Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Rózsa Schwimmer, Feministin und Pazifistin, wird 1877 in Budapest in eine jüdische Familie geboren. Sie wächst in Temesvár (heute Timişoara, Rumänien) und Szabadka (heute Subotica, Serbien) auf. Ihr Vater betreibt Handel mit Agrarprodukten. Durch die Familie ihrer Mutter, gibt es auch Bezüge zur Journalistin Berta Katscher.
Rózsa schließt 1891 die Bürgerschule für Mädchen ab, lernt Französisch, Deutsch und Musik. Sie beendet eine Ausbildung zur Handelskauffrau in Temesvár. Nachdem der Vater in die geschäftliche Katastrophe geschlittert ist, übersiedelt die Familie Schwimmer 1897 nach Budapest. Seit dieser Zeit hat die Familie mit Existenzsorgen zu kämpfen. Rosika geht zunächst einer Arbeit als Büroangestellte nach. Später verdient Schwimmer ihren Lebensunterhalt als Journalistin und Herausgeberin. Sie übersetzt „Women and Economics. A Study of the Economic Relation between Men and Women“ ins Ungarische und verfasst Arbeiten zu Themen wie Mutterschaft und Kinderschutz. Ihre Artikel werden unter anderem in der Wiener Zeitschrift "Neues Frauenleben“ veröffentlicht. Von Lola Maverick Lloyd, die sie bei ihrer ersten USA-Reise 1914 kennenlernt, erhält sie jahrzehntelang finanzielle Unterstützung. 1904 nennt sie sich erstmals Bédy-Schwimmer. Laut unsicheren Quellen ist Schwimmer von 1911 bis 1913 mit einem Journalisten Bédy verheiratet.
Rosika Schwimmer ist seit der Jahrhundertwende wichtige Protagonistin der ungarischen Frauenbewegung. 1897 tritt sie der Nőtisztviselők Országos Egyesülete (Landesverein der weiblichen Angestellten) bei und wird später deren Präsidentin. 1903 macht sie sich mit Freundinnen und Kolleginnen an die Gründung des ersten Vereins weiblicher Arbeiterinnen, des Magyarországi Munkásnők Országos Egyesülete (Landesverein der Arbeiterinnen Ungarns). Schwimmer kommt in Kontakt mit der Internationalen Frauenbewegung. Die Holländerin Aletta Jacobs, die Schwimmer bald auch persönlich kennenlernt, fungiert als Mentorin des Gedankens, einen ungarischen Frauenbund zu schaffen. 1904 reist Rosika Schwimmer ungeachtet aller finanziellen Schwierigkeiten zum Kongress des International Council of Women (ICW) in Berlin. Sie nimmt auch an dem zwei Wochen früher abgehaltenen Gründungstreffen der International Woman Suffrage Association (IWSA) teil. Nach Hause zurückgekehrt, initiiert Schwimmer gemeinsam mit Vilma Glücklich die Gründung des Feministák Egyesülete (Verein der Feministen). Seit 1907 agiert sie als verantwortliche Herausgeberin der theoretisch anspruchsvollen gemeinsamen Monatszeitschrift des Vereins der Feministen und des Landesvereins der Arbeiterinnen Ungarns unter dem Titel „A Nő és a Társadalom“ (Die Frau und die Gesellschaft). 1913 findet unter maßgeblichem Einfluss Schwimmers der 7. internationale Kongress der IWSA in Budapest statt.
