Asenijeff, Elsa

Namen und Abkürzungen
Asenieff, Elsa (Pseudonym)
Nestoroff, Elsa (Ehename)
Packeny, Elsa Maria
Packeny, Elsa Maria von (Geburtsname)
Geburtsdaten
3.01.1867, Wien
Sterbedaten
5.04.1941, Bräunsdorf bei Freiberg (Sachsen)
Berufe und Tätigkeiten
Schriftstellerin, Lehrerin

Biografie

Elsa Maria Packeny wird am 3. Jänner 1867 in Wien als älteste von drei Töchtern in eine wohlhabende und angesehene Familie des Wiener k.u.k.-Großbürgertums geboren. Ihr Großvater Prokop Packeny macht sich als Juwelier einen Namen, ihr Vater Karl Packeny ist Direktor der Österreichischen Südbahn. Ihre Mutter Laurenzia (geb. Adametz), eine heute vergessene Künstlerin, ermutigt ihre Töchter zu eigenständigen Gedanken. Von ihrem bürgerlichen Elternhaus zu einer Heirat gedrängt, ehelicht die 23-jährige Elsa 1890 den elf Jahre älteren bulgarischen Ingenieur und Diplomaten Ivan Dimitrov Nestoroff. Die unglückliche Ehe, die den Tod des ersten Sohnes Asen Ivanov Nestoroff im ersten Lebensjahr 1891 zu verkraften hat und aus der 1896 der zweite Sohn Heraklit Ivanov Nestoroff hervorgeht, wird schlussendlich 1901 nach langem bürokratischen Aufwand geschieden. Nach dem Tod ihres ersten Kindes löst sie sich vom väterlichen und ehelichen Namen und übernimmt in Gedenken an den toten Sohn den Namen Elsa Asenijeff („die Gottgleiche“) unter dem sie fortan publiziert.

In den Semestern 1895/1896 studiert sie an der Universität Leipzig Philosophie bei Johannes Volkelt und Psychologie bei Wilhelm Wundt. In dieser Zeit bemüht sie sich mehrfach vergeblich um ein Besuchsrecht des damals geistig umnachteten Friedrich Nietzsches. Seine für die Jahrhundertwende prägenden Gedanken berühren Asenijeff tief und finden entsprechend Eingang in ihr Werk.

Während ihrer Zeit in Leipzig lernt sie bald den bekannten Maler und Bildhauer Max Klinger kennen, mit dem sie eine jahrelange uneheliche Beziehung führt. Aus dieser Beziehung geht 1900 ihr drittes Kind Désirée Ottima Klinger hervor. Auch wenn die Klinger-Rezeption sie nur als Muse und Geliebte anerkennt, basiert ihre Beziehung auf einem gegenseitigen künstlerischen Austausch, der beide gleichermaßen inspiriert. In Leipzig avanciert sie sehr bald zu einer angesehenen Intellektuellen. Sie hält Lesungen und Vorträge, schreibt Zeitungsartikel, Novellen und Essays und engagiert sich ab 1906 als Vorstandsmitglied für den Verein für Frauenstimmrecht Leipzig.

Mit der schleichenden Entfremdung und dann dem Tod Max Klingers beginnt für Asenijeff der soziale und finanzielle Abstieg. Nachdem dieser 1919 einen Schlaganfall erleidet, heiratet er kurz vor seinem Tod seine junge Geliebte Gertrude Bock, die nach einer testamentarischen Änderung als Alleinerbin des riesigen Klingervermögens eingesetzt wird. Asenijeff wird entmündigt und mit der Ferndiagnose „Querulantenwahnsinn“ in eine psychiatrische Anstalt in Leipzig zwangseingewiesen. Bis zu ihrem Tod am 5. April 1941 verbleibt sie in verschiedenen behördlichen Einrichtungen in Deutschland. Ihre Manuskripte, die in dieser Zeit entstanden sind, gelten als verschollen.

