Funktionen und Mitgliedschaften
Biografie
Helene Richter wird in eine bürgerliche assimilierte jüdische Familie hineingeboren. Ihr Vater ist Chefarzt der k. k. Südbahn. Sie ist die ältere Schwester der Romanistin und ersten Universitätsprofessorin im deutschsprachigen Raum, Elise Richter, mit der sie eine Lebensgemeinschaft bildete. Die Schwestern wurden zu Hause privat unterrichtet.
Anschließend bildete sich Helene Richter autodidaktisch und durch den Besuch von Vorlesungen an der Universität Wien als Gasthörerin, sowie durch ausgedehnte Reisen fort. Nach frühen dichterischen Versuchen wendet sie sich der wissenschaftlichen Publizistik zu. Bekannt wird sie vor allem durch ihre Dichtermonographien englischer AutorInnen wie William Shakespeare, George Eliot, Percy Bysshe Shelley, William Blake, Lord Byron und die Galionsfigur des Feminismus Mary Wollstonecraft. Im Jahr 1897 erschien – zuerst in Engelbert Pernersdorfers Monatsheften „Deutsche Worte“ und dann als eigene Publikation - Helene Richters Studie „Mary Wollstonecraft“ anlässlich des 100jährigen Geburtstages Wollstonecrafts. Die Schrift ist dem Andenken Helene Richters Mutter gewidmet. Als Wiener Theaterreferentin des Shakespeare Jahrbuches setzt sie sich zu einer Blütezeit des Wiener Theaters auch intensiv mit dem Schauspiel auseinander. Aufgrund ihres Werkes wird ihr im Jahr 1931 das Ehrendoktorat der Universitäten Heidelberg und Erlangen verliehen.
Mit dem Argument „alte Bäume verpflanzt man nicht“ lehnen die betagten Schwestern Richter die Auswanderungsunterstützung der „International Federation of University Women“ ab. Im Oktober 1942 werden Helene und Elise Richter mit dem 45. Transport aus Wien nach Theresienstadt deportiert. Helene Richter stirbt dort wenige Wochen später am 8. November 1942.
2008 wird in Wien eine Gasse nach Helene Richter umbenannt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die bisherige Namensgeberin Margret Dietrich, NSDAP-Mitglied gewesen war. Die Helene-Richter-Gasse befindet sich in Floridsdorf an der Grenze zu Niederösterreich.
verwendete Literatur und Quellen:
Österreichisches biographisches Lexikon
Richter: Summe des Lebens
Richter: Mary Wollstonecraft
Lexikoneinträge
biografiA
Richter Helene; Anglistin, Theaterwissenschafterin und Übersetzerin
Geb. Wien, 4. 8. 1861
Gest. KZ Theresienstadt, 8. 11. 1942
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Emmy Lakenbacher († 1889); Vater: Dr. Maximilian Richter († 1890), Chefarzt der Südbahn; Schwester: Elise Richter (1865–1943), Romanistin. H. R. lebte mit ihrer Schwester Elise in dem nach deren Plänen erbauten Haus in Wien 19.
LebenspartnerInnen, Kinder: Schwester Elise Richter.
Ausbildungen: Privatunterricht gemeinsam mit ihrer Schwester, autodidaktisches Studium, ab 1891 Gasthörerin an der Universität Wien.
Laufbahn: H. R. entschied sich gegen eine akademische Laufbahn und begann zunächst als belletristische Schriftstellerin mit der Veröffentlichung von Gedichten, Romanen und Novellen. Sie unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa und Nordafrika. Später wandte sie sich der Literatur- und Theatergeschichte zu. Sie schrieb Burgtheaterrezensionen für literarische Jahrbücher und begründete ihren Ruf als Anglistin mit ihrer Geschichte der englischen Romantik. 1886 begann sie ihre Shelley-Studien. Darüber hinaus bereicherte sie die Shakespeareforschung und wurde vor allem durch ihre Monographien bedeutender englischer Dichter (Shelley, Blake, Byron) bekannt. Am 12. 3. 1942 mussten die Schwestern ihre Wohnung verlassen, sie zogen in das Jüdische Altersheim Wien 9, Seegasse. Am 9. Oktober 1942 wurden beide mit dem 45. Transport in das KZ Theresienstadt deportiert.
