Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Oktavia Rollett besucht das Mädchenlyzeum in Graz sowie die Lehrerinnenbildungsanstalt. Sie legt als eine der ersten Frauen in Graz die externe Matura am Staatsgymnasium ab und studiert ab 1900 an der Karl-Franzens-Universität Medizin. Ihr Vater ist dort Universitätsprofessor für Physiologie und Histologie und steht dem Frauenstudium kritisch gegenüber, lässt sich aber von seiner Tochter überzeugen. Im Dezember 1905 promoviert sie als zweite Medizinerin in Graz kurz nach Maria Schuhmeister.
Sie arbeitet darauf im Allgemeinen Krankenhaus Graz (heute: Grazer Landeskrankenhaus) als unbezahlte Hilfsärztin. Eine bezahlte Anstellung wird ihr verweigert, sodass sie ins private Anna-Kinderspital wechselt, wo sie als Sekundarärztin angestellt ist. 1907 eröffnet sie in der Humboldtstraße in Graz ihre eigene Praxis und ist damit die erste praktizierende Ärztin in der Steiermark. 1908 heiratet sie den Arzt Walter Aigner mit dem sie drei Söhne hat. Sie bleibt bis ins hohe Alter in ihrer Praxis berufstätig.
Oktavia Rollett ist in einer Reihe von Frauenvereinen verankert. Der Vereinigung arbeitender Frauen in Graz gehört sie seit der Gründung 1906 an. Auch nachdem sich die Vereinigung arbeitender Frauen zuerst in den Allgemeinen Deutschen Frauenverein in Graz und später in den Deutschen Frauenbund Graz, einen eindeutig deutschnationalen Frauenverein, wandelt, bleibt sie Mitglied. Weiters ist sie in der Ersten Republik Mitglied des Verbandes der akademischen Frauen Österreichs gehört dem Klub der Grazer Frauen an ebenso ist sie Mitglied der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in Graz, einer transnational ausgerichteten Frauenvereinigung der radikal bürgerlichen Frauen- und Friedensbewegung. Sie steht damit gleichzeitig in Verbindung mit deutschnationalem ebenso wie mit pazifistischem Gedankengut und Vereinigungen - sich scheinbar widersprechenden Gesinnungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist sie Vizepräsidentin des steirischen Zweigs der Internationalen Vereinigung berufstätiger Frauen, die sich aus dem Klub der Grazer Frauen entwickelt.
In Graz wird am Rosenhain die Aigner-Rollett-Allee nach ihr benannt und an der Karl-Franzens-Universität die Oktavia Aigner-Rollett Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterforschung eingerichtet.
verwendete Literatur und Quellen:
Aigner: Dr. Oktavia Aigner-Rollett, die erste Ärztin in Graz. - In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 2 (1969), 141-157
biografiA
Simon: "Durch eisernen Fleiß und rastloses, aufreibendes Studium" - In: Geschichte der Frauenbildung und Mädchenerziehung in Österreich, 205-219
Lexikoneinträge
biografiA
Aigner-Rollett Oktavia; Ärztin
Geb. Graz, Stmk., 23. 5. 1877
Gest. Graz, Stmk., 22. 5. 1959
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Alexander Rollett (1834 –1903), Physiologe.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1908 Heirat mit dem Anatomen Dr.med. Walter Aigner
(1878–1950); drei Söhne.
Ausbildungen: 1888–1894 Mädchen-Lyzeum in Graz, Lehrerinnen-Bildungsanstalt, 1897
Lehrbefähigungsprüfung und Probekandidatin an der Mädchen-Bürgerschule in Graz, Privatstudium, 1900 Externistenmatura als erste Grazerin am Akademischen Gymnasium. Ab dem WS 1900/01 Studium der Philosophie. Nach Zulassung von Frauen zum Medizinstudium ab dem WS 1901/02 Studium der Medizin an der Universität Graz, Ablegung aller Kolloquien und Rigorosen mit Auszeichnung. 1905 Promotion und Anmeldung zur Ausübung einer ärztlichen Praxis. Studium der Philosophie und Chemie, im Zuge der Dissertation durch Professorenwiderstand am Erwerb des zweiten Doktorgrades gescheitert.
Laufbahn: 1906 als unbezahlte Hilfsärztin am Allgemeinen Krankenhaus Graz, die erstrebte
Sekundararztstelle wird trotz Befürwortung durch die Primarärzte durch einen eigens gefassten und für alle weiblichen Ärzte geltenden Ablehnungs-Beschluss des Steiermärkischen Landesausschusses verwehrt. 1906/07 erste österreichische Sekundarärztin am privaten Anna-Kinderspital in Graz. 1907 Eröffnung einer eigenen Praxis als erste praktische Ärztin in der Steiermark. Ausübung der Praxis bis 1952; daneben Tätigkeit für Krankenkassen, als Schulärztin, als Anstaltsärztin der Privat-Turnanstalt, Lehrerin für Somatologie und Hygiene an der Frauen-Gewerbeschule in Graz. In beiden Weltkriegen Vertretungen für eingerückte Ärzte. Ende des Zweiten Weltkrieges Luftschutz-Ärztin.
Ausz., Mitglsch.: 1935 Verleihung des Titels „Medizinalrat“. 1955 „Goldene Promotion“ als erste Frau an der Universität Graz. Mitgliedschaft in allgemeinen und akademischen Frauenvereinen, so auch in der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“. 1947 Vizepräsidentin des Steiermärkischen Zweiges der „International confederation of business and professional women“. Zweiteiliges Ehrenring-Denkmal in Graz, „Oktavia-Aigner-Rollett- Gastprofessur“ zur Frauen- und Geschlechterforschung an den Grazer Universitäten.
W. u. a.: „Beiträge zur Kenntnis der interperitonealen Cholerainfektion … In: Sitzungsberichte
der kaiserl. Akademie der Wiss., math.-nat. Klasse 115“ (1906), zahlreiche Aufsätze
zu medizinischen und Frauenrechts-Belangen in Zeitungen und Zeitschriften