Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Marianne Pollak kommt aus einer kleinbürgerlichen jüdischen Familie. Für den Besuch der Mittelschule fehlten die finanziellen Mittel. Nach dem Besuch der Bürger- und Handelsschule wird sie Sprachlehrerin. Die mangelnde „höhere Schulbildung“ wurde von ihr zeitlebens als Manko empfunden. Mit 19 Jahren lernt sie den um zwei Jahre älteren Oscar Pollak kennen. 1915 heiratet das Paar in der Israelitischen Kultusgemeinde Fünfhaus in Wien, 1918 treten beide aus der jüdischen Gemeinde aus.
Marianne Pollak wird im Jahr 1914 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs. In der Folge engagiert sie sich bei den sozialdemokratischen „Kinderfreunden“. Als wichtigste Aufgabe einer sozialistischen Erziehung betrachtet sie die Vermittlung einer „demokratischen Solidarität“. Während der revolutionären Aufbrüche der Rätebewegung unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, fordert Marianne Pollak „Elternräte“. Deren Aufgabe sollte nicht nur die Sorge um die eigenen Kinder sein, sondern das Verantwortungsgefühl sollte allen Kindern gelten. Ab 1919 lehrt Marianne Pollak an der Schönbrunner ErzieherInnenschule der Kinderfreunde. In den ersten Jahren der Republik beschäftigt sie sich mit der theoretischen Einbindung der Kinderfreundebewegung in die sozialistische Erziehungslehre.
1923 geht Marianne Pollak zusammen mit ihrem Mann nach London. Beide arbeiten dort für Friedrich Adler im Sekretariat der neu gegründeten Sozialistischen Arbeiter-Internationale, für die Marianne Pollak bereits seit 1921 in Wien tätig war. 1926 kehren beide zurück nach Wien. 1927 bis1934 ist sie Herausgeberin und Redakteurin der sozialdemokratischen Zeitung „Das kleine Blatt“. Sie schreibt zahlreiche Artikel für verschiedene sozialdemokratische Zeitungen und ist in der sozialdemokratischen Frauenbewegung, in der Gewerkschaft und in der Arbeiter-Abstinenzler-Bewegung aktiv. Weiters ist sie Mitarbeiterin der „Arbeiter-Zeitung", deren Chefredakteur ihr Ehemann Oscar Pollak war.
Nach dem Verbot aller sozialdemokratischen Organisationen im Jahr 1934 ist Marianne Pollak in der Illegalität aktiv. 1935 flieht sie nach Brünn, wo sich auch Otto Bauer aufhielt. 1936 bis 1938 arbeitet sie für die Sozialistische Arbeiter-Internationale in Brüssel. In den Jahren 1938 bis 1940 flieht sie vor den Nazis zuerst nach Paris und dann über Lissabon nach London. Dort wird sie Mitglied des „Austrian Labour Club“ und arbeitet im Londoner Büro der österreichischen SozialistInnen, das als Auslandsvertretung gegründet worden war.
1945 kehrt sie nach Wien zurück. Ende 1945 kandidiert sie für die Nationalratswahl während Oscar Pollak zugunsten seiner Frau auf eine Kandidatur verzichtet. Ebenfalls im Jahr 1945 übernimmt Marianne Pollak die Redaktion der sozialdemokratischen Wochenzeitschrift „Die Frau“. Sie ist eine der ersten Politikerinnen, die sofort nach Kriegsende für die Freigabe der Abtreibung eintritt. Weitere Themen für die sie sich als Politikerin engagiert, sind das Familienrecht und die weibliche Berufstätigkeit, sowie gleiche Aufstiegschancen für Frauen in Beruf und Politik. Bis 1959 ist Marianne Pollak Abgeordnete des Nationalrats. Im Jahr 1963 setzt sie, zwei Tage nach dem Tod ihres Ehemannes Oscar Pollak, ihrem Leben ein Ende. Eine Gedenktafel am Marianne-und-Oscar-Pollak-Hof, 21., Dunantgasse 10-18, erinnert an die beiden. Seit 2011 gibt es im Gebiet Hauptbahnhof Wien eine Marianne-Pollak-Gasse.
verwendete Literatur und Quellen:
Österreichisches Parlament
das rote Wien
Schneider, Wolfsberger: Marianne Pollak. - In: Die Revolutionierung des Alltags, 151-192
Lexikoneinträge
biografiA
Pollak Marianne, geb. Springer; Journalistin, Parteifunktionärin und Nationalratsabgeordnete
Geb. Wien, 29. 7. 1891
Gest. Wien, 30. 8. 1963
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Sophie Springer, geb. Foges; Vater: Hermann Springer.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1915 Heirat mit Oscar Pollak (1893 –1963), Dr. iur., Journalist, RS-Funktionär, Gründer und Leiter des Büros der österreichischen Sozialisten in GB, 1945–1963 Chefredakteur der „AZ“, 1961–1963 Chefredakteur der „Zukunft“.
