Kautsky, Minna

Namen und Abkürzungen
Eckert (Pseudonym)
Jaich, Wilhelmine (Geburtsname)
Kautsky, Wilhelmine
Wiener, Wilhelm (Pseudonym)
Geburtsdaten
11.06.1837, Graz
Sterbedaten
21.12.1912, Berlin
Berufe und Tätigkeiten
Schauspielerin, Schriftstellerin, Vereinsfunktionärin

Funktionen und Mitgliedschaften

Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, Wien: Mitbegründerin, Präsidentin, Vizepräsidentin

Biografie

Minna Jaich wird als Tochter des Theatermalers Anton Jaich in Graz geboren. In ihrer Kindheit übersiedelt die Familie nach Prag, wo Minna sich früh als Schauspielerin versucht. 1845 heiratet sie den Landschafts- und Theatermaler Jan Kautsky mit dem sie drei Söhne und eine Tochter hat, geht als Schauspielerin nach Olmütz und 1855 an das Deutsche Theater in Prag. 1862 gibt sie die Schauspielerei auf und lebt ab 1863 in Wien - ihr Mann hat dort eine Stelle als Hoftheatermaler. Sie widmet sich fortan der Schriftstellerei. Ab 1904 lebt sie bei ihrem Sohn, dem Philosophen und sozialdemokratischen Politiker Karl Kautsky in Berlin.

Minna Kautsky, die neben einem historischen Drama "Madame Roland" vor allem Erzählungen und Romane schreibt, ist Zeit ihres Lebens an gesellschaftlichen Fragen interessiert: in ihrem Frühwerk geht es häufig um die Stellung der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft, später geht sie darüber hinaus und wendet sich - beeinflusst durch ihren Sohn - sozialistischen Themen zu. Ihre Werke erscheinen zunächst in sozialdemokratischen Zeitschriften und sind so einer breiten LeserInnenschaft zugänglich - daher ihr Beiname "die rote Marlitt". Außerdem arbeitet sie am "Österreichischen Arbeiterkalender" mit, der von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs herausgegeben wird. Sie ist mit großen Persönlichkeiten des Sozialismus befreundet, wie Wilhelm Liebknecht, Rosa Luxemburg, Victor Adler, Franz Mehring.

Minna Kautsky gehört zu den Gründerinnen des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien, dessen Präsidentin sie auch für ein Jahr ist. Wobei weniger frauenpolitische Interessen als eine bessere Verbreitung der eigenen literarischen Arbeiten Beweggrund für dieses Engagement gewesen sein dürfte. Eine lange Freundschaft verband Minna Kautsky mit Marie von Ebner-Eschenbach.

Das Frauenreferat der Stadt Graz veranstaltet jedes Jahr den Minna Kautsky Literaturwettbewerb, bei dem Grazer Schriftstellerinnen in den Kategorien Lyrik und Prosa ausgezeichnet werden.

verwendete Literatur und Quellen:

Baumgartner: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien
Lexikon deutscher Frauen der Feder
Österreichisches biographisches Lexikon

verfasst von: Helga Hofmann-Weinberger

Lexikoneinträge

Das geistige Wien

Kautsky, Minna, Schriftstellerin, geb. zu Graz am 11. Juni 1837, übersiedelte 1845 nach Prag und trat daselbst wiederholt auf dem Liebhabertheater zu St. Niklas, ja sogar am Prager Stadttheater auf, denn sie wollte gegen den Willen ihrer Eltern sich gänzlich der Bühne widmen. Aber erst 1854 (mit dem Maler Johann Kautsky verheiratet) konnte sie sich der Bühnentätigkeit als Beruf zuwenden und trat in den Verband des Olmützer Stadttheaters. 1855 wurde sie Mitglied des Deutschen Theaters in Prag, wirkte später in Sondershausen und Berlin, musste jedoch 1861 in Folge eines Lungenleidens der Bühne gänzlich entsagen. Als Schriftstellerin jedoch trat sie erst 1876 in die Öffentlichkeit. Sie publizierte mehrere Arbeiten in Zeitschriften, sowie die Romane: "Stefan vom Grillenhof" (1881), "Herrschen oder Dienen" (1882), "Die Alten und die Neuen" (1885, sämtlich bei Karl Reissner in Leipzig) und "Die Victoria" (1888, Zürich, Schabelitz). Auf dramatischem Gebiete ist K. Verfasserin des historischen Dramas "Madame Roland" (1878) und der Preislustspiele: "In der Wildnis" (1882) und "Sie schützt sich selbst" (das letztere wurde 1892 anlässlich der vom Deutschen Volkstheater ausgeschriebenen Konkurrenz mit dem zweiten Preise prämiert. IV., Schönburgstrasse 14.

