Hilferding-Hönigsberg, Margarete

Namen und Abkürzungen
Hilferding, M.
Hilferding, Margarete (Ehename)
Hilferding, Margret
Hilferding-Hönigsberg, Margret
Hönigsberg, Margarete (Geburtsname)
Geburtsdaten
20.06.1871, Wien
Sterbedaten
23.09.1942, KZ Treblinka
Berufe und Tätigkeiten
Ärztin, Individualpsychologin

Funktionen und Mitgliedschaften

Biografie

Margarete Hönigsberg ist Tochter der Frauenrechtlerin Emma Hönigsberg und des praktischen Arztes Paul Hönigsberg und schlägt zunächst die Lehrerinnen-Laufbahn ein. 1898 legt sie die Externistinnen-Matura ab und absolviert ab 1900 an der Wiener Universität ein Medizinstudium, das sie 1903 mit der Promotion abschließt. 1904 heiratet sie den Arzt, Austromarxisten und Ökonomen Rudolf Hilferding, der an die Parteischule nach Berlin berufen wird. Margarete kehrt 1908 mit ihren beiden Söhnen nach Wien zurück - 1922 wird die Ehe geschieden.

Ab 1910 ist sie praktische Kassenärztin im 10. Wiener Bezirk, einem Arbeiterbezirk, ab 1922 auch Schulärztin. 1910 wird sie - auf Vorschlag von Paul Federn - in die "Wiener Psychoanalytische Vereinigung" aufgenommen und hält dort 1911 ihren ersten Vortrag zum Thema "Zur Grundlage der Mutterliebe"; 1911 tritt sie - aus Solidarität mit Alfred Adler - aus der Vereinigung wieder aus. Sie ist mit Alfred Adler und seiner Frau Raissa eng befreundet, Eugenie Schwarzwald gehört ebenso zu ihren Freundinnen wie Käthe Leichter. Nach dem ersten Weltkrieg wird sie Leiterin der individualpsychologischen Erziehungsberatungsstelle in Wien. 1926 erscheint ihr Buch "Geburtenregelung" mit einem Nachwort von Alfred Adler, wo sie für liberalere Abtreibungsbestimmungen eintritt.

Als 1934 ihr Krankenkassenvertrag gekündigt wird, kann sie nur mehr PrivatpatientInnen betreuen. 1938 wird die Familie aus der Wohnung verwiesen und bezieht eine Armenwohnung. Im 2. Weltkrieg arbeitet sie in einem von Viktor Frankl geleiteten Heeresspital und ist bis Ende September 1941 im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde tätig. Ihr Sohn Karl wird - obwohl inzwischen katholischer Priester - in Polen im KZ Strelitz ermordet, ihre Schwester Clara Scherer stirbt im KZ, ihr geschiedener Mann stirbt 1941 nach Folterungen in Gestapohaft in Paris. Margarete überlebt den Transport von Theresienstadt nach Treblinka im September 1942 nicht. Einzig ihr Sohn Peter Milford(-Hilferding) kann 1939 mit Hilfe von Karl Popper nach Neuseeland ausreisen und überlebt den Holocaust. Im Gedenken an Margarete Hilferding wurde eine Gedenktafel, an einem Gemeindebau in der Leebgasse 100, Wien 10 angebracht. Es erfolgte auch eine Umbenennung der Wohnhausanlage in "Margarethe-Hilferding- Hof".

verwendete Literatur und Quellen:

Kenner: Der zerrissene Himmel.
Stipsits: Margarete Hönigsberg. - In: Töchter des Hippokrates, 45-53

