Biografie
Grete Lihotzky stammt aus einer bürgerlichen Wiener Familie. Ihr Vater war ein liberal gesinnter Staatsbeamter und Kriegsgegner, der die Gründung der Republik im Jahr 1918 befürwortete. Grete Lihotzky besucht zwei Jahre die k.k. Graphische Lehr- und Versuchsanstalt und studiert anschließend von 1915 bis 1919 als erste und damals einzige Frau Architektur an der k. k. Kunstgewerbeschule (heute: Universität für Angewandte Kunst) in Wien. Sie wird die erste Architektin Österreichs.
Ihr Lehrer ist Oskar Strnad, ein Pionier des sozialen Wohnbaus. 1917 gewinnt Lihotzky einen Wettbewerb zum Thema „Arbeiterwohnungen“ und wird mit dem Max-Mauthner-Preis ausgezeichnet. 1918 beendet sie die Kunstgewerbeschule und arbeitet in diversen Architekturbüros u. a. bei Adolf Loos. Während dieser Arbeit kommt sie in Kontakt mit der Siedlerbewegung, die damals nach Lösungen für die große Wohnungsnot in Wien sucht. Ab 1922 arbeitet sie für die „Erste gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft der Kriegsinvaliden Österreichs“.
Im Jahr 1926 wird Grete Lihotzky vom Architekten und Frankfurter Baustadtrat Ernst May in das Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main berufen. Dort entwirft sie Einrichtungen für Kindergärten, Wäschereien und Wohnungen für alleinstehende und berufstätige Frauen. Zur Erleichterung der Hausarbeit für diese Frauen konzipiert Grete Lihotzkys ihre berühmte Frankfurter Küche. Sie ist von einem gut durchdachten und bis ins kleinste Detail gehenden Funktionalismus gekennzeichnet. Es handelt sich dabei um die erste moderne, seriell hergestellte Einbauküche. Diese nahm nur 6,5 m² in Anspruch, die Anregung dafür kam von einer Speisewagenküche in der Eisenbahn. Im Sinne einer „Rationalisierung der Hauswirtschaft“ wird diese Küche damals rund 10.000 Mal in Wohnungen eingebaut. Zugleich arbeitet Lihotzky auch in Wien an einigen Gemeinschaftsprojekten und an der Werkbundsiedlung mit.
1927 heiratet sie den Architekten Wilhelm Schütte und baut ab 1930 mit einer Gruppe Frankfurter ArchitektInnen um Ernst May in der Sowjetunion Arbeitersiedlungen, Schulen und Kindergärten. 1933 stellt Schütte-Lihotzky ihre Arbeit auf der Weltausstellung in Chicago aus. 1938 geht sie in die Türkei und lehrt zusammen mit ihrem Mann an der Akademie der Schönen Künste in Istanbul. Im Exil entschließt sie sich, aktiven Widerstand gegen das NS-Regime zu leisten und schließt sich einer kommunistischen Widerstandsgruppe an. Ende Dezember 1940 reist sie vom sicheren Istanbul nach Wien. Sie wird bereits im Jänner 1941 verhaftet und zum Tod verurteilt. Das Urteil wird später in eine fünfzehnjährige Haftstrafe umgewandelt und Schütte-Lihotzky bleibt bis Kriegsende in Aichach in Bayern in Haft.
Nach ihrer Befreiung durch die US-Truppen arbeitet sie in Sofia, Bulgarien in der Stadtbaudirektion (Abteilung Kinderanstalten). 1947 kehrt sie nach Wien zurück, wo sie aber als Kommunistin keine öffentlichen Aufträge erhält. In den folgenden Jahren arbeitet sie freiberuflich als Beraterin für Länder wie Bulgarien, China, Kuba und die DDR. Eine Anerkennung für ihre Leistungen erhält sie erst im hohen Alter ab den 1980er Jahren, so u. a. 1980 den Preis für Architektur der Stadt Wien und 1988 mit 89 Jahren das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Margarete Schütte-Lihotzky stirbt im Jahr 2000 wenige Tage vor ihrem 103. Geburtstag. Sie wird in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
verwendete Literatur und Quellen: