Biografie
Adele Schreiber-Krieger wird am 29.4.1872 in Wien in eine jüdisch-liberale Familie, die zum Katholizismus konvertierte, hineingeboren. Der Vater ist Arzt und leitet später Sanatorien in der Steiermark und Südtirol, die Mutter Clara Schreiber ist Schriftstellerin, die mit vielen VertreterInnen des damaligen Kulturlebens verkehrt. Adeles Schwester Lilli Baitz wird später eine bekannte Persönlichkeit im österreichischen Kunstgewerbe und Unternehmerin. Die Älteste im Dreimäderlhaus Ida bleibt unverheiratet und führt später das Sanatorium. Adele und Lilli sind die aufmüpfigen Töchter Schreiber. Von den Gouvernanten werden die Mädchen katholisch erzogen.
Schon früh ist sie sich der Einschränkungen, denen Mädchen sowohl in der Bildung wie im Sport ausgesetzt sind, bewusst: "In Auflehnung gegen diese Ungerechtigkeit war ich […] schon als Kind Frauenrechtlerin, um eine Wortbildung zu gebrauchen, die ich nicht leiden kann...". Sie beneidete Jungen um ihre Freiheit: "Sie durften Alles, was mir verweigert wurde. Unbändiger Drang nach Gerechtigkeit und Freiheit – das waren die Wurzeln aus denen mein ganzes Leben erwuchs." Trotz der Aufgeschlossenheit der Eltern werden auch hier den Mädchen gesellschaftliche Grenzen gesetzt. Die ersten unbeschwerten Lebensjahre verbringt sie im Hause "Alpenheim" in Bad Aussee, wo viele Persönlichkeiten der damaligen Zeit zur Kur weilen. Pensionate in Paris und Stuttgart folgen. Eine höhere Schulbildung bleibt ihr aber verwehrt, sie sollte das Leben einer Tochter aus gutem Hause führen. Reisen nach England, Frankreich und Italien bestärken ihren Wunsch, Schriftstellerin zu werden.
Adele beginnt bereits als 18-Jährige Artikel in der "Wiener Allgemeinen Zeitung", der "Neuen Freien Presse", "Pester Lloyd", im "Wiener Fremdenblatt" zu veröffentlichen und versucht sich auch an Novellen und Lyrik. Ihrer Hartnäckigkeit verdankt sie Publikationen in Karl Kautskys „Neuer Zeit“ – damit war sie in den (deutschen) sozialdemokratischen Zeitungsadel aufgestiegen. Anonym sendet sie eine Novelle an Marie von Ebner-Eschenbach, die durchaus Anerkennung findet. Als junge Frau entdeckt sie sozialistische Schriftsteller wie August Bebel und Karl Kautsky, sie besucht einschlägige Versammlungen und veröffentlicht in der Zeitschrift "Die Gleichheit" von Clara Zetkin kleinere Beiträge.
Mit ihrem Umzug nach Berlin 1898 baut sie sich eine eigene Existenz auf. Nunmehr ist sie im radikalen Flügel der historischen deutschen Frauenbewegung aktiv, hält Vorträge in deutschen Städten, Wien und Ofen-Pest (heute Budapest) und publiziert. Im Fokus ihrer Themen stehen nun das Frauenstudium, das Frauenwahlrecht, Kinder- und Mutterschutz und soziale Fragen - wie die der Settlementbewegung, von Großbritannien inspiriert. Zusammen mit Helene Stöcker ist sie im "Bund für Mutterschutz" aktiv - später kommt es aber zum Zerwürfnis, das auch jahrelang über die Medien ausgebreitet wird. Große Bewunderung hegt sie für eine der Pionierinnen der Frauenbewegung: Hedwig Dohm.
Sie findet auch als Lyrikerin Beachtung und verfasst 1900 einen Operntext "Nacht". 1909 heiratet sie den Schularzt Richard Krieger - der ihr nicht in die Schweizer Emigration folgen wird. Später wird sie Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und ist in den Jahren 1920 bis 1924 und von 1928 bis 1933 Abgeordnete des Reichstages. Ab 1926 ist sie Vizepräsidentin des Weltbundes für Frauenstimmrecht - dieser widmet sich mit Einführung des Frauenstimmrechtes in vielen Ländern der Ausgestaltung dieser neuen Rechte.
