Biografie
Die Musikwissenschaftlerin und Journalistin Elsa Bienenfeld wird am 23.8.1877 Wien als Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes geboren. Ihre Schwester ist Bianca Bienenfeld, 1879 geboren, eine der ersten Frauenärztinnen Österreichs.
Ihre schulische Laufbahn beginnt 1888 mit dem Besuch der öffentlichen Bürgerschule. Schon früh wird ihr musikalisches Talent entdeckt. 1891 besucht sie das Lyzeum des Beamtentöchtervereins, am 9. Juli 1898 absolviert sie die Externistinnenmatura am Akademischen Gymnasium, Wien I. In den Jahren 1889/90 bis 1893/94 privater Musikunterricht und Klavierstudium am Conservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, 1894 Abschluss als Pianistin. Von 1898 bis 1902 studiert sie an der Universität Wien, zuerst Naturwissenschaften (Chemie), dann Musikwissenschaft. Am 22.5.1903 promoviert sie als erste Frau zum Doktor der Philosophie. Sie ist somit die erste weibliche Absolventin des Faches Musikwissenschaft in Österreich
Danach nimmt sie privaten Unterricht in Komposition und Musiktheorie bei Arnold Schönberg und Alexander Zemlinsky. Sie unterrichtet an der Reformschule von Eugenie Schwarzwald in der Wallnerstraße Wien I., Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Von 1905 bis 1931 arbeitet Bienenfeld als Musikkritikerin des "Neuen Wiener Journals", schreibt jedoch auch für andere renommierte in- und ausländische Zeitungen und musikalische Fachzeitschriften. Daneben hält sie 1906 bis 1918 Vorträge im Wiener Volksbildungsverein und der Wiener Urania. Sie ist im Briefwechsel mit berühmten Dirigenten. Bei einem privaten Konzert von Richard Strauss "Frau ohne Schatten", bei dem auch Arthur Schnitzler anwesend ist, blättert der von ihr entdeckte und geschätzte Erich W. Korngold die Partiturseiten um. Als anerkannte Musikwissenschaftlerin mischt sie sich durchaus in den öffentlichen Diskurs zu Postenbesetzungen z.B. für die Staatsoper oder das damalige Tonkünstlerorchester, indem sie Wilhelm Furtwängler favorisiert: "Sagen Sie schleunigst zu, bevor zuviel geredet und gehetzt wird".
Nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich beginnt für Elsa Bienenfeld eine Zeit der Verfolgungen und Repressalien. Nach einer Denunziation wird sie von Januar 1939 bis Juli 1939 inhaftiert, davon die meiste Zeit im Inquisitenspital, da sich ihr Gesundheitszustand rapide verschlechtert hatte. Im Juli 1939 wird sie wegen Devisenvergehen verurteilt, im Oktober 1939 vom Amtsgericht Josefstadt wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt. Im November 1941 muss sie in eine Sammelwohnung in die Dominikanerbastei übersiedeln von wo sie am 20. Mai 1942 nach Maly Trostinec deportiert und dort am 26. Mai 1942 ermordet wird.
verwendete Literatur und Quellen:
biografiA
Österreichisches Musiklexikon online
Taudes, Eva: "Wien wird so unerträglich kleinstädtisch", 2018
Lexikoneinträge
Biografien bedeutender österreichischer Wissenschafterinnen
Bienenfeld, Elsa
* 23.8.1877, Wien, † KZ Maly Trostinec, 26.5.1942 (20.5.1942 Deportation von Wien nach Maly Trostinec)
Musikwissenschafterin, Musikschriftstellerin und Journalistin
