins Exil nach London und war dort weiterhin für die Genossenschaftsbewegung tätig. 1947 übersiedelte sie nach New York, um als Beobachterin der ICWG beim Wirtschafts- und Sozialrat der UNO tätig zu werden, starb aber bald darauf – 1948 – an Krebs. In Erinnerung an Emmy Freundlich wurde eine Gasse in Florisdorf nach ihr benannt.
verwendete Literatur und Quellen:
Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus, 259-264
Österreichisches Parlament
Lexikoneinträge
Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft
Freundlich, Emmy, Nationalrätin. Die sozialdemokratische Bewegung hat es durch rege Anteilnahme an den Geschicken der Frau verstanden, deren Interesse an der Politik zu wecken. Eine der Vorkämpferinnen der Frauenbewegung und des Frauenrechtes ist E. F. Schon vor und während dem Kriege stand sie als eifrige Mitarbeiterin in der sozialdemokratischen Partei und war insbesondere in der Genossenschaftsbewegung national und international tätig. Von 1919 bis zur Auflösung war sie Direktor im Bundesministerium für Volksernährung. 1919 wurde sie vom vierten Wiener Wahlkreis als Abgeordnete in den Nationalrat gesandt. Seither ist sie in ununterbrochener Reihenfolge dreimal wiedergewählt worden. Ihren Reden gibt die Vereinigung von Sachlichkeit und Temperament das Gepräge. Sie betrachtet die Frauenbewegung als eine Teilerscheinung des sozialen Aufstieges der Massen, an dem sie ja auch in der Tat in hohem Maße mitarbeitet. E. F. beschäftigt sich vor allem mit wirtschaftlichen Fragen. Sie hat an den Zolltarifnovellen, Steuergesetzen usw. mitberaten und war Delegierte Österreichs auf der Weltwirtschaftskonferenz und ist die einzige Frau, die auch Mitglied des Wirtschaftsrates des Völkerbundes ist. Sachkenntnis und Arbeitsfreude haben sie zu einem geschätzten Mitglied gemacht. Sie ist Präsidentin der internationalen genossenschaftlichen Frauengilde und Mitglied des leitenden Ausschusses des internationalen Genossenschaftsbundes. - E. F. ist geschieden und wohnt: XII., Schönbrunnerstr. 254. - Tel. R-38-9-88.
Lexikon der Frau
Freundlich, Emmy, Führerin der österr. Arbeiterinnenbeweg., *aussig (Elbe) 25.6.1878, +New York 16.3.1948. Seit 1919 sozialist. Abgeordnete im Nationalrat u. im Wiener Gemeinderat, Dir. des Bundesministeriums für Volksernährung, 1921 Präs. der internat. genossenschaftl. Frauengilde. Seit 1924 Mitgl. des leitenden Ausschusses des internat. Genossenschaftsbundes, 1927 Vizepräs. der vorberat. Konferenz für die Weltwirtschaftstagung, 1928 im Komitee der wirtsch. Sektion des Völkerbundes.
Östereichisches biographisches Lexikon
Freundlich Emmi, Politikerin. * Aussig a. d. Elbe (Ústi n. Labem), 25. 6. 1878; + New York, 17. 3. 1948. Tochter eines Ingenieurs und Bürgermeisters von Aussig; widmete sich ausschließlich privaten und nationalökonom. Studien und zeigte früh großes Interesse an sozialen Fragen und an der sozialdemokrat. Bewegung. 1911 kam sie nach Wien und betätigte sich in der Genossenschaftsbewegung. Mitbegründerin der genoss. Frauenorganisation und der genoss. Fraueninternationale, wirkte sie 1919-34 als Dir. im Bundesmin. für Volksernährung, seit 1919 als Abg. zum Nationalrat und im Wr. Gemeinderat. 1921 wurde sie zur Präs. der internat. genoss. Frauengilde gewählt, 1927 wurde sie Vizepräs. der vorberatenden Konferenz für die Weltwirtschaftstagung, 1928 war sie als Delegierte Österr. die einzige Frau im Komitee der wirtschaftlichen Sektion des Völkerbundes. 1934 verhaftet, 1939 nach England ausgewandert, übersiedelte sie nach ihrer 1946 erfolgten Wiederwahl zur Präs. der internat. genoss. Frauengilde 1947 nach New York. E. F., eine Führerin der österr. Arbeiterinnenbewegung, war eine beliebte Rednerin und Schriftstellerin.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- VGA Wien, Personenarchiv, Emmy und Leo Freundlich Lade 20, Mappe 47A