Leider kann weder Adele Schreiber, die bereits seit 1933 im Schweizer Exil lebt, noch andere internationale Interventionen ihre geliebte Schwester Lilli Baitz vor der Deportation im Dritten Reich bewahren - sie nimmt sich am Vorabend des 14. August 1942 in Bad Aussee das Leben. Adele Schreiber-Krieger lebt ab 1939 in Großbritannien, wird sogar Mitglied der Labour Party und kehrt erst 1947 nach Zürich zurück, wo sie auch 1957 stirbt. Am 11. März 1995 wird in der Ahornallee 50, Berlin-Westend eine Gedenktafel enthüllt.
verwendete Literatur und Quellen:
Braune: Konsequent den unbequemen Weg gegangen
Motter: Lilli Baitz
Lexikoneinträge
Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts
SCHREIBER, verm. Krieger,Adele
geb. 29.4.1872 in Wien
gest. 20.2.1957 in Herrliberg b. Zürich
Geh. 1898 Arzt R. Krieger. Sie gehörte der Frauenbewegung an.
Lexikon der Frau
Schreiber-Krieger, Adele, dtsch. Schriftst. u. Pionierin der Frauenbewegung, *Wien 29.4.1872. Verh. 1898 mit Dr. med. R. Krieger. Stud. in England u. Italien, seit 1898 in Berlin Nationalök. u. soziale Arbeit. 1920-24 u. 1928-33 sozialdemokrat. Mitglied des Reichstages, Leiterin der Abt. Mutter u. Kind beim Roten Kreuz. 1924 Vortragsreise in den USA, seit 1933 in der Schweiz, seit 1939 in England. 1945 Lecturer im Ministry of Information u. Foreign Office; Aufklärungsarbeit in engl. Lagern für dtsch. Kriegsgefangene. Mitgl. des PEN-Clubs; seit 1904 im Weltbund für Frauenstimmrecht. Einsatz für Wohnungs- Erziehungs-, Sexualreform, gegen Prostitution u. Mädchenhandel, für vernünftige Bevölkerungspolitik u. für Friedensbewegung.
Köhler-Lutterbeck, Siedentopf: Lexikon der 1000 Frauen
Schreiber-Krieger, Adele, geb. Schreiber
Frauenrechtlerin
29.4.1872 (Wien) - 18.2.1957 (Zürich)
Die Tochter eines assimilierten jüdischen Arztes erhielt eine umfassende Ausbildung. Nach dem Besuch der London School of Economics hörte sie in Berlin fünf Semester Nationalökonomie und arbeitete dann als Journalistin. S.-K., die zum radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung gehörte, setzte sich für die Friedensbewegung ein und befürwortete eine Erziehungs- und Sexualreform. 1904 war sie Mitbegründerin des "Weltbundes für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Mitarbeit" und wurde dessen Vizepräsidentin. Außerdem war sie Herausgeberin der Zeitschrift "Die Staatsbürgerin", des Presseorgans des "Deutschen Reichsverbands für Frauenstimmrecht". Ihr besonderes Engagement galt dem Mutter- und Kinderschutz. Dazu veröffentlichte S.-K. u.a. "Mutterschaft" (1912) und schrieb das Drehbuch zu dem Stummfilm "Die im Schatten leben" (1917). 1918 trat sie in die SPD ein und war 1920-24 und 1928-32 Abgeordnete im Reichstag. Nach der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten emigrierte sie in die Schweiz und 1939 nach England, wo sie im Auftrag des britischen Informationsministeriums deutschen Kriegsgefangenen Unterricht in Demokratie erteilte. Seit Kriegsende lebte sie in der Schweiz und wurde 1947 Vizepräsidentin der "International Women Alliance". S.-K. war seit 193 mit dem Arzt R. Krieger verheiratet.
