Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Gertrud Herzog-Hauser ist ein typisches Beispiel für den bis heute verschwiegenen und marginalisierten Anteil von Frauen an der österreichischen Wissenschaftsgeschichte. 1894 wird sie in Wien in die Familie eines Gymnasialprofessors und einer aufgeklärten assimilierten jüdischen Mutter geboren, die schon früh ihre intellektuellen Fähigkeiten erkennen und sie in das damals einzige Wiener Mädchengymnasium in der Rahlgasse schicken. Die Reifeprüfung legt sie 1912 mit Auszeichnung ab. Es folgt das Studium der Klassischen Philologie und Altertumskunde, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Wien und Berlin; 1916 dann die Promotion. 1922 heiratet sie ihren Jugendfreund den Maler Carry M. Hauser.
Da eine berufliche Laufbahn an der Wiener Unviersität nicht möglich ist, legt sie 1917 die Lehramtsprüfung für Latein und Griechisch ab und unterrichtet ab nun in der Oberstufe des Gymnasiums Rahlgasse, sie wird auch Lehrervertreterin in der Disziplinarkommission für die weiblichen Bundeslehrkräfte. 1929 erfolgt die Pragmatisierung im Schuldienst.
Noch 1918 wird sie Privatdozentin, hat aber mit Anfeindungen im Universitätsbetrieb zu kämpfen. Neben dem Schuldienst arbeitet sie an ihrer Habilitation. 1931 wird ihre Habiltiation "Soter - die Vorstellung des Retters im altgriechischen Epos" veröffentlicht und schließlich wird ihr 1932 als erster Frau in Klassischer Philologie an der Universität Wien die Venia Legendi verliehen.
Neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin publiziert sie in zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften und Lexika Österreichs und der Schweiz und hält Vorträge in der Erwachsenenbildung. Ihre kommentierten Schulausgaben und Übersetzungen von Ovid und Vergil werden die Schülerinnen noch etliche Generationen begleiten. Ihr Verdienst ist es, die wichtigen Bezüge der Antike für das „gegenwärtige“ Leben aufzubereiten, verständlich zu machen.
In der Mädchen- und Frauenbildung tritt sie zwar gegen klischeehafte „höhere Tochterbildung“ aber auch gegen „Blaustrumpferziehung“ auf - sie fühlt sich einem humanistischem Katholizismus verbunden. Sie will Mädchen harmonisch, klassisch, allseitig gebildet sehen – auch damit junge Frauen in ihrer Doppelfunktion als Ehefrau und Mutter entsprechen können.
Als Höhepunkt ihrer Laufbahn wird sie 1937 zur Direktorin des Mädchengymnasiums in der Rahlgasse ernannt. Doch bereits wenige Monate später, Ende April 1938 erfolgt die Vertreibung aus allen Ämtern. Mit ihrem vierjährigen Sohn Heinz muss sie in die Emigration nach Holland, wo sie in einem Altersheim in ständiger Furcht vor Entdeckung lebt. Ihr Ehemann Carry Hauser, ein überzeugter Antifaschist, überlebt in der Schweiz.
1946 kehrt Herzog-Hauser mit Gatten und Sohn nach Wien zurück und ihr wird endlich der Titel „außerordentlicher Universitätsprofessor“ verliehen. Trotzdem hat sie nur Vertretungen und kurzfristige Lehraufträge für klassische Philologie an der Universität Wien; 1950 scheitert eine Berufung nach Innsbruck an antisemitischen Vorurteilen der dortigen Fakultät. Bezeichnenderweise wird die erste ordentliche Professur in Klassischer Philologie in Österreich erst 1997 an Otta Wenskus vergeben.
Ebenfalls noch im Jahr 1950 erleidet Gertrud Herzog-Hauser einen Schlaganfall und gibt ihre Mittelschultätigkeit auf, hält aber noch Vorträge in der Erwachsenenbildung.
verwendete Literatur und Quellen:
Gertrud Herzog-Hauser (1894 - 1953)
Lexikoneinträge
biografiA
Herzog-Hauser Gertrud; Altphilologin und Pädagogin
Geb. Wien, 15. 6. 1894
Gest. Wien, 9. 10. 1953
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Dr. Hugo Herzog, Gymnasialprofessor.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1922 Heirat mit Carry M. Hauser (1895–1985), Maler und Schriftsteller. Sohn: Heinrich (* 1934).
