Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Grete Löhr wurde am 1878 als sechstes Kind einer jüdischen Familie des Wiener Bürgertums geboren. Ihre Mutter war Inhaberin einer Papierhandlung, ihr Vater war Buchbinder, Drucker und als Gesellschafter und Händler in der Textilbranche tätig. Grete Löhr wurde zuerst gemeinsam mit ihren Geschwistern Zuhause unterrichtet und wechselte dann für fünf Jahre auf ein Wiener Mädchenlyzeum. Anschließend erhielt sie private Mal- und Zeichenstunden und besuchte den Unterricht an der Wiener Frauenakademie.
1903 begann Grete Löhr ihre Tätigkeit im 1901 von Marie Lang und Else Federn gegründeten Verein Wiener Settlement. Sie kam mit einer Vielzahl unterschiedlicher Handlungsfelder in Berührung, war jedoch hauptsächlich in Kinderhort- und Jugendgruppen aktiv. Von 1908 bis 1915 war sie stellvertretende Leiterin des Settlements. In späteren Jahren übernahm ihre Schwester Helene diese Aufgabe. Neben der Vereinstätigkeit besuchte sie Kurse über Rechtskunde und absolvierte einen Krankenpflegekurs.
Grete Löhr verbrachte ein halbes Jahr in Deutschland, um verschiedene Jugend- und Wohlfahrtsorganisationen in Berlin und Charlottenburg - wie das Pestalozzi-Fröbel-Haus, die Deutsche Zentrale für Jugendfürsorge und die Berliner Jugendgerichtshilfe - kennenzulernen. Zurück in Wien war sie in der Berufsberatung im Kuratorium für Kriegerwitwen, im Kriegsspital und im Wiener Verein gegen Verarmung tätig.
Ab 1916 war Grete Löhr Teil des Arbeitsausschusses der Wiener Jugendgerichtshilfe (JGH) und wurde 1917 zu deren Leiterin. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Institutionalisierung der JGH, deren Ausbau und Professionalisierung. So setzte sie sich beispielsweise für alternative Zugänge zu straffällig gewordenen Jugendlichen und eine bedingte Strafnachsicht ein. Sie arbeitete dabei eng mit dem Jugendrichter Hans Fiala zusammen und gilt mit ihm als Vorreiterin der Reformierung des Jugendstrafrechts. Ihr Interesse und Engagement war stark bedingt durch die Auseinandersetzung mit dem Werk und Schaffen des Psychoanalytikers August Aichhorn, mit dem sie auch persönlichen Kontakt hatte.
Grete Löhr stand Zeit ihres Lebens immer wieder in der Öffentlichkeit und war publizistisch tätig: Neben Stellungnahmen in zentralen(sozialarbeiterischen) Medien, war sie Mitverfasserin dreier Handbücher - „Jugendgerichtshilfe“ (1919), „Praktische Rathschläge für Jugendgerichtshelfer“ (1921) und „Die Jugendgerichtshilfe und ihre praktische Arbeit“ (1930). Zudem reiste sie als Delegierte des Österreichischen Versöhnungsbundes und des Komitees für Gefangenenhilfe zu mehreren internationalen Kongressen und zu verschiedenen Jugendgerichtstagungen in Deutschland.
1922 erhielt Grete Löhr den Ehrentitel einer Bundesfürsorgerätin und nach ihrer Pensionierung wurde ihr für ihr Lebenswerk das Goldene Verdienstzeichen verliehen. 1933 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand und sie suchte um vorzeitige Versetzung in den Ruhestand an. Am 30. Juli 1934 bereitete Grete Löhr ihrem Leben ein Ende.