1888 Besuch der öffentlichen Bürgerschule; 1891 Besuch des Lyzeums des Beamtentöchtervereins, danach Eintritt in die zweite Klasse des Mädchengymnasiums, Hegelgasse; am 9. Juli 1898 Externistinnenmatura am Akademischen Gymnasium, Wien I.; privater Musikunterricht und Klavier-Studium 1889/90 bis 1893/94 am Conservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien; 1894 Abschluss als Pianistin mit ausgezeichnetem Diplom; WS 1898/99 bis SoSe 1902 nach der Matura Studium an der Universität Wien, zuerst Naturwissenschaften, dann Musikwissenschaft; 22.5.1903 Promotion als erste Frau zum Doktor der Philosophie; Privatstudium bei Arnold Schönberg; sie schrieb und publizierte Rezensionen über Musik und Musiktheater unter eigenem Namen; als Lehrerin in der Schule von Genia Schwarzwald tätig; Musikkritikerin für das „Neue Wiener Journal“ und die „Frankfurter Zeitung“; wissenschaftsjournalistische Publikationen; Kulturkritikerin in der Redaktion des „Neuen Wiener Journals“; 1906/07 bis 1917/18 Vortragstätigkeit im Wiener Volksbildungsverein bzw. der Wiener Urania sowie Vorträge bei der RAVAG, dem heutigen ORF („Mozarts Lebensführung“. In: Radio Wien. 7. (1931). Heft 46. S. 10-11. http://mugi.hfmt-hamburg.de/Artikel/Elsa Bienenfeld.) 1933 bis 1937 war sie journalistisch für das „Neue Wiener Tagblatt, die „Neue Freie Presse“ u.a. Printmedien tätig; Nach Hitlers Einmarsch in Österreich wurde im Verzeichnis über das Vermögen von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938 ihr Beruf als „Redacteurin in Pension“ angeführt. Am 10. Dezember 1938 stellte sie bezüglich einer Veränderung an die Vermögensverkehrsstelle „im Sinne der erlassenen Verfügung“ den Antrag „die in meinem Verzeichnis vom 27. April 1938 angeführten Ansprüche an die Versicherungsanstalt der Presse, Wien bei Berechnung meines Vermögens nicht in Ansatz zu bringen. Da somit im Sinne meiner Anmeldung […] und meiner Nachtragsmeldung vom 10. November 1938 mein Vermögen weniger als RM 5000 beträgt, falle ich meines Erachtens nicht unter die Abgabepflicht.“ Das letzte Dokument, ihr Vermögensverzeichnis vom 1. August 1939, hat eine Frau Irma Marx für „Elsa Sara Bienenfeld“ unterzeichnet.
E.B. wurde im Januar 1939 auf Grund einer anonymen Anzeige „vertraulicher Hinweise“ denunziert und verhaftet. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Devisenvergehens gegen sie aufgenommen. Nach eigenen Angaben bei der Vernehmung in ihrem Strafprozess 1939 (Wiener Stadt- u. Landesarchiv: Landesgericht für Strafsachen A 11 VR Strafakten LGSt I: VR 411/1939) wurde sie im Jahre 1931 oder 1932 als Kritikerin vom „Neuen Wiener Journal“ entlassen; sie war 6 Monate in Haft, davon den größten Teil im Inquisitenspital wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes; im Oktober 1939 wurde sie wegen Geistesschwäche „beschränkt entmündigt“; gemäß Karteikarten im Wiener Stadt- u. Landesarchiv ist sie am 20. Mai 1942 nach Minsk „abgereist“ – sie wurde am 20. Mai 1942 aus der Sammelwohnung Dominikanerbastei 22/2/4, Wien I. von Wien nach Maly Trostinec (einem damaligen Vorort der Weißrussischen Hauptstadt Minsk – heute bereits ein Stadtbezirk von Minsk) deportiert und dort am 26. Mai 1942 ermordet. (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands: Letzte Transportliste der Finanzlandesdirektion Wien vom 20. Mai 1942.)