Asenijeff hinterlässt ein bemerkenswertes Werk, welches die gesellschafts- und geschlechterpolitischen Gefüge ihrer Zeit illustriert. Ihre literarischen Anfänge liegen in den Erzählbänden "Ist das die Liebe" (1896), "Unschuld" (1901), und "Tagebuchblätter einer Emanzipierten" (1902). Darin zeigt sie die bestehende Geschlechterasymmetrie auf. Sie kritisiert nicht nur die Institution der Ehe und die Mädchenerziehung, sondern fordert auch bessere Ausbildungsmöglichkeiten und Aufklärung für junge Frauen. Ihre Pionierarbeit des Differenzfeminismus zeigt sich in ihrer theoretischen Streitschrift "Aufruhr der Weiber oder das dritte Geschlecht" (1898). Auch für ihre Gedichte ist sie bekannt, in denen sie sowohl die Möglichkeit einer harmonischen (Liebes-)Beziehung zwischen Mann und Frau schildert, als auch pazifistischen Widerstand gegen das Wüten des Ersten Weltkriegs leistet.

verwendete Literatur und Quellen:

Herwig, Schatz: Nachwort. - In: Asenijeff: Ist das die Liebe?
Jorek: Elsa Asenijeff (1867-1941). - In: Denn da ist nichts mehr, wie es die Natur gewollt, 53-72

verfasst von: Susanne Rettenwander

Lexikoneinträge

Gürtler, Schmid-Bortenschlager: Eigensinn und Widerstand

Elsa Asenijeff, Pseudonym für Elsa Maria Packeny (verh. Nestoroff), geboren 1868 in Wien, gestorben 1941 in Leipzig, Lehrerinnenausbildung in Wien, 1890 Heirat mit dem Bulgaren Ivan Johann Nestoroff, 1896 Scheidung, erste Veröffentlichung "Ist das Liebe? Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen", ab 1899 Studium in Leipzig, wo sie dem Bildhauer Max Klinger begegnete, dessen Modell und Lebensgefährtin sie wurde; Trennung, wegen finanzieller Schwierigkeiten; Einweisung in eine psychiatrische Anstalt.

biografiA

Asenijeff Elsa, Ps. (wirkl. Name: Elsa Maria Packeny), verh. Nestonoff, Nestoroff;
Schriftstellerin und Lyrikerin
Geb. Wien, 3. 1. 1867
Gest. Bräunsdorf, bei Freiberg/Sachsen, Deutsches Reich (Deutschland), 5. 4. 1941
Herkunft, Verwandtschaften: Österreichischer Adel, Großbürgertum.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1890–1896 verheiratet mit Ivan Johannis Nestonoff, bulgarischer Ministerialbeamter, geschieden; Sohn: Asen; Lebensgefährte: Max Klinger (1857–1920), Bildhauer und Maler; Tochter: Desiree (* 1900 in Paris, aufgewachsen bei einer Pflegemutter in der Nähe von Paris).
Ausbildungen: Lehrerinnenausbildung in Wien; ab 1897 studierte sie einige Semester Philosophie
und Nationalökonomie in Leipzig.
Laufbahn: E. A. lebte nach ihrer Heirat mit ihrem Mann in Bulgarien. Nach der Scheidung ging sie zum Studium nach Leipzig, wo sie den „Tagebuchblättern einer Emancipierten“ zufolge engeren Kontakt mit Studentinnen hatte. Zu dieser Zeit begann sie, eigene Texte zu veröffentlichen. E. A. thematisierte in einigen Romanen und essayistischen Schriften geschlechterphilosophische und frauenbewegungskritische Positionen und wandte sich u. a. gegen vereinfachende Gleichberechtigungsstrategien. Nach dem Tod ihres erstgeborenen Sohn Asens nahm sie dessen Namen als Pseudonym für ihre schriftstellerischen Arbeiten an. Im Jahr 1898 lernte sie Max Klinger kennen, dessen Modell und Lebensgefährtin sie wurde. Nach der endgültigen Trennung im Jahr 1916 folgte der gesellschaftliche Abstieg der Schriftstellerin. E. A. wurde später als geistesgestört interniert und verbrachte zwei Jahrzehnte ihres Lebens in Irrenanstalten, obwohl die ärztliche Diagnose nie eindeutig ausfiel und zumindest partiell aus ihrem konsequenten Nonkonformismus entsprang. Es wird vermutet, dass E. A. dem NS-Euthanasie-Programm zum Opfer fiel.
W.: „Ist das die Liebe? Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen“ (1896), „Sehnsucht“ (1898), „Aufruhr der Weiber und das dritte Geschlecht“ (1898), „Unschuld. Ein modernes Mädchenbuch“ (1901), „Tagebuchblätter einer Emancipierten“ (1902), „Max Klingers Beethoven. Eine kunsttechnische Studie“ (1902), „Der Kuß der Maja. Traumfugen über das Leben“ (1903), „Die neue Scheherazade. Ein Roman in Gefühlen“ (1913), „Aufschrei. Freie Rhythmen“ (1922)