Ausz., Mitglsch.: 1931 Dr. h. c. der Universitäten Heidelberg und Erlangen; 1931 Ehrenbürgerin der Stadt Wien. Verkehrsflächenbenennung: Laut Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Kultur und Wissenschaft vom 7. Oktober 2008 wurde die Verkehrsfläche in 1210 Wien, Margret-Dietrich-Gasse, zur Gänze nach H. R. in „Helene-Richter-Gasse“ umbenannt. Ein von Franz Karl Stanzel gestifteter Preis für hervorragende anglistische Arbeiten ist nach H. R. benannt.
W. u. a.: „Märchen aus dem Leben“ (1888), „Der entfesselte Prometheus. Lyrisches Drama in 4 Aufzügen. Eine Übersetzung des Werkes von Shelley. 2 Bändchen“ (o. J., 1897), „Thomas Chatterton“ (1900), „Mary Wollstonecraft. Die Verfechterin der ‚Rechte der Frau‘“ (1897), „Percy Bysshe Shelley“ (1898), „William Blake“ (1906), „George Eliot. 5 Aufsätze“ (1907), „Geschichte der englischen Romantik. 1. Band. Die Anfänge der Romantik“ (1911), 2. Band. „Die Blüte der Romantik“ (1916), „Schauspieler-Charakteristiken“ (1912), „Oscar Wildes künstlerische Persönlichkeit“ (1912), „Unser Burgtheater“ (1918), „Shakespeare der Mensch“ (1923), „Josef Lewinsky. 50 Jahre Wiener Kunst und Kultur. Zum 150-jährigen Jubiläum des Burgtheaters mit Unterstützung der Stadt Wien“ (1926), „Lord Byron. Persönlichkeit und Werk“ (1929), „Shakespeares Gestalten“ (1930), „Kainz“ (1931), „Die drei großen Tragödinnen des Burgtheaters im 19. Jahrhundert. 1. Band. Sophie Schröder. 2. Band. Julie Rettich. 3. Band. Charlotte Wolter“ (1938, maschin. Manus.), „Auguste Wilbrandt-Baudius. Der Weg einer großen Burgschauspielerin. Aus dem Nachlaß hrsg. von Rainer Zitta“ (1963)
Elisabeth Lebensaft
Wer ist wer
V: Maximilian, Dr. med., Chef d. San. Dienstes d. Südbahn;
M: Emmy, geb. Lackenbacher.
Wien, XIX., Weimarerstraße 83.
Friedrichs: Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts
RICHTER, Helene
geb. 4.8.1861 in Wien
gest. um 1943 in Theresienstadt
Vater jüdischer Arzt. Sie hatte den Dr. h. c. in Erlangen und Heidelberg, arbeitete über Shelley.
Lexikon der Frau
Richter, Helene, österr. Anglistin u. Schriftst., *Wien, 4.8.1861, +Theresienstadt 1942 od. später. Ebenso sprachbegabt wie ihre Schwester Elise R. Erforschte engl. Sprache u. Lit. Ehrendoktor der Univ. Heidelberg u. Erlangen. Schrieb auch Abh. zur Gesch. des Wiener Burgtheaters u. Monographien über Josef Lewinsky (1926) u. Josef Kainz (1931). Ehrenbürgerin der Stadt Wien (1931).
Österreichisches biographisches Lexikon
Richter Helene, Anglistin und Theaterwissenschafterin. * wien, 4. 8. 1861; + KZ Theresienstadt (Terezin, Böhmen), 8. 11. 1942. Schwester der Romanistin Elise R.; gem. mit dieser privat unterrichtet, bildete sie sich durch autodidakt. Stud. sowie Vorlesungen an der Univ. Wien (ab 1891 Gasthörerin) und ausgedehnte Reisen durch Europa und Nordafrika weiter. Nach frühen dichter. Versuchen wandte sie sich in erster Linie der wiss. Publizistik - vorzüglich auf dem Gebiet der engl. Literatur - zu und verfaßte Burgtheaterrezensionen für literar. Jbb., die sie zu tiefergehender Beschäftigung mit der Geschichte des Burgtheaters und zu meisterhaften, psycholog. einfühlsamen Schauspielercharakteristiken führten. Ihren Ruf als Anglistin begründete R. mit ihrer Geschichte der engl. Romantik; darüber hinaus bereicherte sie die Shakespeareforschung und wurde insbes. durch ihre Monographien bedeutender engl. Dichter bekannt. Aufgrund ihrer Werke wurde sie 1931 Dr. h. c. der Univ. Heidelberg und Erlangen. R. lebte mit ihrer Schwester zusammen; ihr Wr. Heim war durch Jahre Treffpunkt bedeutender Wissenschafter und Künstler.
Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft
Richter, Helene, Schriftstellerin, eine bedeutende Anglistin, wurde vor allem durch meisterhafte Dichtermonographien, wie "Shakespeare, der Mensch", "George Eliot", "P. B. Shelley", "William Blake", "Lord Byron", bekannt und begründete durch ihr dreibändiges Werk "Geschichte der englischen Romantik" ihren wissenschaftlichen Ruf. Als Wiener Theaterreferentin des Shakespeare-Jahrbuches wurde sie zur Schauspielkritik geführt. Das Wiener Burgtheater, die Stätte des Wirkens von Sonnenthal, Lewinsky, Wolter, Krastl, Mitterwurzer, nahm durch viele Jahre den unumstrittenen Rang der hervorragendsten deutschen Prosabühne ein. In diese ruhmvolle Zeit Wiener Theatergeschichte führen am anschaulichsten die Werke H. R.''s, welche noch die Glanzzeit des Burgtheaters miterleben durfte. In "Unser Burgtheater", "Schauspielercharakteristiken", "Josef Lewinsky, 50 Jahre Wiener Kunst und Kultur" und anderem zeichnet sie Bilder aus der großen Vergangenheit der Bühne mit sicherer Hand und liebevollem Herzen, erfüllt von Begeisterung und menschlichem wie künstlerischem Verständnis. - Sie wurde am 4. August 1861 in Wien geboren, genoß nur häuslichen Unterricht, bildete sich aber durch selbständiges Studium zu einer bedeutenden Anglistin und Schriftstellerin heran. Auf Reisen durch den größeren Teil Europas und Nordafrikas erweiterte sich ihr Gesichtskreis, bildete sich ihr Geist. - Sie ist unverheiratet und wohnt XIX., Weimarer Straße Nr. 83.
Lexikon deutscher Frauen der Feder
Richter, Frl. Helene, Wien XIX, Karl Ludwigstrasse 69, geboren den 4. August 1861 in Wien. Ihr Vater war Arzt und ihre Kindheit eine ungetrübt glückliche. Seit dem Tode der Eltern lebt sie in grosser Zurückgezogenheit, die nur durch grössere Reisen unterbrochen wird, wissenschaftliche Studien pflegend in Wien. 1886 begann sie, durch Zufall darauf geführt, ihre Shelley-Studien. Nachdem sie zahllose Novellen, Dramen, Gedichte geschrieben, wurde sie gewahr, dass ihre Begabung nicht auf diesem Gebiete liege, und sie hat seitdem von ihren wissenschaftlichen Studien nur eine kleine Abschweifung sich gestattet in dem Texte zu dem Oratorium "Prometheus", das Heinrich Hofmann in Musik gesetzt hat. Für die Vossische Zeitung schrieb sie den Artikel zur Shelley-Centenarfeier. Die letzten Jahre hat sie ausschliesslich an einem umfangreichen biographischen und literarisch-kritischen Werke über Shelley gearbeitet. "Percy Bysshe Shelley" erschieint im Mai bei Emil Felber, Weimar (2 Bände, wahrscheinlicher Preis 10 Mk.). In den "Deutschen Worten" von Pernerstorfer erschien von H. R. "Mary Wollstonecraft, die Verfechterin der Rechte der Frau", dem Andenken der genialen Begründerin der Emanzipation zu ihrem 100. Sterbetage (10. September 1897) gewidmet und zugleich eine Darlegung ihrer eigenen Gedanken über die Befreiung des Geschlechts. Der Aufsatz erschien später als selbständige Broschüre.
Ausgewählte Publikationen
Quellen und Sekundärliteratur
Material in Archiven und Sammlungen
- WBR/HS, Nachlass Helene Richter und Elise Richter, H.I.N. 108.532-108.680, H.I.N. 114.195, H.I.N. 114.315-114.450, H.I.N. 223.403-223.413, H.I.N. 231.808-231.940, H.I.N. 231.943-233.378
- Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-042140
- ÖNB/HAN, Teilnachlass Elise Richter und Helene Richter, Autogr. 264/1 bis 266/73, 270/7 bis 270/9, 359/1 bis 359/5, 669/43 bis 669/45