biografiA

Kautsky Min(n)a, Wilhelmine, geb. Jaich, Ps. Eckert, Wilhelm Wiener; Schauspielerin, Schriftstellerin und Dramatikerin
Geb. Graz, Stmk., 11. 6. 1837
Gest. Berlin Friedenau, Deutsches Reich (Deutschland), 20. 12. 1912
Herkunft, Verwandtschaften: Älteste Tochter von Marie und Anton Jaich. Der Theatermaler übersiedelte 1845 mit der kinderreichen Familie (sechs Geschwister) nach Prag.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1854 Heirat mit Jan (Johann) Kautsky (1827–1896), akademischer Maler; eine Tochter und drei Söhne, darunter Karl Kautsky (1854 –1938), Politiker;
Hans Kautsky (1864 –1937), Theatermaler. Von 1863 bis 1904 lebte die Familie in Wien, wo der Vater eine Anstellung als Hoftheatermaler angenommen hatte.
Laufbahn: M. K. wollte Schauspielerin werden und trat ab ihrem 14. Lebensjahr auf dem Liebhabertheater zu St. Nikolaus und später am Prager Stadttheater auf. Erst nach ihrer Heirat konnte sie die Bühnentätigkeit als Beruf ausüben und wirkte am Stadttheater Olmütz, ab 1855 am deutschen Theater in Prag, 1860 am Hoftheater Sondershausen und in Berlin, 1861 am böhmischen Landestheater in Prag. 1862 musste sie die Schauspielerei wegen eines Lungenleidens aufgeben. Ab 1863 lebte sie in Wien und war als Schriftstellerin tätig. Sie verfasste unter Pseudonymen novellistische Skizzen für die (sozialdemokratische)
Presse, schrieb Gedichte und Dramen und wurde schließlich eine erfolgreiche Erzählerin und Romanautorin. Als eine der ersten Schriftstellerinnen machte M. K. die Arbeiterfrage und die sozialistische Weltanschauung sowie die Frauenfrage zu Romanthemen. Ihre Romane wurden um die Jahrhundertwende zur viel gelesenen Lektüre sozialdemokratischer Familien, was ihr den Beinamen „die rote Marlitt“ einbrachte.
Ausz., Mitglsch.: In Wien war sie provisorische (Vize-)Präsidentin des neu gegründeten Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen (1885). 1892 erhielt sie den 2. Preis einer Ausschreibung des Deutschen Volkstheaters für das Lustspiel „Sie schütze sich selbst“. Die Stadt Graz vergibt seit Ende der 1990er Jahre den Minna Kautsky-Frauenliteraturpreis, in dessen Rahmen Grazer Schriftstellerinnen in den Kategorien Lyrik und Prosa ausgezeichnet werden.
W. u. a.: Mitarbeit am „Österreichischen Arbeiterkalender“, „Madame Roland. Historisches Drama“ (1878), „Herrschen oder Dienen? Roman in 2 Bänden“ (1882), „Helene. Roman in 3 Büchern“ (1884), „Die Alten und die Neuen. Roman. 2 Bände“ (1885), „Viktoria. Roman in 2 Teilen“ (1889), „Sie schützt sich selbst. Lustspiel“ (1892), „Die Mühseligen und Beladenen“ (1900), „Im Vaterhause“ (1904), „Der Pariser Garten und anderes“ (1913), „Gesammelte Schriften. Volksausgabe 1. und 2. Band“ (1914).

Lexikon der Frau

Kautsky, Minna, österr. Schriftst. u. Dramatikerin, *Graz 11.6.1837, +Berlin 21.12.1912. Verh. mit dem Kunstmaler Joh. K. Von 1854 bis 1862 Schauspielerin, dann Schriftst. Ihr Interesse galt den geistigen u. sozialen Fragen der Zeit.