E. B. kam als ältestes von vier Kindern des Ehepaares Dr. Heinrich Leo Bienenfeld, k. k. Hof- und Gerichts-Advocat, Verteidiger in Strafsachen u. gerichtlich beeideter Dolmetsch für die polnische Sprache, und seiner Gattin Gütel (korr. Gitla) Victoria geborene Schmelkes am 23. August 1877 in Wien zur Welt. Die Eltern kamen beide aus Krakau nach Wien und haben hier am 19. Oktober 1876 im Gemeindetempel in der Tempelgasse, Wien II, geheiratet. E. besuchte mit 11 Jahren die öffentliche Bürgerschule, mit vierzehn das Lyzeum des Beamtentöchtervereins und trat danach in die zweite Klasse des erst eröffneten Mädchengymnasiums in der Hegelgasse ein. Am 9. Juli 1898 maturierte sie gemeinsam mit ihrer um zwei Jahre jüngeren Schwester Bianca am Akademischen Gymnasium, Wien I, als Externistin. Ihre Begabung für Musik stellte sich bereits im achten Lebensjahr heraus. Sie erhielt zuerst privaten Musikunterricht und studierte in den Jahren 1889/90 bis 1893/94 am Conservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (heutige Universität für Musik und darstellende Kunst). Ihre Lehrer waren Anton Door und Raoul Mader (Allgemeine Musiklehre und Klavier), Robert Fuchs (Harmonielehre, Komposition und Kontrapunkt). Dieses Studium schloss sie mit 17 Jahren mit ausgezeichnetem Diplom ab. Nach der Matura studierte sie an der Universität Wien vom Wintersemester 1898/99 bis zum Sommersemester 1902 zuerst Naturwissenschaften (Allgemeine und Analytische Chemie, Mechanik, Proseminar f. Mathematik u. Chemische Übungen). Zur selben Zeit hat sie mit ihrer Schwester Bianca gemeinsam auch Vorlesungen von Guido Adler gehört und entschied sich für das Studium der Musikwissenschaft. Sie besuchte: Einführung in die Musikgeschichte, Musikalische Übungen, semeiographische Übungen, die ältere Notation betreffend, Moderne Musik, Übungen im musikhistorischen Seminar sowie im Erklären und Bestimmen von Musikwerken, Musikästhetische Streitfragen (Guido Adler), Lateinische Paläographie (Engelhart), Methodologie der Geschichtsforschung (Mühlbacher), Contrapunkt sowie der doppelte Contrapunkt (Grädener), Dramaturgie der Oper (Wallaschek), Musikhistorisches Repetitorium (Dietz), Praktische Philosophie (Müllner) und Geschichte der Psychologie (Jodl). Sie dissertierte über „Das Liederbuch des Wolfgang Schmeltzl“ und promovierte am 22. Mai 1903 zum Doktor der Philosophie. Sie absolvierte auch ein Privatstudium bei Arnold Schönberg. Bemerkenswert ist, dass sie sich schon in ihrer Dissertation, die bereits 1904 zum Teil in der „Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft“ Leipzig, mit dem Titel „Wolfgang Schmeltzl, sein Liederbuch (1544) und das Quodlibet des XVI. Jahrhunderts“ publiziert wurde, mit einem theatralen Thema befasste. Zu ihren Kommilitonen zählten damals u. a. auch Anton von Webern, Egon Wellesz und Heinrich Jalowetz.
Sie war die erste Frau, die an dem damals noch unter „Musikalische Lehrmittelsammlung“ geführten Institut, dem heutigen Institut für Musikwissenschaft an der Universität Wien studiert und promoviert und ebenso die erste Frau, die in Wien Rezensionen über Musik und Musiktheater unter eigenem Namen publiziert hat. Bereits in einem Artikel „Über die kirchenmusikalischen Verhältnisse in Wien“ in der „Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft“ setzte sie sich für die Frauen ein in dem sie schrieb: „Auch der Vorschlag des Papstes, die Frau vom Kirchenchor zu entfernen, ist eine Maßregel, die für Wien weder notwendig noch erwünscht erscheint.“ E. B. war in der Schule von Genia Schwarzwald als Lehrerin tätig und hat nach Scharenberg, Genia Schwarzwald 1904 angeregt, Arnold Schönberg, der aus Berlin nach Wien zurückgekehrt war, an dieser Schule Musiktheoriekurse in der Art eines „freien Konservatoriums“ abhalten zu lassen. Arnold Schönberg unterrichtete dort Harmonielehre und Kontrapunkt, Alexander Zemlinsky Formenlehre und Instrumentation und E. B. Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit war sie als Musikkritikerin bereits anerkannt und arbeitete für das „Neue Wiener Journal“ und die „Frankfurter Zeitung“. Außerdem arbeitete sie in der Folge an wissenschaftsjournalistischen Publikationen wie z. B. an Beitragen zur Mahlerrezeption u. v. a. Sie begann ihre Arbeit als Kulturkritikerin in der Redaktion des „Neuen Wiener Journals“ „zunächst für das so genannte zweite Musikreferat, wurde aber nach Ablauf eines Jahres mit der Führung des ersten Musikreferates dieser großen Zeitung Osterreichs betraut“ (Beilage CV 1932). In ihrer ersten veröffentlichten Rezension berichtete sie über die Eröffnungsvorstellung des Jubiläumstheaters [der heutigen Volksoper Wien] mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“. Sie stand im Briefkontakt mit dem Wiener Musikkritiker und Musikschriftsteller Theodor Otto Helm im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die „Wiener Orchester Gesellschaft“. (Wienbibliothek: Handschriftensammlung. Briefe v. Elsa Bienenfeld an Otto Theodor Helm v. 8. u. 13.10.1906.) Für eine Reihe von Volksbildungskonzerten machte E. B. Programmvorschläge und bat Theodor Helm, einleitende Vorträge für diese Konzerte zu halten. Weitere Briefwechsel unterhielt sie mit Arnold Schönberg (Arnold Schönberg Center Wien: Briefe v. E. B. an A. S. 19.4.1912, 22.10.1912, 15.6.1913, Brief v. A. S. an E. B. v. 16.9.1933.) und Wilhelm Furtwängler (Staatsbibliothek zu Berlin: Preußischer Kulturbesitz. Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv: Briefe v. E. B. an W. F. v. 3.3.1926-16.6.1937; Brief von W. F. an E. B. v. 26.5.1937. Auch Arthur Schnitzler hat sie in seinen Tagebüchern ein paar Mal erwähnt. (Arthur Schnitzler Tagebuch 1913-1916, 1920-1922. Österr. Akademie der Wissenschaften. Wien: 1983). Es lag E. B. viel daran, den „kleinen Leuten“ die „große Musik“ näher zu bringen. Sie hielt auch Vorträge im Wiener Volksbildungsverein bzw. der Wiener Urania in den Jahren 1906/07 bis 1917/18 (Konzerte mit Werken von Mahler, Schönberg, Zemlinsky, Volkslieder, „Karikatur und Scherz in der Musik“, „Die moderne Oper nach Richard Wagner“ sowie über Verdi zur 100 Jahr Feier). In der ersten Konzertkritik berichtete sie im November 1906 über ein Konzert der „Wiener Orchestergesellschaft“. In ihrer Rezension beschrieb sie nicht nur welche Werke auf dem Programm standen und in welcher Qualität diese aufgeführt wurden, sondern schilderte auch das Milieu aus dem die Zuhörer kamen, die diese Aufführung besuchten. Sie war von Anfang an eine sehr gute Beobachterin. Sie berichtete über Ur- und Erstaufführungen (Uraufführung von Richard Strauss’ Oper „Die Frau ohne Schatten“, Erstaufführung von Giacomo Puccinis Oper „Tosca“, eine Eröffnungsvorstellung einer neuen Operntruppe mit Ludwig van Beethovens „Fidelio“ in den Wiener Sophiensälen, Ballettabende („Das russische Staatsballett“), Gastspiel des russischen Balletts an der Hofoper, Operetten, wie die Erstaufführung von Richard Heubergers „Der Opernball“), Repertoirevorstellungen der Wiener Hofoper, der Volksoper, des Theaters an der Wien, über Gesamtgastspiele ausländischer Opernhäuser an der Wiener Oper, die Salzburger Festspiele, aber auch jährlich über die Abschlussabende des Conservatoriums, der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, denn sie war immer am künstlerischen Nachwuchs interessiert. Außerdem schrieb sie über Arbeitersymphoniekonzerte, jene der Philharmoniker, über Kammerkonzerte, Oratorien, Liederabende und Solistenkonzerte. Sie hielt Vorträge und berichtete über Kongresse der Musikwissenschaft, verfasste viele Essays über diverse Komponisten und schrieb auch Reiseberichte. Ihre letzte Rezension im „Neuen Wiener Journal“ erschien am 1. Dezember 1931. Sie besprach ein Konzert der Pianistin „Angelica Morales“. Am 6. Dezember 1931 übernahm Joseph Marx, Direktor und o. Professor der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien das große Opern- und Musikreferat im „Neuen Wiener Journal“. E. B. wurde damals (viele illegale Nationalsozialisten in Österreich, Ständestaat stand vor der Türe) lt. eigener Aussage vor Gericht im Jahre 1931 oder 1932 entlassen; danach schrieb sie, um ihre Existenz zu sichern auch Artikel, die nicht unbedingt ihrem Fachgebiet entsprachen von 1933 bis 1937 im „Neuen Wiener Tagblatt“, „Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie“ (z. B. „Die Stammtafel d. Familie Robert Schumanns. Ahnen und Nachkommen eines Genies“ u. a.), der „Wiener medizinischen Wochenschrift“ und der „Neuen Freien Presse“.