Jüdische Frauen im 19. und 20. Jahrhundert
Schreiber-Krieger, Adele - Schriftstellerin, Journalistin, Politikerin
29. 4. 1872, Wien - 19. 2. 1957, Herrliberg/Zürich
Vater: Josef Schreiber, Arzt, Kaiserlicher Rat und Universitätsdozent; Mutter: Clara, geb. Hermann, 1848-?, Schriftstellerin
Adele Schreiber-Krieger wächst in der Steiermark und in Tirol auf, wo ihr Vater eine Klinik leitet. Sie wird - von wechselnden Gouvernanten - katholisch erzogen. Das Judentum spielt innerhalb der Familie keine Rolle; die Eltern sind zum Katholizismus konvertiert. Sie erhält Privatunterricht und besucht Pensionate in Paris und Stuttgart. In England und Italien durchläuft sie eine journalistische Ausbildung und betätigt sich während vieler Auslandsreisen als Schriftstellerin. 1898 siedelt sie nach Deutschland über, wo sie in Berlin ein Volkswirtschaftsstudium aufnimmt und sich frauenpolitisch sowie im sozialen Bereich engagiert - für die Gleichberechtigung der Frauen, für die Beseitigung der Prostitution, für Wohnungsreform. Seit der Jahrhundertwende beteiligt sie sich an der Initiative für eine Frauenversicherungsbank. 1904 wird sie Erste Vizepräsidentin des von ihr mitbegründeten "Weltbundes für Frauenstimmrecht und staatsbürgerliche Frauenarbeit", ein Amt, das sie bis 1933 innehat. Von 1905 bis 1909 ist sie Mitarbeiterin im "Bund für Mutterschutz und Sexualreform", übernimmt 1910 die Redaktion der Zeitschrift "Die Staatsbürgerin" und ist von 1911 bis 1918 im Vorstand der "Deutschen Gesellschaft für Mutter- und Kindesrecht". Zahlreiche Reisen führen Adele Schreiber-Krieger nach dem Ersten Weltkrieg ins Ausland, wo sie mit ihren in der jeweiligen Landessprache gehaltenen Vorträgen zu einem sich ins Positive wandelnden Deutschlandbild beiträgt. Von 1920 bis 1924 leitet sie die Abteilung "Mutter und Kind" beim Deutschen Roten Kreuz und ist inzwischen mit dem Medizinalrat Dr. Richard Krieger verheiratet, einem Schularzt in Berlin. Für den 1917 gedrehten Stummfilm "Die im Schatten leben", der das Schicksal nichtehelicher Kinder zum Thema hat, schreibt Adele Schreiber das Drehbuch. Von 1920 bis 1924 und 1928 bis 1932 ist die Sozialdemokratin Mitglied des Deutschen Reichstags und Vorsitzende des bevölkerungspolitischen Ausschusses. Am 5. März 1933, dem Tag der letzten freien Wahl vor der Nazi-Diktatur in Deutschland, emigriert sie in die Schweiz, um, nach eigener Aussage, ihre internationale Arbeit fortzusetzen. Gemäß ihrem Selbstverständnis als politischer Flüchtling nimmt sie nicht zur Kenntnis, daß die Behörden des nationalsozialistischen Deutschland gegen sie als Jüdin eine Paßsperre verhängen. Von Genf aus emigriert sie 1939 nachEngland. Im Juli 1939 wird ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Während ihrer Emigration in England arbeitet sie mit Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen und engagiert sich weiterhin in der internationalen Frauenarbeit. 1944/45 gibt sie im Auftrag des britischen Informationsministeriums Kurse für deutsche Kriegsgefangene in England. Sie wird Mitglied der Labour Party und tritt 1943 in den von der KPD organisierten "Initiativausschuß für die Einheit der deutschen Emigration" ein und wird deshalb aus der SPD ausgeschlossen. Seit 1946 hauptsächlich in der Schweiz lebend, will sie nicht mehr in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-048894