Ausbildungen: Privatunterricht durch den Vater, ab der 3. Klasse Besuch des Mädchengymnasiums des Vereins für erweiterte Frauenbildung in Wien 6, Rahlgasse. 1912 Matura mit Auszeichnung. 1912–1917 Studium der klassischen Philologie und Altertumskunde, Germanistik und Philosophie an den Universitäten Wien und Berlin, 1916 Promotion zum Dr.phil. (Diss.: „Harmonias Halsband“. Ersch.: Wiener Studien 43/1922). 1917 Lehramtsprüfung für Latein und Griechisch.
Laufbahn: 1917 bis 1937 Gymnasiallehrerin in Wien 8, Albertgasse und am Mädchengymnasium in Wien 6, Rahlgasse (ab 1937 Direktorin). 1932 Habilitation als erste Frau in klassischer Philologie an der Universität Wien (Habil.: „Soter. Die Gestalt des Retters im altgriechischen Epos“. Ersch. Wien 1931). 1938 Verlust der Stelle als Schuldirektorin sowie ihrer venia legendi an der Universität Wien; Emigration nach Holland und 1946 in die Schweiz. 1947 Rückkehr nach Wien. Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit an der Universität Wien. Eintritt in den Mittelschuldienst (Mädchengymnasium Wien 13, Wenzgasse). 1947 a.o. Univ. Professorin, Leitung des altphilologischen Seminars für LehramtskandidatInnen. Mitglied des Verbandes der Akademikerinnen Österreichs. 1949 scheitert ihre Bewerbung für eine vakante Lehrkanzel an der Universität Innsbruck an antisemitischen Ressentiments der Professorenschaft. In der klassischen Philologie der interdisziplinär ausgerichteten Strömung der Schüler von Wilamowitz, Leo und Mommsen zuzuordnen, mit dem Verständnis einer Öffnung des Faches hin zu einer altertumskundlichen Kulturwissenschaft. Arbeiten zur antiken Mythologie und Religionsgeschichte, zum römischen Kaiserkult, zu den severischen Kaiserinnen, zur spätantiken Biografie und zu Antonius von Padua, Herausgeberin mehrerer Schulausgaben, zahlreiche Publikationen zur Bildungs-, speziell Frauenbildungspolitik. In ihrem Spätwerk wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Frauengeschichte; prononciertes öffentliches Eintreten für die Mädchen- und Frauenbildung sowie Engagement auf dem Gebiet der Fachdidaktik der Alten Sprachen und in der Lehrerausbildung.
W. u. a.: „Altgriechische Liebesgedichte“ (1924), „Zur Wohnkultur des Altertums. In: Wiener Blätter für die Freunde der Antike“ (Februar 1929), „Die Tendenzen der Apolloniusbiographie. In: Jahrbuch der Leogesellschaft“ (1930), „Zur Textgestaltung und Erklärung der Praetexta Octavia. In: Wiener Studien 50“ (1935), „Die Askese im griechisch-römischen Heidentum. In: Jahrbuch der Leogesellschaft“ (1936), „Kaiser Augustus in der Legende. In: Geistige Arbeit“ (Juni 1938), „Philosophinnen auf dem römischen Kaiserthron. In: Geistige Arbeit“ (Februar 1939), „Uit de Vrouwenbrieven van den H. Hieronymus“ (1941), „Antonius von Padua: sein Leben und sein Werk“ (1947), „Tyche und Fortuna. In: Wiener Studien 63“ (1948), „De Godsdienst der Grieken“ (1952), „Die Frau in der griechisch-römischen Antike. In: Stadlmann, Josef/Hänsel Ludwig (Hg.): Christentum und moderne Geisteshaltung. Versuche, Studien und Übersichten“ (1954). Schulausgaben zu: Octavia – Fabula Praetexta; Ovid; Vergil. Lexika: zahlreiche Artikel in der Realenzyklopädie des Klassischen Altertums. Zahlreiche Artikel in Zeitungen und Zeitschriften wie „Neues Wiener Abendblatt“, „Neues Wiener Tagblatt“, „Reichspost“, „Volkszeitung“, „Volkswohl“, „Die Schweizerin“.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
/ hrsg. von Ilse Korotin & Heidi Schrodt - Wien: Praesens-Verl., 2009
Material in Archiven und Sammlungen
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-020049