Biografie
Der heute völlig vergessene Bestseller „Vera: Eine für Viele. Aus dem Tagebuch eines Mädchens“ erschien 1902 in Leipzig. Unter dem Pseudonym Vera wurde er von der Autorin Betty Kris veröffentlicht. Als junge Frau war sie mit diesem Roman sehr erfolgreich, weiterhin war sie dann ausschließlich als Autorin kunstwissenschaftlicher Arbeiten tätig – als Kunsthistorikerin.
Ab 1904 ist sie als außerordentliche Hörerin an der Universität Wien in Kunstgeschichte und Archäologie immatrikuliert. Sie ist die erste Kunstgeschichtestudentin und gehört zu den ersten Studentinnen an der Wiener Universität.
Das fingierte Tagebuch – über die sexuellen Nöte und Sehnsüchte einer jungen Frau – löste die sogenannte ‚Vera-Debatte‘ aus, im Zuge derer eine Reihe von Gegenschriften erschienen: es beschäftigte zahlreiche Literaturkritiker und Feuilletonisten, nicht zuletzt auch Karl Kraus. Eine der Rezensentinnen ist Else Jerusalem, sie reagiert mit einem Vortrag und Buch „Gebt uns die Wahrheit!“. Ihr Resümee: nur Sexualaufklärung, die für Mädchen vollständig fehlt, könnte verhindern, dass junge Frauen nach ihrer Hochzeit oftmals in unglückliche Ehen leben.
Innerhalb des Erscheinungsjahres 1902 erreichte „Eine für viele“ Bestseller-Status. Es galt außerhalb und auch z. T. innerhalb der Frauenbewegung als Skandal und erlebte in zwei Jahren sechs Auflagen. Es war das meistentlehnte Buch diverser Leihbüchereien Wiens.
verwendete Literatur und Quellen:
Millner: Wenn Sex zur Sprache kommt. - In: Frauenbilder, feministische Praxis und nationales Bewusstsein in Österreich-Ungarn 1867-1918, 87-115
Lexikoneinträge
Österreichisches biographisches Lexikon
Kurth Betty, geb. Kris, Kunsthistorikerin. * Wien, 5. 10. 1878; + London, 12. 11. 1948. K., die erste weibliche Studentin der Kunstgeschichte an der Univ. Wien, stud. unter Wickhoff und Dvorak und dissertierte 1911 über die Fresken im Adlerturm zu Trient, die erste Behandlung dieses Themas. Auch später blieb ihr Hauptforschungsgebiet die Kunst des Mittelalters, besonders die der got. Tapisserien. In England, wo K. ab 1939 lebte, arbeitete sie über mittelalterliche engl. Kunst.
biografiA
Kurth Betty, geb. Kris Bettina Dorothea, Ps. Vera; Kunsthistorikerin und Schriftstellerin
Geb. Wien, 5. 10. 1878
Gest. Turnbridge b. London, Großbritannien, 12. 11. 1948
Herkunft, Verwandtschaften: Tochter eines Wiener Anwalts; Cousin: Ernst Kris (1900 –1957),
Kunsthistoriker und Psychoanalytiker.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1904 Heirat mit dem Anwalt und Archäologen Peter Paul
Kurth († 1924); Tochter: Gertrud (1904 –1999), Psychoanalytikerin.
Ausbildungen: 1907 Reifeprüfung; ab 1904 außerordentliche Hörerin an der Universität
Wien, 1907–11 Studium der Kunstgeschichte und Klassischen Archäologie; erste Kunstgeschichte-Studentin an der Universität Wien, Diss. 1911 („Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient. Ersch. in: Jahrbuch des kunsthistorischen Institutes der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege, V, 1911, S. 9 –104).
