Biografie
Erica Conrat stammte aus einer großbürgerlichen, musikbegeisterten Familie und war die jüngste von drei Schwestern, deren älteste, Ilse Conrat, Bildhauerin wurde. Die Familie gehörte dem assimilierten jüdischen Bürgertum an. Erica Conrat studierte Kunstgeschichte an der Universität Wien und war die erste Frau, die 1905 in Wien in diesem Fach promovierte. Im selben Jahr heiratete sie ihren Studienkollegen Hans Tietze, der vor allem bekannt wurde durch die Neuorganisation der Museen nach dem Ende der Habsburgermonarchie.
Erika Tietze-Conrat betätigte sich als freie und einflussreiche Kunsthistorikerin. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie weitverzweigte Beziehungen in die Wiener Kunstszene. Oskar Kokoschka malte 1909 das heute im Museum of Modern Art in New York befindliche Doppelbildnis. Das Ehepaar arbeitete wissenschaftlich zusammen und ab 1926 erschienen eine Reihe von Forschungspublikationen unter beider Namen.
1939 emigrierte und flüchtete Erica Tietze-Conrat mit Mann und ihren vier Kindern vor den Nationalsozialisten in die USA. Auch nach dem Tod ihres Mannes setzte sie ihre Forschungsarbeiten fort und erhielt erstmals Lehraufträge an amerikanischen Universitäten.
verwendete Literatur und Quellen:
Tietze-Conrat: Tagebücher, Bd. 3
Lexikoneinträge
biografiA
Tietze-Conrat Erika; Kunsthistorikerin
Geb. Wien, 20. 6. 1883
Gest. New York City, New York, USA, 12. 12. 1958
Herkunft, Verwandtschaften: E. T.-C. stammte aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie in Wien, die zum Protestantismus konvertiert war. Sie war die jüngste von drei Schwestern. Älteste Schwester: Ilse Twardowski-Conrat (1880 –1942), Bildhauerin. Der Vater, Hugo Conrat, war als begeisterter Musikliebhaber mit Johannes Brahms befreundet.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1905 Heirat mit ihrem Studienkollegen Hans Tietze (1880–1954), Kunsthistoriker, Museumsfachmann und Denkmalpfleger; Kinder: Christopher (* 1908), Arzt und Demograph; Andreas (1914 –2003), Turkologe; Walburg Rusch (* 1915), Grafikerin; Veronica (1918 –1937).
Freundschaften: U. a. mit Alexander von Zemlinsky und Arnold Schönberg befreundet, durch die sie Karl Kraus kennenlernte. Langjährige Freundschaft mit Alma Mahler.
Ausbildungen: 1901– 05 Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien, 1905 Promotion als erste Kunsthistorikerin (Diss.: „Beiträge zur Geschichte G. R. Donners“).
Laufbahn: Enge berufliche Zusammenarbeit mit ihrem Mann, besonders im Bereich der Denkmalinventarisation. 1906 –11 Mitarbeit an 12 Bänden der Österreichischen Kunsttopographie; ab 1935 gemeinsame Reisen in Europa und in die USA zur Erstellung eines Corpuswerks über venezianische Zeichnungen der Renaissance; 1938 in Italien vom „Anschluss“ „überrascht“; kehrte nicht mehr nach Österreich zurück, 1939 nach Toledo/Ohio, ab 1940 in New York; 1954 –56 Lehrveranstaltungen an der Columbia University, N. Y. E. T.-C. veröffentlichte zahlreiche Fachbeiträge und Ausstellungsberichte. Expertin für österreichische Plastik des Barock und des Klassizismus, später Verlagerung des Forschungsschwerpunkts auf die italienische Renaissancekunst. Das Ehepaar Tietze war mit zahlreichen zeitgenössischen Künstlern befreundet. Oskar Kokoschka malte 1909 das heute im Museum of Modern Art in New York befindliche Doppelbildnis. Der Bildhauer Georg Ehrlich schuf zwei Bronzebüsten von Hans und E. T. (heute in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien) und zahlreiche Porträtzeichnungen.
Ausz.: Im Herbst 2004 wurde in Wien eine Internationale Hans Tietze und Erica Tietze-Conrat-Gesellschaft gegründet, welche sich die Pflege des Gesamtwerkes des Kunsthistoriker-Ehepaares zur Aufgabe gemacht hat.
W. u. a.: „Unbekannte Werke von G. R. Donner. In: Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der kunst- und historischen Denkmale, N. F. 3, 2. T.“ (1905), „Die Linearkomposition bei Tizian. In: Kunstgeschichtliche Anzeigen, H. 3/4, auch als Separatdruck erschienen“ (1915), „Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer. In: Jahrbuch des kunsthistorischen Instituts der k. k. Zentralkommission für Denkmalpflege, Bd. 11“ (1917), „Österreichische Barockplastik“ (1920), „Die Erfindung im Relief, ein Beitrag zur Geschichte der Kleinkunst. In: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen, Bd. 35“ (1920), „Oskar Laske“ (1921), „Andrea Mantegna. Bibliothek der Kunstgeschichte, Bd. 51“ (1923), „Der französische Kupferstich in der Renaissance“ (1925), „Abschied (Poems). Radierungen von Georg Ehrlich“ (1926), „Kritisches Verzeichnis der Werke Albrecht Dürers, Bd. I: Der junge Dürer. Verzeichnis der Werke bis zur venezianischen Reise im Jahre 1905“ (1928 mit Hans Tietze), „Mantegna. Paintings, Drawings, Engravings“ (1955), „Georg Ehrlich“ (1956), „Dwarfs and Jesters in Art“ (1957)