Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Nataliya Kobrynska war eine ukrainische Schriftstellerin, Feministin und Aktivistin. Sie gehörte zum radikalen Flügel einer Bewegung, die einen auf das Dorf fokussierten Sozialismus vertrat – wie Dietlind Hüchtker schreibt. Sie selbst verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens auf dem Dorf. Außerdem war sie eine der Pionierinnnen der ukrainischen Frauenbewegung.
Als ältestes von fünf Kindern wurde Natalija Ozarkevyč in eine ruthenische Klerikerfamilie in Galizien 1851 oder 1855 – je nach Quelle – geboren. Ihre Brüder studierten in Wien, sie wurde zu Hause unterrichtet. Sie lernte Deutsch, Französisch, Polnisch und Russisch und vertiefte sich in die Weltliteratur, indem sie Bücher las, die ihre Brüder von höheren Bildungseinrichtungen mitbrachten. Der Vater war Priester der griechisch-katholischen Kirche und Reichtstagsabgeordneter der Habsburgermonarchie. Die Familie war in der ukrainischen Nationalbewegung engagiert. 1871 heiratete sie Teofil Kobrynsky, der einige Jahre später verstarb. Daraufhin kehrte sie, da ohne Einkommen, in ihr Elternhaus zurück.
Zu dieser Zeit begann ihre literarische und frauenpolitische Tätigkeit. Sie schrieb ihre erste Kurzgeschichte "Shuminska". Sie publizierte mehrere Almanache von und für Frauen mit politischen und literarischen Texten. Der Mangel an Erwerbs- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen war Thema ihrer Schriften und bestimmte auch ihr eigenes Leben. 1887 gab sie zusammen mit Olena Pchilka „Peršyj vinok“ heraus, eine Sammlung von Schriften ukrainischer Frauen. 1891 gelang es ihr einen Frauenverlag zu gründen. Das erste vom Verlag Zinoca biblioteka herausgegebene Werk war ein dreibändiger Frauenalmanach namens „Nasa Dolja“ – eine Sammlung von Arbeiten verschiedener Autorinnen. In dem Almanach wurde u.a. über die Frauenbewegung berichtet und es wurden ruthenische Frauenvereine darin vorgestellt.
Da es für Frauen keine Möglichkeiten gab formale Bildungsabschlüsse zu erwerben, war Kobrynska fest davon überzeugt, dass Literatur das wirksamste Mittel sei, um Frauen zu bilden und für die Frauenbewegung zu gewinnen. Mit diesem Ziel gründete sie 1883 einen Frauenverein in Stanislau.
Sie forderte Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für Frauen der ukrainischen Elite – also für Mittelschichtfrauen. Ebenso setzte sie sich für die Einrichtung von Kindergärten und Gemeinschaftsküchen ein sowie für die Gleichstellung von Frauen im Wahlrecht.
Nation und Religion waren Ausgangspunkt der damaligen Frauenbewegung sowie von Kobrynska. Zur Institution Kirche hatte sie ein distanziertes Verhältnis. Forderungen nach ukrainischsprachigen Einrichtungen von ihr und anderen erfolgten in Abgrenzung zum Polnischen, und waren Teil des Prozesses des ukrainischen Nation Building. In diesem Kontext beklagte sie sich immer wieder über mangelnde Unterstützung durch ruthenische Frauen. Kobrynska stieß auf viele Widerstände und geriet wiederholt in Konflikte. Den Linken war sie zu wenig radikal, Konservative kritisierten ihre Distanz zur Kirche.
Kobrynska initiierte eine Petition der ruthenischen Frauen Galiziens und der Bukowina für die Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium. Vorbild waren Petitionen der tschechischen und österreichischen Frauenbewegung. 1890 wurde diese Petition von ihrem Vater Ivan Ozarkevyč, der ihr Anliegen unterstützte, in den Reichsrat eingebracht. 1892 gab es in dieser Sache einen Versuch des Zusammenschlusses der Frauen über die Nationalitäten hinweg, um ein Mädchengymnasium zu errichten. Das Projekt wurde nie realisiert.
Nach 1900 widmete Kobrynska sich nur mehr ihren literarischen Projekten.
verwendete Literatur und Quellen:
Bohachevsky-Chomiak: Kobrynska, Natalia (born Ozarkevych) (1851-1920) - In: A biographical dictionary of women's movements and feminisms, 244-247
Hüchtker: Geschichte als Performance, 83-118