Friedländer, Elfriede

Namen und Abkürzungen
Dubois, E. (Pseudonym)
Eisler Pleuchot, Elfriede (Ehename)
Eisler, Elfriede (Geburtsname)
Eisler, Ruth Elfriede (Geburtsname)
Eisler-Friedländer, Elfriede (Ehename)
Fischer, Ruth (Pseudonym)
Geiringer, Helene (Pseudonym)
Golke (Pseudonym, 1924-1928)
Kämpfer, Ruth (Pseudonym)
Müller, Genossin (Pseudonym)
Pleuchot, Maria Elfriede (Ehename, 1940)
Schmidt, Maria Ida (Pseudonym)
Geburtsdaten
11.12.1895, Leipzig
Sterbedaten
13.03.1961, Paris
Berufe und Tätigkeiten
Politikerin, Publizistin, Sozialarbeiterin, Parteifunktionärin

Biografie

Elfriede Friedländer agierte unter einer Vielzahl an Namen. Einerseits unter Decknamen und Pseudonymen als Kommunistin und andererseits waren ihre Eltern nicht verheiratet, sodass sie sowohl nach ihrer Mutter – Ida Maria Fischer – als auch nach ihrem Vater – Rudolf Eisler – hieß. Außerdem heiratete sie drei Mal.

1895 wurde sie in Leipzig geboren und zog 1901 mit ihrer Familie nach Wien. Elfriede Friedländer wuchs in einem bildungsbürgerlichen Umfeld auf. Ihre Brüder Hanns Eisler (Komponist) und Gerhart Eisler (Journalist) wurden später bekannte Kommunisten. Schon im Gymnasium war Elfriede Friedländer politisch aktiv und engagierte sich in einer links-jüdischen sozialdemokratischen SchülerInnengruppe. Deren Hauptinteresse galt der Anti-Kriegs-Arbeit. Im Zuge dessen lernte sie Paul Friedländer kennen, den sie 1915 heiratete. 1917 kam der gemeinsame Sohn zur Welt.

Elfriede Friedländer rief gemeinsam mit ihrem Bruder Gerhard eine linksradikale Gruppe von Intellektuellen ins Leben. Diese und andere linke Zusammenschlüsse befürworteten und forcierten die Gründung einer eigenen – kommunistischen – Partei. Am 3. November 1918 wurde in Wien die Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ, gegründet als Kommunistische Partei Deutsch-Österreichs, KPDÖ) gegründet. Elfriede Friedländer war eine der wichtigsten ProtagonistInnen und bekam das erste Mitgliedsbuch. Am ersten Parteitag in einem Ottakringer Wirtshaus hielt Friedländer das Hauptreferat.

Im selben Jahr erschien erstmals „Die Revolutionäre Proletarierin“, die Frauenbeilage des Zentralorgans der KPÖ „Soziale Revolution“ (ab 1919 „Rote Fahne“, später „Österreichische Volksstimme“). Elfriede Friedländer war die Herausgeberin. Auch für andere kommunistischen Zeitschriften schrieb sie Artikel, z.B. über freie Sexualität. Nach nur vierzehn Ausgaben rund um die Themen Frauenarbeit und Kommunismus wurde „Die Revolutionäre Proletarierin“ eingestellt – nicht zuletzt weil Elfriede Friedländer aufgrund parteiinterner Machtkämpfe innerhalb der KPÖ Österreich den Rücken kehrte und nach Deutschland ging. Nach ihrem Weggang konnte keine Frau mehr in der von Männern dominierten Parteiführung Fuß fassen. Es ist anzunehmen, dass die Anfeindungen gegen Elfriede Friedländer auch mit ihrem Geschlecht zu tun hatten.

Ende 1919 ging sie nach Deutschland und wurde in der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aktiv. Zuerst im Frauenreferat, später in der Komintern (Kommunistische Internationale). Sie bekam einen falschen Pass und publizierte künftig fast ausschließlich unter dem Namen „Ruth Fischer“. 1924 wurde sie nach dem Wahlerfolg der KPD in den Deutschen Reichstag gewählt, wurde Abgeordnete im Preußischen Landtag und Vorsitzende der KPD. Sie sollte dies nicht lange bleiben. Sie und ihr langjähriger Freund Arkadij Maslow wurden parteiintern und aus Moskau als „LinksabweichlerInnen“ kritisiert. 1925 wurde sie nach einer Sitzung in Moskau festgenommen. Währenddessen übernahm Ernst Thälmann die Parteiführung in der KPD und Friedländer wurde aller Funktionen enthoben und aus der Partei ausgeschlossen. Nach ihrer Entlassung und Rückkehr nach Deutschland begann sie als Sozialarbeiterin zu arbeiten und zog sich aus der Politik zurück.

Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 waren sie und Maslow zur Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland gezwungen – über Prag und Frankreich kam sie 1941 nach New York. Als „Kommunismus-Expertin“ bekam sie eine Stelle an der Universität Harvard. Sie wurde antisowjetischer und nahm eine ambivalente Rolle in der so genannten McCarthy-Ära ein. Sie war Hauptzeugin der Anklage gegen ihre Brüder. 1961 starb Elfriede Friedländer in Paris. In Österreich ist sie fast vergessen, auch in der KPÖ-Geschichtsschreibung taucht ihr Name nur am Rande auf.

verwendete Literatur und Quellen:

Schneider: ... da sie sich nicht erst die Mühe machen, die Frauen zu gewinnen ... . – In: Weg und Ziel 56 (1998) 5, 54-59
Stimmer: Die Frau, die Stalin verärgerte. – In: Wiener Zeitung, 25.05.2001

verfasst von: Nikola Staritz

Lexikoneinträge

biografiA

Eisler Elfriede, Ps. Ruth Fischer, Ruth Kämpfer, Genossin Müller, E. Dubois, gesch. Friedländer, gesch. Golke, gesch. Pleuchot; Sozialpädagogin, Politikerin und Publizistin
Geb. Leipzig, Sachsen, 11. 12. 1895
Gest. Paris, Frankreich, 13. 3. 1961
Herkunft, Verwandtschaften: Mutter: Ida Maria, geb. Fischer; Vater: Dr.phil. Rudolf Eisler (1873–1926), Privatdozent für Philosophie in Wien; Geschwister: Gerhart Eisler; Hanns Eisler (1898 –1962), Komponist.
LebenspartnerInnen, Kinder: 1917–21 verheiratet mit Paul Friedländer, Mathematikprofessor, ermordet in Auschwitz; Sohn: Gerhard (* 1917); 1923 Heirat mit Arthur Golke, Scheinehe zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft; 1935 Heirat mit Edmund Pleuchot.
Lebensgefährte: Arkadij Maslow (urspr. Isaak Cemerinskij), († 1941).
Ausbildungen: 1914 –1918 Studium der Philosophie und Nationalökonomie in Wien.
Laufbahn: Engagement in der Wiener jüdischen Jugendkulturbewegung, Lehrerin an einer Mädchenschule. 1919 Mitbegründerin der KPÖ (Mitgliedsnummer 1), Herausgeberin von „Der Weckruf“ (später „Die Rote Fahne“), Redakteurin von „Die revolutionäre Proletarierin“, Ende 1919 ging E. E. ohne Mann und Kind nach Berlin, wo ihr unter dem Namen Ruth Fischer (Familienname ihrer Mutter) ein steiler Aufstieg in der KPD gelang. Zuerst – auf Betreiben Karl Radeks – in der Auslandsabteilung der Komintern und von 1924 bis 1928 als Reichstagsabgeordnete der KPD, wobei sie eine extrem antiparlamentarische Position einnahm. Persönlich und politisch fand R. F. besondere Unterstützung durch ihren Lebensgefährten Arkadij Maslow. Durch die Rückendeckung der Komintern-Leitung unter Gregorij Sinowjew stand sie fast zwei Jahre an der Spitze der Partei und war damit die erste Frau Europas, die eine Massenpartei anführte. Ihre Kritik an Stalins Kominternpolitik und Querelen mit der Gruppe um Ernst Thälmann führten jedoch im Jahre 1926
zum Ausschluss der „Fischer-Maslow-Clique“ aus der Kommunistischen Partei. Bis 1933 arbeitete R. F. in Berlin als Sozialpädagogin. Ihre Flucht vor den Nationalsozialisten führte sie zunächst nach Frankreich, wo sie führendes Mitglied der Gruppe Internationale wurde und sich Leo Trotzki anschloss, aber 1936 wieder trennt. Im Rahmen der Schauprozesse in Moskau wird sie in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Im Juni 1940 flüchtet R. F. vor den deutschen Truppen nach Südfrankreich, Spanien und Portugal, wo es ihr im April 1941 gelingt, ein Visum für die USA zu erlangen. Ihr Lebensgefährte Maslow musste zurückbleiben. Er gelangte schließlich nach Cuba, wo er im November 1941 auf mysteriöse Weise verstarb. Für R. F. waren eindeutig Stalins Schergen verantwortlich, sodass sie seither ihre gesamte politische, schriftstellerische und journalistische Tätigkeit gegen den Stalinismus ausrichtete. Als ehemalige Insiderin und Spezialistin der kommunistischen Bewegung erhielt R. F. 1945 bis an ihr Lebensende ein Stipendium bzw. finanzielle Zuwendungen der Harvard University für ihre Forschungsarbeiten zur Geschichte der deutschen Kommunistischen Partei und des Stalinismus. Von 1948 bis 1960 Mitarbeiterin der „Frankfurter Hefte“. 1955 Übersiedlung nach Paris, wo R. F. an der Sorbonne über die Geschichte der KPdSU lehrte. Ihre zuletzt bearbeitete politische Biografie über Arkadij Maslows blieb unvollendet.
W.: „Ist Deutschösterreich reif zur Räterepublik? Rede auf dem 2. österreichischen Rätekongreß“ (1919), „Sexualethik des Kommunismus. Eine prinzipielle Studie“ (1920), „Stalin and the German Communism. A Study in the Origins of the State Party“ (1949), „Von Lenin zu Mao. Kommunismus in der Bandung-Ära“ (1956), „Die Umformung der Sowjetgesellschaft. Chronik der Reformen 1953–58“ (1958), „Die Gründung der Kommunistischen Partei Österreichs“ (1960)

