Biografie
Raissa Timofejewna Epstein stammt aus Russland, studierte 1895 in Zürich und kam 1896 nach Wien, wo sie Alfred Adler kennenlernte, den sie 1897 in Smolensk heiratete. Innerhalb weniger Jahre wurden die Kinder Valentine, Alexandra, Kurt und Cornelia geboren.
Liberal und freigeistig erzogen, schloss sich Raissa Adler schon früh den Forderungen der Frauenbewegung an. Ihre Emanzipationsbestrebungen führten auch zu ehelichen Spannungen, da Alfred Adler von ihr die Betreuung eines großbürgerlichen Haushalts erwartete. Über ihre Freundin Aline Furtmüller kamen die Adlers auch in freundschaftlichen Kontakt mit der Familie Trotzki, die sich auf der Flucht aus Rußland 1907 in Wien niedergelassen hatte. Raissa betätigte sich nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend frauenpolitisch, u.a. im Umkreis des Gesundheitsstadtrates Julius Tandler und der Ärztin und Individualpsychologin Margarete Hilferding. Sie war auch Mitgründerin der "Internationelen Arbeiterhilfe" in Österreich, später Mitglied im Ausschuss der "Roten Hilfe" und trat schließlich der Kommunistischen Partei bei. Während Adlers häufigen Vortragsreisen führte sie ein sehr eigenständiges Leben.
Im Zusammenhang mit den Februar-Ereignissen des Jahres 1934 wurde sie verhaftet und zwei Tage eingsperrt. Alfred Adler drängte darauf hin auf eine Ausreise in die USA, wohin ihm Raissa 1935 nur widerwillig folgte. Nach seinem Tod 1937 zog sie sich zu Freunden nach Locarno zurück, ab 1940 lebte sie zurückgezogen in New York, wo sie 1962 starb.
verwendete Literatur und Quellen:
Kenner: Der zerrissene Himmel
Lexikoneinträge
biografiA
Adler Raissa Timofejewna, geb. Epstein; Sachschriftstellerin, politische Aktivistin und
Individualpsychologin
Geb. Wien, 9. 11. 1873
Gest. New York City, New York, USA, 21. 4. 1962 Herkunft, Verwandtschaften: Stammt aus einer wohlhabenden russischen Familie. Eltern: Anna und Timofei Epstein, eine ältere Schwester. Die Familie lebte in Moskau.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1897 Heirat mit Alfred Adler (1870 –1937), Begründer
der Individualpsychologie; vier Kinder: Valentine Dina (1898 – um 1940 ?), Alexandra
(1901– 2001), Kurt (1905 –1997) und Cornelia, „Nelly“(* 1909).
Ausbildungen: Ausbildung durch Privatlehrer, ging zum Studium der Zoologie und Botanik
nach Zürich, Ende 1896 nach Wien, kein Studienabschluss, da Frauen an der Universität
Wien erst ab dem Wintersemester 1897 zum Studium zugelassen wurden.
Laufbahn: R. A. kam in Wien in Kontakt mit revolutionären russischen Emigrantenkreisen
(Salon Salomon Klatschko) und fand auch Aufnahme in die Kreise der akademisch orientierten Wiener Frauenbewegung. Freundschaft u. a. mit Aline Furtmüller, geb. Klatschko, Natalia und Leo Trotzki. Sie unterstützte ihren Mann beim Aufbau der individualpsychologischen Vereinigung und schrieb 1912/13 Kurzberichte der ersten wissenschaftlichen Sitzungen für die Moskauer Zeitung „Psichoterapija“. In der Zwischenkriegszeit engagierte sie sich in linken Gruppierungen. Gemeinsam mit Julius Tandler und Margarete Hilferding war sie Mitgründerin der „Internationalen Arbeiterhilfe“, Sektion Österreich. Später war sie im Ausschuss der „Roten Hilfe“ und trat der Kommunistischen Partei bei. Sie intensivierte den Kontakt zu Leo Trotzki und war jahrelang als seine Übersetzerin und politische Weggefährtin tätig. 1929, nach der Übersetzung seines Artikels über die deutschen Rechten und das „Sektierertum“ der Linken, richtete auch sie ihre Kritik an das ZK der KPÖ (27. 1. 1930), verurteilte die stalinistische Parteiführung und verteidigte Leo Trotzki. Andererseits huldigte sie 1931 dem sowjetischen Erziehungssystem. Anfang der 1930er Jahre engagierte sie sich wieder zunehmend im Verein für Individualpsychologie und wurde mehrmals zum Vorstandsmitglied ernannt. Wegen Teilnahme an einer linken Wohltätigkeitsveranstaltung wurde sie 1935 für zwei Tage verhaftet. Sie reiste erst auf wiederholtes Drängen ihres Mannes nach New York. Alfred Adler war bereits seit Längerem als Vortragender und Lehrer in den USA und weltweit unterwegs. Sie begleitete ihn teilweise auf seinen Reisen. Nach seinem Tod zog sie sich nach Locarno zurück, ab 1940 lebte sie wieder in New York. R. A. beteiligte sich an den Bemühungen zur Institutionalisierung der Lehre ihres Mannes und war ab 1954 bis zuletzt Ehrenpräsidentin des „Board of Directors of the Individual Psychology Association of New York“.
W.: „Das gemeinsame Studium und die Professoren. In: Fickert, A./Lang, M./Mayreder R.
(Hg.): Dokumente der Frauen I“ (1899), „Rezension: H. van Braken: Die Prügelstrafe. In:
Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie“ (1926), „Kindererziehung in der Sowjetunion. In: Internationale Zeitschrift für Individualpsychologie“ (1931)
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-000589