Österreichisches biographisches Lexikon
Bienenfeld, Elsa (1877–1942), Musikkritikerin
Bienenfeld Elsa, Musikkritikerin. Geb. Wien, 23. 8. 1877; gest. Minsk oder Vernichtungslager Maly Trostinez, Reichskommissariat Ostland (Minsk, BY), 26. 5. oder nach dem 4. 8. 1942. Älteste Tochter des Hof- und Gerichts-Advokaten, Verteidigers in Strafsachen und gerichtlich beeideten Dolmetschs für die polnische Sprache Dr. Heinrich Bienenfeld und seiner Frau Gitla Viktoria Bienenfeld, geb. Schmelkes; Schwester der Medizinerin Bianca Bienenfeld. – B. war ein musikalisch sehr begabtes Kind, erhielt Privatunterricht und schloss ihr Musikstudium am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde 17–jährig mit Auszeichnung ab. Zu ihren Kommilitonen zählte u. a. Anton von Webern. 1898 maturierte sie am Akademischen Gymnasium in Wien als Externistin, da Mädchen in der Monarchie erst ab 1906 ein Gymnasium besuchen und maturieren durften. 1898–1902 studierte B. Musikwissenschaft bei →Guido Adler an der Universität Wien, wo sie über „Das Liederbuch des Wolfgang Schmeltzl (1544) und Quodlibet des XVI. Jahrhunderts“ dissertierte und 1903 als erste Frau des damals unter dem Namen „Musikhistorische Lehrmittelsammlung“ geführten Instituts (heute Institut für Musikwissenschaft) zum Dr. phil. promoviert wurde. Auf B.s Anregung engagierte →Eugenie (Genia) Schwarzwald 1904 für ihre Schule Arnold Schönberg als Lehrer für Musiktheoriekurse in der Art eines „freien Konservatoriums“. Mit der Organisation wurde B. betraut. Schönberg trug Harmonielehre und Kontrapunkt, Alexander Zemlinsky Formenlehre und Instrumentation, B. selbst Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts vor. Sie war zu dieser Zeit als Musikkritikerin anerkannt und arbeitete für das „Neue Wiener Journal“ und die „Frankfurter Zeitung“ sowie an wissenschaftsjournalistischen und zahlreichen anderen Publikationen (z. B. Beiträgen zur Mahler-Rezeption, Essays über Komponisten, Reiseberichte). Als erste Frau in Wien publizierte sie Rezensionen über Musik und Musiktheater unter eigenem Namen und setzte sich von Anfang an für Frauen, für die Moderne und den künstlerischen Nachwuchs ein. Sie hielt Vorträge in der Wiener Urania (1906/07–1917/18), berichtete über Ur- und Erstaufführungen von Opern, Operetten und Ballettabenden der Wiener Hofoper, der Volksoper, des Theaters an der Wien, über Gesamtgastspiele ausländischer Opernhäuser, die Salzburger Festspiele, Arbeitersymphoniekonzerte und viele weitere Musikveranstaltungen, aber auch über Gesangs-, Klavier- und Violinschulen und musikwissenschaftliche Kongresse. Darüber hinaus übersetzte sie die Texte von zwölf polnischen Volksliedern von Theodorowi Lierhammerowi ins Deutsche. Sie war persönlich u. a. mit →Arthur Schnitzler, Arnold Schönberg, →Richard Strauss und Siegfried Wagner bekannt. B. wurde im Oktober 1939 wegen eines Devisenvergehens inhaftiert und beschränkt entmündigt. Über ihr weiteres Schicksal gibt es unterschiedliche Angaben: So wurde B. entweder im Mai 1942 nach Minsk deportiert oder kam von Wien aus zunächst zur jüdischen Gemeinde nach Prag und wurde von dort Ende Juli 1942 nach Theresienstadt, Anfang August nach Maly Trostinez deportiert.
L.: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, red. R. Heuer, 2, 1993; G. Haas, Die jeweils Ersten und „… Lektorat nur auf Kriegsdauer“, in: Musikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Damals und heute. Internationales Symposion (1998) zum Jubiläum der Institutsgründung an der Universität Wien vor 100 Jahren, ed. Th. Antonicek – G. Gruber, 2005, S. 90f., 93f.; K. Draper, A voice for modernism in E. B.’s music reviews, Thesis, Brigham Young University, Provo, UT, USA, 2005; E. Taudes, Musiktheaterkritik von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Dreißiger-Jahre am Beispiel E. B., Diss. Wien, 2007; DÖW, IKG, WStLA, alle Wien.