1914 zieht Schwimmer nach London um und wird dort zur Pressesprecherin der IWSA. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellt einen Wendepunkt in ihrem Leben dar. Sie verlegt den Fokus ihrer Tätigkeiten auf pazifistische Aktivitäten. Mit der Intention, eine Audienz bei Präsident Wilson zu erhalten, fährt sie in die USA. Die Reise ist Teil ihres Planes, eine Mediationskonferenz der neutralen Staaten abzuhalten. 1915 nimmt Schwimmer am berühmten Frauenkongress in Den Haag teil, dessen Ziel es ist, die Friedensbewegung voranzubringen. Schwimmer engagiert sich mit wachsender Ungeduld für die Umsetzung der Ford Peace Ship Mission: FriedensaktivistInnen und JournalistInnen sollten von den USA nach Stockholm zu einer inoffiziellen Friedenskonferenz gebracht werden. Bald ist die ursprünglich durch Henry Ford unterstützte, kontroversielle Aktion von politischen und persönlichen Intrigen bestimmt, von der Presse lächerlich gemacht und den Kriegsmächten sabotiert. Schließlich grenzt sich Schwimmer von der Peace Ship Mission ab und beendet den Kontakt zu Aletta Jacobs. Rückblickend betrachtet verliert Rosika Schwimmer ihre anerkannte Position in der internationalen Frauenbewegung wohl aufgrund ihrer radikalen feministischen Ansichten, die sie ungeachtet politischer Umstände beibehält. Nach dem Eintritt der USA in den Krieg 1917 und der Revolution in Russland findet eine dramatische Veränderung des internationalen politischen Klimas statt, die laut Susan Zimmermann zur „Entmachtung“ Schwimmers innerhalb der internationalen Frauenbewegung führt.
Nach einer kurzen Tätigkeit als Botschafterin für die erste demokratische Regierung Ungarns in der Schweiz 1918 bis 1919 muss Schwimmer in die USA ins Exil flüchten. Die neue, tendenziell autoritäre Regierung hatte sie als „politisch unzuverlässig“ deklariert. In den Vereinigten Staaten sieht sich Schwimmer mit einer Verleumdungskampagne konfrontiert. Ende der 1920er Jahre wird sie publizistisch als Agentin der Bolschewisten, Spionin der Deutschen oder Teil einer internationalen jüdischen Verschwörung verleumdet. 1929 lehnt der Supreme Court ihren Antrag auf Staatsbürgerschaft ab, weil sie sich weigert, zur Verteidigung des Landes Waffen zu tragen, wie es der Eid verlangt.
In den 1930er Jahren engagiert sich Schwimmer gemeinsam mit Lola Maverick Lloyd für Weltfrieden und Weltbürgertum. Lloyd organisiert die Verleihung eines inoffiziellen internationalen Weltfriedenspreis an Schwimmer und wird dabei durch Persönlichkeiten wie Albert Einstein und Marianne Hainisch unterstützt. 1948 wird Rosika Schwimmer von einigen europäischen ParlamentarierInnen für den Friedensnobelpreis nominiert. Sie stirbt am 3. August desselben Jahres.
verwendete Literatur und Quellen:
Zimmermann: Schwimmer, Róza (Bédy-Schwimmer, Bédi-Schwimmer, Rózsa, Rosika) (1877-1948). - In: A Biographical Dictionary of Women's Movements and Feminisms, 484-489
Zimmermann: Wie sie Feministinnen wurden. – In: L'Homme 8 (1997) 2, 272-306
Lexikoneinträge
Lexikon der Frau
Schwimmer, Rosika, Pionierin der ungar. Frauen- und der internat. Friedensbewegung, * Budapest 11.9.1877, + New York 3.8.1948. Begr. u.a. 1904 den ungar. Feminist. Verband, organisierte 1913 den internat. Frauenstimmrechtskongress in Budapest. 1914-15 Vorträge für Friedenspropaganda in 22 Staaten der USA; unterbreitete Woodrow Wilson ihren Plan für neutrale Vermittlung, dem der internationale Frauenkongress in Haag 1915 zugestimmt hatte; 1915 Vizepräs. des Internat. Committee of Women for Permanent Peace u. Führerin der Ford-Friedens-Expedition, 1918-19 Mitgl. des ungar. Nationalrates (Reg. M. Károlyi) u. ungar. Gesandte in der Schweiz. Floh 1920 aus Ungarn; seit 1921 in den USA. 1937 mit Lola Maverick Lloyd Begr. der Campaign for world Government, stifteten 1942 zus. der New York Public Library die "Sch.-Lloyd Collection". Erhielt 1937 den Weltfriedenspreis eines internat. Komitees.