verwendete Literatur und Quellen:
Schwabe: Grete Löhr zum Gedächtnis
Verschüttete Fachlichkeit
Lexikoneinträge
Österreichisches biographisches Lexikon
Löhr Grete, Fürsorgerin. * Wien, 3. 7. 1878; + Wien, 30. 7. 1934 (Selbstmord). Besuchte in Wien ein Mädchenlyzeum; dann Malstud., privat und an der Akad. für Frauen. 1903 begann sie ihre fürsorger. Arbeit im Wr. Settlement, zuerst unter der Leitung von Else Federn, dann bis 1915 als deren Stellvertreterin. Schon damals arbeitete sie in dem 1911 gebildeten Komité für Jugendgerichtshilfe mit, deren Probleme sie 1915 auch in Berlin (eingehende Besuche des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, Begegnung mit Elsa v. Liszt) stud. hatte. Nach kürzerer Tätigkeit in fast allen Sparten der Fürsorge baute L. ab 1916 gem. mit dem Jugendrichter H. Fiala die Wr. Jugendgerichtshilfe neu auf und arbeitete mit ihm zusammen den Entwurf des 1. Österr. Jugendgerichtsgesetzes aus. Ab 1917 war sie Leiterin und Seele der ab 1920 amtlichen Charakter tragenden Jugendgerichtshilfe. Auch die 1920-29 geschaffene Reihe von einschlägigen Gesetzen trug ihre fürsorger. Tendenzen in die Reform. Von nachwirkender Bedeutung wurde ihre mitreißende Art der Heranbildung und Schulung des Mitarbeiterstabes. Die Wr. Jugendgerichtshilfe wirkte mustergültig für In- und Ausland. L. nahm auch an den Jugendgerichtstagungen in Jena (1920), Heidelberg (1924) und Stuttgart (1927) teil; sie war Mitgl. des Komités für Gefangenenhilfe und vertrat 1925 Österr. als Delegierte auf dem 9. Internationalen Kongreß für Gefängniswesen in London (wo sie u. a. die großartigen Barnardo-Heime für "Niemandskinder" kennenlernte), 1930 in Prag. Neben der Jugendfürsorge war der Gedanke der Vökerversöhnung und des Weltfriedens das tiefste Anliegen L.s. 1920 gewann sie in der Leiterin des österr. Zweiges des Versöhnungsbundes (Friends Union for international Service), Beatrix Hoysted, eine ihr wesensverwandte Freundin, wurde Vorstandsmitgl., besuchte als Delegierte mehrere Kongresse dieses Bundes und empfing in Nyborg tiefe Eindrücke durch die Begegnung mit der Finnin Mathilde Wrede, der berühmten "Schützerin der Gefangenen". In zahlreichen Kursen und Einzelvorträgen suchte L. in ihrer begeisternden Art Lehrer, Bezirksschulinspektoren, Richteramtsanwärter und Eltern in den Geist fürsorger. Tätigkeit einzuführen. Vielfach geehrt und ausgezeichnet trat L. 1933 i. R.
biografiA
Löhr Grete; Fürsorgerin
Geb. Wien, 3. 7. 1878
Gest. Wien, 30. 7. 1934
Ausbildungen: Mädchenlyzeum Wien, Studium der Malerei an der Wiener Frauenakademie.
Laufbahn: G. L. war ab 1903 im Wiener Settlement aktiv, zuerst unter der Leitung von Else Federn, dann als deren Stellvertreterin. Ab 1911 arbeitete sie im „Komitee für Jugendgerichtshilfe“. 1915 verließ sie das Settlement und erweiterte ihre Erfahrungen im Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin, einer dem Settlement vergleichbaren stadtteilbezogenen Sozialarbeiter-Einrichtung der Frauenbewegung. Dort lernte sie auch die Arbeit der Berliner Jugendgerichtshilfe kennen und freundete sich mit der späteren Leiterin Elsa von Liszt an. Wieder in Wien arbeitete sie einige Zeit in einem Kriegsspital und in Tagesheimstätten für Kinder. Nach einem Aufenthalt in Brünn und einer zeitweiligen Mitarbeit im Wiener „Verein gegen Verarmung“ wurde sie im Sommer 1916 in den Ausschuss der Wiener Jugendgerichtshilfe berufen. Ab 1916 organisierte sie gemeinsam mit dem Jugendrichter H. Fiala den Neuaufbau der Wiener Jugendgerichtshilfe und war gemeinsam mit ihm maßgeblich am Entwurf des ersten österr. Jugendgerichtsgesetzes beteiligt. Ab 1917 leitete sie die Jugendgerichtshilfe, die 1920 eine amtliche Einrichtung wurde. Von 1920 –1929 arbeitete G. L. an weiteren Gesetzesentwürfen im Bereich der Jugendfürsorge mit. Sie nahm an internationalen Tagungen der Jugendgerichtshilfe teil (1920 Jena, 1924 Heidelberg, 1927 Stuttgart). G. L. war Mitglied des Komitees für Gefangenenhilfe, 1925 österr. Delegierte am Internationalen Kongress für Gefängniswesen in London (wo sie u. a. die Barnardo-Heime für „Niemandskinder“ kennenlernte) und 1930 Delegierte am Kongress in Prag. Ab 1920 war sie Mitarbeiterin, Vorstandsmitglied und Delegierte des Versöhnungsbundes (Friends Union for international Service) und setzte sich hier, gemeinsam mit Beatrix Hoysted, für Völkerversöhnung und Weltfrieden ein. Darüber hinaus leitete sie Kurse und hielt Einzelvorträge für Lehrer, Eltern, Schulinspektoren und Richteramtsanwärter über Sozialarbeit mit Jugendlichen. 1933 trat sie in den Ruhestand. Am 31. Juli 1934 setzte sie ihrem Leben ein Ende.