Gürtler, Schmid-Bortenschlager: Eigensinn und Widerstand

Minna Kautsky (geb. Jaich), Pseudonyme: Eckert, Wilhelm Wiener, 1837 in Graz geboren, 1912 in Berlin gestorben, Engagements als Schauspielerin an verschiedenen Bühnen in Böhmen und Mähren, heiratete 1854 den Maler Johann Kautsky, lebte von 1863 bis 1904 in Wien, begann 1870 mit literarischen Skizzen für die Presse, durch ihren Sohn Karl wurde sie mit sozialistischen Ideen bekannt, Freundschaft mit Liebknecht, Adler, Mehring, Luxemburg, lebte seit 1904 bei ihrem Sohn in Berlin; ihre erfolgreichen Erzählungen, welche die Probleme der Arbeiterschaft und der Frauen zum Thema hatten, erschienen fast alle zuerst in Zeitungen und Zeitschriften.

Lexikon deutscher Frauen der Feder

Kautsky, Frau Minna, geb. Jaich, Wien IV, Schönburgstrasse 14, ist im Jahre 1837 in Graz, Steiermark, geboren. Ihr Vater, Anton Jaich, ein gebürtiger Wiener, war Dekorationsmaler am Grazer Landestheater. Im Jahre 1845 übersiedelte er mit seiner Familie nach Prag. Sein Einkommen war mässig, und da sie unter sieben Kindern die älteste war, lag es nahe, dass sie sich ihr Brot selbst verdienen müsse. Damals gab es für ein Mädchen nur die Bühnen- oder die Gouvernantenlaufbahn, aber welcher Vater, der mit dem Theaterleben vertraut ist, würde seine Tochter für die erstere bestimmen wollen? Ihre Ausbildung zur Gouvernante wurde indes auch nicht ernst genommen, denn schon mit 16 Jahren vermählte sie sich mit einem jungen Künstler, dem Landschaftsmaler Kautsky und Kautsky schwärmte für ihre schauspielerische Begabung. Ihr Talent sollte produktiv gemacht werden und unter seinem Schutze sollte sie zum Theater gehen. Er selbst hat die Staffeleimalerei aufgegeben und sich der scenischen Kunst zugewendet. 1863 wurde er Hoftheatermaler in Wien. Sie hatte auch verschiedene Engagements absolviert. Aber die Anstrengungen dieses Berufes und die frühe Mutterschaft hatten ihre Gesundheit erschüttert. Sie erkrankte an einem Lungenleiden, das einen chronischen Charakter annahm. Es war ein Hemmnis in ihrem Leben gewesen, das sich nie mehr ausgleichen konnte. In den Jahren der Vollkraft des Individuums war sie von den Ärzten und ihrer ganzen Umgebung als eine Todeskandidatin betrachtet, stets zur Schonung und Ruhe gemahnt worden. Zur Einsamkeit verurteilt, warf sie sich auf das Studium der Klassiker und Philosophen und die Lehren Darwins und Häckels. Ihre Gesundheit besserte sich und sie konnte die Studien ihrer heranwachsenden Söhne überwachen. Mit ihrem ältesten Sohne Karl, der heute in der sozialwissenschaftlichen Litteratur einen Namen besitzt, verband sie bald die innigste Ideengemeinschaft. Der anregende geistige Verkehr mit diesem Sohne, vor allem aber die hereinbrechenden Ideen einer neuen Zeit, die sie begeisterten und entflammten, haben ihr die Feder in die Hand gedrückt.

Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen

Kautsky, Minna (eigtl. Wilhelmine), geb. Jaich (Ps. Eckert)
Schriftstellerin
11.6.1837 (Graz) - 20.12.1912 (Berlin)
Schon als 14-jährige trat K. an Laienbühnen auf. Ab 1854 spielte sie u.a. an den Theatern von Olmütz und Prag. Wegen eines Lungenleidens musste sie 1862 ihre Schauspielkarriere aufgeben und lebte ab 1863 mit ihrem Mann Johann K., der wie ihr Vater Bühnenmaler war, in Wien. 1870 begann sie, Aufsätze über Literatur in Zeitungen zu veröffentlichen, ab 1876 schrieb sie auch Novellen. Beeinflusst durch ihren Sohn, den späteren sozialistischen Politiker und Theoretiker Karl K., wurde sie zu einer überzeugten Sozialdemokratin und schrieb vor allem für die sozialistischen Zeitungen "Die Neue Welt" und "Die Neue Zeit". Auch ihre Romane, z.B. "Stefan vom Grillenhof" (1881), in dem sie sich mit dem preußisch-österreichischen Krieg von 1866 auseinandersetzte, erschien zunächst in diesen Zeitungen. Als eine der ersten Schriftstellerinnen machte K. die Arbeiterfrage und die sozialistische Weltanschauung ("Herrschen oder Dienen", 1882, "Die Alten und die Neuen", 1885) sowie die Frauenfrage ("Viktoria", 1889) zu Romanthemen. 1904 siedelte sie - ihr Mann war 1896 gestorben - zu ihrem Sohn nach Berlin über.

Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts

KAUTSKY, geb. Jaisch, Min(n)a (Pseud.: Eckert)
geb. 11.6.1837 in Graz
gest. 20.12.1912 in Berlin Friedenau
Vater Theatermaler Anton Jaich in Graz. Geh. 1853 (oder 1854) Landschafts- und Theatermaler in Graz (gest. 1896). Ihr Sohn war der sozialistische Schriftsteller Karl Kautsky (Prag 1854 - Amsterdam 1938). Sie war Schauspielerin von 1854 - 1862.

Ausgewählte Publikationen

Die neue Zeit : Revue des geistigen und öffentlichen Lebens / hrsg. u. red. von Carl Kautsky etc. - Stuttgart: Dietz, 1883-
ÖNB 403831-B.Neu-Per
Kautsky, Minna: Autobiographische Skizze - In: In freien Stunden, Jg. 13 (1909), Nr. 2, 23-24
ÖNB 770978-C.Neu
Kautsky, Minna: Die Alten und die Neuen : Roman ; Bd 2 - Leipzig: Carl Reißner, 1885
ÖNB 1979240-B.Neu.2
Kautsky, Minna: Helene : Roman in drei Büchern - Stuttgart: Dietz, 1900
Online Zugriff / ÖNB 1802838-B.Neu
Kautsky, Minna: Herrschen oder Dienen? : ein Roman ; Gratisbeilage zur Magdeburger Volksstimme - Magdeburg: Verlag der Volksstimme, 1899
Online Zugriff / ÖNB 1802837-B.Neu
Kautsky, Minna: Madame Roland : historisches Drama in 5 Akten - Wien: Rosner, 1878
Online Zugriff / ÖNB 171544-B.Neu
Kautsky, Minna: Maria Magdalena : Fragment aus "Hebbel's Frauengestalten" ; Vortrag gehalten am 20. April im Allgemeinen Österreichischen Frauenverein - In: Das Recht der Frau, Nr. 169, 1895, 7-8
Online Zugriff / ÖNB 399893-D.Neu
Kautsky, Minna: Minna Kautsky : Auswahl aus ihrem Werk / hrsg. v. Cäcilia Friedrich - Berlin: Akad.-Verl., 1965
ÖNB 976978-B.Neu-Per.4
Kautsky, Wilhelmine: Victoria : Roman in 2 Büchern. 2. Auflage - Stuttgart: Verlag von J. H. W. Dietz Nachf., 1900
ÖNB 2225260-B.Neu

Quellen und Sekundärliteratur

Cella, Ingrid: Die Genossen nannten sie die "rote Marlitt" : Minna Kautsky und die Problematik des sozialen Romans, aufgezeigt an "Die Alten und die Neuen" - In: Österreich in Geschichte und Literatur, Jg. 25 (1981), 16-29
ÖNB 884148-B.Neu-Per
Lexikon der Frau / Red. Gustav Keckeis, Blanche Christine Olschak - Zürich: Encyclios Verl., 1953-1954
ÖNB FOR-GEN10-16
Michler, Werner: Zwischen Minna Kautsky und Hermann Bahr : literarische Intelligenz und österreichische Arbeiterbewegung vor Hainfeld (1889) - In: Literarisches Leben in Österreich 1848-1890 - Wien: Böhlau, 2000, 94-137
ÖNB 1561009-B.Neu-Per.1

Material in Archiven und Sammlungen

  • Briefe, Tagebücher, Werke und Vereinsakten von Minna Kautsky - In: IISH, Nachlass Karl Kautsky, ARCH00712
  • Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-024732

Links