verfasst von: Helga Hofmann-Weinberger

Lexikoneinträge

biografiA

Hilferding Margarethe, geb. Hönigsberg, Margarete Hilferding-Hönigsberg; Ärztin und Individualpsychologin
Geb. Wien, 20. 6. 1871
Gest. Theresienstadt/Maly Trostinec, Polen, 24. 9. 1942
Herkunft, Verwandtschaften: Entstammte einer großbürgerlich-jüdischen Familie. Der Vater Paul Hönigsberg war Arzt für Allgemeinmedizin und Gemeinderat in Wien-Hernals. Die Mutter Emma Breuer, eine Sozialdemokratin, betätigte sich als Rechtsberaterin im Ottakringer Arbeiterheim.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1904 Verehelichung mit Rudolf Hilferding, den sie in der „Freien Vereinigung Sozialistischer Studenten“ kennengelernt hatte. Der 1877 geborene Sohn eines jüdischen Kaufmanns hatte in Wien Medizin studiert und war bis 1907 als Arzt tätig. Hilferding stand in engem Kontakt zu Viktor Adler und wurde durch seine Beschäftigung mit der Nationalökonomie zum bedeutenden Finanzpolitiker und führenden Theoretiker des Austromarxismus. 1906 von der SPD an die Parteischule nach Berlin berufen, blieb er ab 1907 ständig in Deutschland, wo er vorwiegend als Redakteur tätig war. 1907/08 lebte die Familie in Berlin, nach der Scheidung kehrte M. H. nach Wien zurück. 1923 und 1928/29 wurde Rudolf Hilferding in der Weimarer Republik zum Reichsfinanzminister bestellt. Sohn Karl (1905–1942) wurde, trotz seiner Konversion zum katholischen Glauben, im Lager Groß-Strelitz ermordet. Sohn Peter konnte mit Hilfe Karl Poppers nach Neuseeland emigrieren.
Ausbildungen: Besuch des Gymnasiums. Nach der Reifeprüfung im Jahr 1897 Inskription an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Nach Zulassung der Frauen zum Medizinstudium Wechsel des Studienfaches. Promotion 1903. Erwarb als erste weibliche Studentin der Medizin das Doktorat an der Universität Wien, anschließend Tätigkeit als Ärztin in Wien.
Laufbahn: Im April 1910 wurde M. H. von Paul Federn zur Aufnahme in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung vorgeschlagen. Nach einer geheimen Abstimmung wurde H. am 27. April 1910 als erste Frau Mitglied der „Mittwoch-Gesellschaft“. Am 11. Jänner 1911 hielt sie in der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung ihren ersten Vortrag zum Thema „Zur Grundlage der Mutterliebe“. 1911 gemeinsamer Austritt mit Alfred Adler, Mitglied des Vereins für psychoanalytische Forschung (Verein für Individualpsychologie Alfred Adler), auch zeitweise Präsidentin; Leiterin und ärztliche Mitarbeiterin an den individualpsychologischen Erziehungsberatungsstellen in Wien, Mitarbeiterin im Mariahilfer Ambulatorium;
ab 1910 betrieb sie eine Praxis für Allgemeinmedizin und als Frauenärztin im 10. Wiener Gemeindebezirk, wo sie 1927–34 auch eine politische Funktion als Bezirksrätin einnahm. Vorsitzende des Arbeiter-Abstinentenbundes. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten freiwillige Tätigkeit im Rothschildspital, Verlust der Wohnung, gemeldet im jüdischen Altersheim in Wien 9, Seegasse. (Am 28. Juni 1942 Deportation nach Theresienstadt, Tod während des Weitertransportes nach Maly Trostinec am 23. 9. 1942. lt. DÖW wurde M. H. am 23. 9. 1942 in das KZ Treblinka überstellt und kurz darauf ermordet).
Spez. Wirkungsbereich: Engagement in der Sozial- und Bildungspolitik des „Roten Wien“. Leiterin und ärztliche Mitarbeiterin an den individualpsychologischen Erziehungsberatungsstellen in Wien, wo sie auch Kurse über Erziehungs- und Frauenfragen leitete. Ebenso war sie in der sozialistischen Frauenorganisation als Vortragende und Publizistin im Bereich Sozialmedizin und Berufskrankheiten tätig. Wissenschaftliche Arbeiten und Lehrkurse vor allem über Frauenfragen, Sexualität und Geburtenregelung, Aufklärung und Erziehung; eine der einflussreichsten IndividualpsychologInnen im Wien vor dem Zweiten Weltkrieg.
Ausz.: 2003 wurde in Wien-Floridsdorf der Hilferdingweg nach der Familie Hilferding – nach Margarethe Hilferding, Rudolf Hilferding und ihren gemeinsamen Sohn Karl – benannt. Am 20. Juni 2006 wurde in Wien 10, Leebgasse 100 eine kommunale Wohnhausanlage nach der ehemaligen Favoritner Bezirksrätin benannt (Margarethe-Hilferding-Hof).

Ausgewählte Publikationen

Hilferding-Hönigsberg, Margarete: Frauenarbeit und Frauengesundheit - In: Handbuch der Frauenarbeit in Österreich - Wien: Kammer für Arbeiter und Angestellte, 1930, 391-403
Online Zugriff / ÖNB 579225-C.Neu
Hilferding-Hönigsberg, Margret: Die Frau als geistige Arbeiterin : die Ärztin - In: Arbeiterzeitung, Jg. 44 (2. März 1931), Nr. 61, 3
Online Zugriff / ÖNB 393854-E.Neu-Per
Hilferding-Hönigsberg, Margret: Fortpflanzungsschädigung der erwerbstätigen Frau und ihre Abhilfe - In: Frauenarbeit, Jg. 8 (1930), Nr. 13, 542-543
ÖNB 606270-C.Neu-Per
Hilferding-Hönigsberg, Margret: Sterilisation : ein Problem der Bevölkerungspolitik - In: Die Frau, Jg. 41 (1932), Nr. 12, 11-12
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, Margarete: Ärztliche Erfahrungen im Kriege - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 27 (1918), Nr. 13, 2-3
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, Margarete: Mutterschaft [1. Fortsetzung] - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 31 (1922), Nr. 2, 4-5
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, Margarete: Mutterschaft [2. Fortsetzung] - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 31 (1922), Nr. 4, 4-6
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, Margarete: Mutterschaft - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 31 (1922), Nr. 1, 6
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, Margret: Geburtenregelung : Erörterungen zum § 144 - Wien u. Leipzig: Perles, 1926
Online Zugriff / ÖNB 556812-A.Neu.8
Hilferding, Margret: Mutterschaft [3. Fortsetzung] - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 31 (1922), Nr. 6, 3-4
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per
Hilferding, M.: Mutterschaft [4. Fortsetzung] - In: Arbeiterinnen-Zeitung, Jg. 31 (1922), Nr. 7, 4
Online Zugriff / ÖNB 394591-D.Neu-Per

Quellen und Sekundärliteratur

Die Frauen demonstrieren : gewaltige Protestkundgebungen gegen den neuen §144 - In: Arbeiterzeitung, Jg. 40 (12. Oktober 1927), Nr. 279, 7
Online Zugriff / ÖNB 393854-E.Neu-Per
List, Eveline: Keine Tochter Freuds : Margarete Hilferding und die frühe Psychoanalyse - In: Freud und die Folgen - Innsbruck: Studien-Verl., 2006, 2006, 24-39
ÖNB 1665450-B.Neu-Per.6.2006
List, Eveline: Margarethe Hilferding, die Wiener Moderne und die Psychoanalyse - In: Post Freud - post Klein - Wien: Mandelbaum, 2009, 272-285
ÖNB 1883571-B.Neu.3

Links