Laufbahn: B. K. thematisierte in ihrem unter Pseudonym veröffentlichten Buch „Eine für
Viele. Aus dem Tagebuche eines Mädchen“ (1900), die sexuellen Nöte und Sehnsüchte und
den Umgang eines jungen Mädchens mit der bürgerlichen Doppelmoral. Dieses Tagebuch
löste die sogenannte ‚Vera-Debatte‘ aus, im Zuge derer eine Reihe von Gegenschriften erschienen, es galt außerhalb und auch z. T. innerhalb der Frauenbewegung als Skandal und
erlebte in zwei Jahren sechs Auflagen. Vor der Matura mehrere Jahre Sprachlehrerin (Deutsch, Französisch) in Weisers Sprachschule in der Wiedner Hauptstraße. Nach der Promotion Privatgelehrte und Dozentin an Volkshochschulen. B. K. machte sich vor allem mit Forschungen auf dem Gebiete des Mittelalters/Gotik, im Speziellen gotische Tapisserien, einen Namen. Forschte in Österreich und Großbritannien, wo sie ab 1939 lebte und über mittelalterliche englische Kunst arbeitete. Veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten.
Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil
Kurth, Betty
Vornamen: Bettina Dorothea, Mädchenname: Kris
Privatgelehrte, Dozentin (Erwachsenenbildung)
* Wien 5.10.1878, f London 12.11.1948 (Unfall)
R: evangelisch (jüdischer Abkunft)
V: Dr. S. Kris, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien
M: Hermine Morawetz
E: 1903 Dr. Peter Paul Kurth, Rechtsanwalt und Archäologe, f 1924
F: Cousine von -> Ernst Kris
J: Als junge Frau veröffentlichte sie 1900 unter Pseudonym das sehr erfolgreiche Mädchenbuch
Vera. Eine für Viele (23 Auflagen, Übers, in vier Sprachen). Es handelt von
den sexuellen Nöten und Sehnsüchten eines jungen Mädchens und dessen Umgang
mit der bürgerlichen Doppelmoral. Es löste die sogenannte »Vera-Debatte« aus, im
Zuge derer eine Reihe von Gegenschriften erschienen. Das Werk galt auch z.T. innerhalb
der Frauenbewegung als Skandal.
Emigration
Gr: Verfolgung aus »rassischen« Gründen
AJ: 1939
A: England 1939
H: SPSL (finanzielle Unterstützung), Hans Tietze
Ausbildung
Seh: Wien, Lyceum, Lehrerinnenexamen, mehrere Jahre Tätigkeit als Sprachlehrerin,
Gymnasialkurs, externes Abitur 1907
S: Ab 1904 als außerordentliche Hörerin, immatrikuliert 1907-11 Kunstgeschichte,
Archäologie in Wien (erste Kunstgeschichtsstudentin und eine der ersten Studentinnen
an der Wiener Universität überhaupt); Lehrer: Dvorak, Wickhoff, Schlosser,
Strzygowski (»Wiener Schule«)
P: 1911 Wien, Dv: Dvorak
D: Die Fresken im Adlerturm zu Trient. Erschienen u.d.T.: Ein Freskenzyklus im Adlerturm
zuTrient. In: Jb. Zentralkomm. Wien. 5, 1911
Lebensstationen
Ab 1911 Privatgelehrte; Forschungen vor allem auf dem Gebiet der Textilkunst. Dozentin
an Volkshochschulen, Vorträge. Nach dem »Anschluß« Emigration aus Österreich
aufgrund der Verfolgung aus »rassischen« Gründen.
Ab 1939 Aufenthalt in London. Finanzielle Unterstützung durch SPSL; vergebliche
Bemühungen der SPSL, eine Beschäftigung zu finden, v. a. aufgrund ihres Alters.
Veröffentlichung verschiedener Artikel, Vortrag am Warburg Institute (»The wild men
in the Middle Ages and their analogies in the Antique«). Materialsammlung für einen
Katalog aller mittelalterlichen Textilien mit Darstellungen klassischer Themen. Nach
der Evakuierung des Warburg Institutes und seiner Mitarbeiter nach Denham (Bukkinghamshire)
lebte sie, da nahezu mittellos, dort im Hause. -» Hans Tietze gab 1941
eine Spende für ihren Unterhalt an SPSL. 1945 Werkvertrag für die Glasgow Art
Gallery zur Katalogisierung für die geschenkte Sir William Burrell Collection of tapestries.
Bereitgestellt
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Korrespondenzen mit Betty Kris - In: LBI, Gertrud Kurth Collection, AR 10905