Ausbildungen: Volksschule, Bürgerschule, Handelsschule, Sprachstudium Englisch, Französisch in Wien, Staatsprüfung.
Laufbahn: Private Sprachlehrerin; 1914 Mitglied der SDAP, Mitarbeiterin der „Kinderfreunde-Bewegung“ (Englischlehrerin in der Schönbrunner-Schule); 1923 –25 Sekretärin von Friedrich Adler bei SAI in London, 1926 Rückkehr nach Wien, 1927 –1934 Redakteurin „Das kleine Blatt“, nach den Februarkämpfen 1934 Mitglied des sog. Schattenkomitees aus ehemaligen Parteiredakteuren und Mitarbeitern vor allem der „Arbeiter-Zeitung“, auf dessen Initiative die erste zentrale Fünfergruppe (später ZK) der illegalen RSÖ gebildet wurde, illegale Arbeit in Wien, 1934 Emigration in die Schweiz, Rückkehr, 1935 nach Brünn, Mitarbeit im Auslandsbüro der österreichischen Sozialisten (ALÖS) in Brünn, 1936 –1938 Sekretärin der SAI in Brüssel, 1938–1940 Paris, Sommer 1940 zusammen mit Oskar Pollak Flucht vor dem deutschem Vormarsch über Montauban/Südfrankreich und Spanien nach Lissabon, trotz US-Visums 1940 nach London, Mitglied des „Austrian Labour Club“, Mitarbeiterin des „Londoner Büros der österreichischen Sozialisten in GB“, 1942 Londoner Delegierte bei der Delegationskonferenz der österreichischen Sozialisten in GB, 1944 – 45 Mitglied des Exekutivkomitees der „Anglo Austrian Democratic Society“; November 1945 Rückkehr nach Österreich, Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Frau“, 19. 12. 1945 – 9. 6. 1959 Abgeordnete zum Nationalrat, Mitglied des Frauenzentralkomitees der SPÖ; Vorstandsmitglied der Journalistengewerkschaft im ÖGB, „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller und Journalisten“, 1957–1959 Mitglied der beratenden Versammlung des Europarats in Straßburg, 1963 zwei Tage nach dem Tod von Oscar Pollak Freitod.
Ausz.: Gedenktafel am Marianne-und-Oscar-Pollak-Hof, 1210 Wien, Dunantgasse 10 –18; Verkehrsflächenbenennung: 2011 Marianne-Pollak-Gasse in 1100 Wien.
W. u. a.: „Die Tagesforderungen. Gedanken über soziales Empfinden, Arbeit, Währung, Preisabbau, Verwaltungs – und Steuerreform“ (1922), „Frauenleben – gestern und heute“ (1923), „Kind und Sozialismus“ (1925), „Irrfahrten. Aus dem Tagebuch eines suchenden Mädels“ (1929), „Beruf und Haushalt. In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Hg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien“ (1930), „Aber schaun’s, Fräul’n Marie! Liebesgeschichte einer Hausgehilfin“ (1932), „Eine Frau studiert den Sozialismus“ (um 1933), „Die Frauen in der Demokratie“ (1948), „Wir wollen den glücklichen Menschen. Für die denkende Frau“ (1949), „Frauenmehrheit verpflichtet. Eine internationale Übersicht. Hg. v. Frauenzentralkomitee der Sozialistischen Partei Österreichs“ (1950), „Schluss mit dem Kleinmut! Vom passiven Pazifismus zu aktiver Friedensarbeit“ (1951), „Die Vermenschlichung der Gesellschaft“ (1952), „Frauenschicksal und Frauenaufgaben in unserer Zeit“ (1957). Zahlreiche Artikel im „Frauentag“ 1918 –1933