Ausgewählte Publikationen

Die revolutionäre Proletarierin / Herausgeberin und verantwortliche Schriftleiterin: Elfriede Friedländer - Wien, 1919
Online Zugriff / ÖNB 535706-D.Neu-Per
Die revolutionäre Proletarierin / Herausgeberin und verantwortliche Schriftleiterin: Elfriede Friedländer - Wien, 1919
Online Zugriff / ÖNB 535706-D.Neu-Per
Fischer, Ruth: Abtrünnig wider Willen : aus Briefen und Manuskripten des Exils / Ruth Fischer ; Arkadij Maslow. Hrsg. von Peter Lübbe - München: Oldenbourg, 1990
AK Wien B85154
Fischer, Ruth: Deutsche Kinderfibel / von Ruth Fischer u. Franz Heimann - Berlin: Rowohlt, 1933
UBW I-553187
Fischer, Ruth: Deutsche Kindheiten 1932 : Wohlfahrt, Krankheit, Hunger, Krise / Ruth Fischer ; Franz Heimann - Düsseldorf: Schroeder, 1986
AK Wien B76909
Fischer, Ruth: Die Umformung der Sowjetgesellschaft : Chronik der Reformen 1953 - 1958 - Düsseldorf ; Köln: Diederichs, 1958
ÖNB 912959-B.Neu
Fischer, Ruth: Stalin and German communism : a study in the origins of the State Party / by Ruth Fischer - Cambridge: Harvard Univ. Press, 1948
UBS FB Gesellschaftswiss. D81:6-254
Fischer, Ruth: Stalin und der deutsche Kommunismus : der Übergang zur Konterrevolution / Ruth Fischer - Frankfurt am Main: Verl. d. Frankfurter Hefte, 1948
ÖNB 1197293-B.Neu
Fischer, Ruth: Stalin und der deutsche Kommunismus / Ruth Fischer - Berlin: Dietz, 1991
AK Wien B85875/1, B85875/2
Fischer, Ruth: Von Lenin zu Mao : Kommunismus in der Bandung-Ära - Düsseldorf [u.a.]: Diederichs, 1956
UBG I 241586
Friedländer, Elfriede: Die Sexualethik des Kommunismus : eine prinzipielle Studie - Wien: Verl.-Genossenschaft "Neue Erde", 1920
ÖNB 539786-B.Neu
Friedländer, Elfriede: Die sozialistische Frauenbewegung in Deutsch-Österreich - In: Die Spartakistin, Nr. 5, 21.09.1919

Quellen und Sekundärliteratur

Schneider, Karin: "... da sie sich nicht erst die Mühe machen, die Frauen zu gewinnen ... " : Fragestellungen zu einer kommunistischen Frauenpolitik in Österreich vor 80 Jahren - In: Weg und Ziel, Jg. 56 (1998), Nr. 5, 54-59
ÖNB 758983-B.Neu-Per
Stimmer, Kurt: Die Frau, die Stalin verärgerte : eine Erinnerung an die Kommunistin Ruth Fischer - In: Wiener Zeitung, 25.05.2001
Online Zugriff / ÖNB 393052-D.Neu

Material in Archiven und Sammlungen

  • IISH, Ruth Fischer Papers
  • Pressestimmen - In: WBR/TBA, Dokumentation, TP-012622 ; TP-012603