Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
1909 konvertierte Hildegard Burjan vom jüdischen zum katholischen Glauben. Eine schwere Nierenerkrankung und etliche Operationen, sowie die selbstlose Pflege der Ordensschwestern, die sich während ihrer Erkrankung im Spital um sie kümmerten, und ihre unerwartete Genesung, bewogen sie zu diesem Schritt. Sowohl der Katholizismus als auch das soziale Engagement sollten sie ihr weiteres Leben begleiten.
Geboren wurde Hildegard Freund am 30. Jänner 1883 in Schlesien in eine bürgerlich-liberale jüdische Familie. Noch während ihrer Schulzeit zog die Familie zuerst nach Berlin und dann in die Schweiz, wo sie 1903 zu studieren begann. An der Universität Zürich inskribierte sie Germanistik, besuchte aber auch Vorlesungen über Ökonomie in Berlin. Nachdem sie 1907 den Industriellen Alexander Burjan geheiratet hatte, promovierte sie laut Gabriella Hauch nie, obwohl sie schon ihre Dissertation abgeschlossen hatte. Sie trug aber trotzdem den Doktortitel. Die beiden Eheleute zogen nach Wien und 1910 gebar sie ihr einziges Kind Elisabeth.
In Wien begann ihre soziales und karitatives Engagement in der katholischen Frauen- und Arbeiterinnenbewegung. Sie setzte sich für die Organisierung der christlichen Arbeiterinnen ein und gründete 1912 den Verein christlicher Heimarbeiterinnen. Im ersten Weltkrieg organisierte sie Nähstuben, Lebensmittel-Verteilungsstellen und Hilfsaktionen, wie den Elisabeth-Tisch für den verarmten Mittelstand. Fürsorge und Hilfe für diejenigen, die Unterstützung benötigen, sah sie als Aufgabe privater Hilfswerke und wohltätiger Besitzender, nicht als staatliche Angelegenheit und Problem ökonomischer Ungleichheit.
Als Vertreterin der christlichen Arbeiterinnen entwickelte sie sich zur geeigneten Kandidatin für politische Funktionen. Mit Aloisia Schirmer wurde sie 1918 in den provisorischen Wiener Gemeinderat delegiert. 1919 war sie die erste und einzige weibliche Abgeordnete der Christlichsozialen Partei (CSP) in der konstituierenden Nationalversammlung. Für die Nationalratswahlen 1920 wurde sie nicht mehr nominiert und beendete damit ihre parteipolitische Tätigkeit. Als Grund für ihren Rückzug galt vor allem ihr schlechter gesundheitlicher Zustand. Es müssen wohl neben gesundheitlichen Aspekten auch Vorbehalte gegenüber Frauen als Politikerinnen und der manifeste Antisemitismus innerhalb der CSP, der sich auch gegen eine Konvertitin richtete, für ihr Ausscheiden in Betracht gezogen werden.
Hildegard Burjan wendete sich wieder ihren sozialen Tätigkeiten zu. Nach Kriegsende gründete sie 1919 die Schwesternschaft Caritas Socialis, die seit damals in den Bereichen Familienpflege, Altenhilfe und Jugendarbeit tätig ist.
Innerhalb der CSP stand Hildegard Burjan Ignaz Seipel nahe, der schon vor 1934 ein autoritäres Regierungsmodell gemeinsam mit Großdeutschen und nationalsozialistischen Splittergruppen anstrebte, dies aber nicht realisieren konnte. Als Seipel, der in der Zwischenkriegszeit Bundeskanzler war, starb, ließ sie im 15. Wiener Gemeindebezirk eine Kirche für ihn errichten. Diese steht noch heute und ist unter dem Namen Seipel-Dollfuß-Gedächtnis-Kirche bekannt. Sie verstarb 1933.
verwendete Literatur und Quellen:
Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus, 250-255
Lexikoneinträge
ÖBL
Burjan Hildegard, Sozialpolitikerin. * Görlitz (Schlesien), 30. 1. 1883; + Wien, 11. 6. 1933. Seit 1907 mit dem Industriellen Alexander B. verheiratet, 1908 an der Univ. Zürich magna cum laude zum Dr.phil. promoviert, stellte sie trotz eines schweren Leidens ihre Intelligenz, ihre glänzende Rednergabe und ihr großes Wissen in den Dienst der chritlichen Arbeiterinnenbewegung. Sie begann 1911 ihre öffentliche soz. Arbeit mit der Organisation der Heimarbeiterinnen und baute während des Weltkrieges das Hilfswerk für die notleidenden Erzgebirgler und die "Soz. Hilfe" auf. 1920/21 wurde sie als erste Frau in den österr. Nationalrat gewählt; sie erreichte die gesetzliche Festlegung von Mindestlöhnen für Heimarbeiterinnen und machte sich verdient um die Mädchenschutzarbeit, die Gefährdetenfürsorge und um das Wiederaufleben der Bahnhofsmission. Sie erkannte früh, daß die erste Voraussetzung wirkungsvoller, umfassender soz. Arbeit tüchtige, geschulte Kräfte seien. So kam es 1918 zur Gründung der "Caritas socialis", die etwas später zu einer statutenmäßig zusammengeschlossenen Schwesternschaft wurde und die sie, von Prälat I. Seipel beraten, bis zu ihrem Tode leitete. Diese energische, von tatkräftiger Nächstenliebe durchdrungene Frau arbeitete ihr ganzes Leben an der Aufklärung, Ertüchtigung und Erziehung der breiten Volksmassen.