Ausgewählte Publikationen

Asenijeff, Elsa: Aufschrei : freie Rhythmen - Leipzig: Payne, 1922
UBS FB Germanistik F II Ase-1
Asenijeff, Elsa: Bilanz der Moderne : Gedichte / hrsg. und bearb. von Rita Jorek - Stockheim: Turmhut-Verl., 2010
UBW I-1593191
Asenijeff, Elsa: Die neue Scheherazade : ein Roman in Gefühlen - München: Müller, 1913
Online Zugriff / ÖNB 244957-B.Neu
Asenijeff, Elsa: Epithalamia : Umrahmungen in Federzeichnung / ill. von Max Klinger - Berlin: Amsler u. Ruthardt, 1907
ÖNB MF 3718
Asenijeff, Elsa: Hohelied an den Ungenannten : lyrischer Roman - München: Georg Müller, 1914
THE 818572-B.The
Asenijeff, Elsa: Ist das die Liebe? : [kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen] ; Unschuld ; Erzählungen (1896, 1901) / hrsg. von Henriette Herwig ... - Mellrichstadt: Turmhut-Verl., 2005
ÖNB 1827003-B.Neu
Asenijeff, Elsa: Max Klingers Beethoven : eine kunst-technische Studie - Leipzig: Hermann Seemann, 1902
ÖNB 670282-C.Neu
Asenijeff, Elsa: Sehnsucht - Leipzig: Wilhelm Friederich, 1898
Online Zugriff / ÖNB 593805-B.Neu
Asenijeff, Elsa: Tagebuchblätter einer Emanzipierten - Leipzig: Hermann Seemann Nachf., 1902
Online Zugriff / ÖNB 425570-B.Neu
Asenijeff, Elsa: Unschuld : ein modernes Mädchenbuch - Leipzig: Seemann, 1901
UBS FB Germanistik F II Ase-1
Packeny, Elsa Maria von: Aufruhr der Weiber und das dritte Geschlecht - Leipzig: Wilhelm Friedrich, 1898
Online Zugriff / ÖNB 594936-B.Neu

Quellen und Sekundärliteratur

Löchel, Rolf: Ekelhafte Paarungsseligkeit : Elsa Asenijeffs "Tagebuchblätter einer Emancipierten" bleiben auch nach 100 Jahren originell - In: literaturkritik, Nr. 3, März 2008
Nürnberg, Peter: Traumgekrönt : Elsa Asenijeff als Schriftstellerin - In: Leipziger Blätter, Jg. 17 (1990), 40-43
UBG II 448261
Schwartz, Agatha: Austrian fin-de-siècle gender heteroglossia : the dialogism of misogyny, feminism, and viriphobia - In: German studies review, Jg. 28 (2005), Nr. 2, 347-366
ÖNB 1257395-B.Neu-Per
Spreitzer, Brigitte: "Nicht immer dies eine Ich sein" ... : die "kleine Kette ewiger Zersetzungsprozesse" in den Anläufen weiblicher Selbstkonstitution bei Elsa Asenijeff - In: Texturen : die österreichische Moderne der Frauen - Wien: Passagen-Verl., 1999, 70-78
ÖNB 1594393-C.Neu
Spreizer, Christa: A Nietzschean feminist rejoinder to the "Mädchenbuch" controversy : Elsa Asenijeff's "Unschuld : ein modernes Mädchenbuch" (1901) - In: Orbis litterarum, Jg. 65 (2010), Nr. 3, 201-221
Online Zugriff / ÖNB 727276-C.Neu-Per

Material in Archiven und Sammlungen

  • Briefe zwischen Elsa Asenijeff und Max Klinger - In: ÖNB/HAN, Sammlung August Miller-Aichholz, Autogr. 494/36-1 bis -7 Han
  • Briefe von Elsa Asenijeff an Franz Servaes - In: ÖNB/HAN, Teilnachlass Franz Servaes, Autogr. 1250/6-1 bis -2 Han

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