Biografie
Mela Hartwig wurde am 10. Oktober 1893 in Wien als uneheliche Tochter des Soziologen Theodor Hartwig geboren. Ihre Schwester Grete Hartwig-Manschinger erreichte als Sängerin und Schauspielerin Berühmtheit, später auch als Schriftstellerin und Übersetzerin. Nach Erreichen der Matura begann Hartwig in Wien Pädagogik zu studieren, wechselte aber bald ans Wiener Konservatorium um dort Gesang und Schauspiel zu studieren. In den Jahren 1917 bis 1921 war Hartwig an verschiedenen Bühnen Österreichs tätig und gehörte in dieser Zeit auch dem Ensemble des Berliner Schillertheaters an.
Mit 28 Jahren heiratete sie 1921 den jüdischen Rechtsanwalt Robert Spira. Noch im selben Jahr verließ sie die Bühne und lebte mit ihrem Ehemann in Gösting bei Graz. Dort begann sie mit ersten schriftstellerischen Arbeiten. Mit der Erzählung "Das Versprechen" konnte sie 1927 als Schriftstellerin debütieren. Bei einem literarischen Wettbewerb der Zeitschrift Die literarische Welt wurde diese Erzählung prämiert und durch Vermittlung von Alfred Döblin und Stefan Zweig wurde ihre Novellensammlung "Ekstasen" veröffentlicht. 1929 erschien ihr Roman "Das Weib ist ein Nichts", der einen wahren Skandal verursachte. Bereits ab 1933 werden ihre Werke - vorauseilend dem deutschen Markt zuliebe - vom Zsolnay-Verlag nicht mehr ausgeliefert, bis sie schließlich von der Reichsschrifttumskammer als "Wunsch- und Wahn-Erotika eines durch die Psychoanalyse verjauchten Gehirnes" endgültig verboten werden und dem Vergessen anheim fallen.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 emigrierte das Ehepaar nach London, wo Mela Hartwig ihren Lebensunterhalt als Übersetzerin verdiente. Durch diese Arbeit lernte sie Virginia Woolf kennen, die ihr eine Anstellung als Sprachlehrerin vermittelte. In London wurde Hartwig auch Mitglied des deutschen P.E.N.-Clubs. Sie stirbt am 24. April 1967 in London. Erst posthum erlebte das literarische Werk Mela Hartwigs eine Renaissance.
verwendete Literatur und Quellen:
biografiA
Wende: Eine vergessene Grenzgängerin zwischen den Künsten. - In: Ariadne (1997) 31
Lexikoneinträge
biografiA
Hartwig Mela, Melanie, verh. Spira, Spira-Hartwig, Horatio; Schriftstellerin, Lyrikerin und Schauspielerin
Geb. Wien, 10. 10. 1893
Gest. London, Großbritannien, 24. 4. 1967
Herkunft, Verwandtschaften: Vater: Theodor Josef Hartwig, Soziologe und Schriftsteller. Mutter: Catharina Heß, die Schwester Grete Hartwig-Manschinger wurde Sängerin.
LebenspartnerInnen, Kinder: Heiratete 1921 den Rechtsanwalt Dr. Robert Spira.
Ausbildungen: Schauspielausbildung am Wiener Konservatorium.
Laufbahn: Trat auf kleineren Bühnen in Baden bei Wien und am Stadttheater Olmütz auf, kam danach an die Volksbühne in Wien und später an das Schiller-Theater in Berlin, spielte in zeitgenössischen Stücken. Brach ihre Karriere 1921 nach ihrer Heirat ab, ging nach Graz. Durch ein Preisausschreiben der „Literarischen Welt“ im Jahre 1927 kam sie zur Schriftstellerei. Der schon bald NS-dominierte Markt lässt jedoch für ihre Art von Schriften, die an Arbeiten von Else Feldmann oder Veza Canetti erinnern, kaum mehr Raum. Sie veröffentlichte Beiträge in mehreren Zeitungen, unter anderem in der „Neuen Freien Presse“, in der „Deutschen Rundschau“ und im „Tagesanzeiger“. Ihr Manuskript „Bin ich ein überflüssiger Mensch?“ wird abgelehnt, ebenso ein Novellenband über Arbeitslose. In ihrer Novelle „Das Wunder von Ulm“, die nur noch in einem Exilverlag erscheinen konnte, versucht sie literarisch vor dem Nationalsozialismus zu warnen. 1938 floh sie gemeinsam mit ihrem Mann nach England, M. H. wurde von der österreichischen Exilvereinigung unterstützt, bald nach ihrer Ankunft kann das Ehepaar als DeutschlehrerInnen arbeiten, übersetzte Texte u. a. von Virginia Woolf und Gedichte von Willliam Blake. Nach dem Krieg versuchte sie Verbindungen zum österreichischen Literaturbetrieb herzustellen. So schrieb sie für die von Ernst Schönwiese herausgegebene Zeitschrift „Silberboot“ einen Artikel über Virginia Woolf. Ab 1948 arbeitete sie an dem Roman „Inferno“, der jedoch nicht publiziert wurde.1960 konnte sie in der „Deutschen Rundschau“ die „Georgslegende“ veröffentlichen. Ab 1953 betätigte sie sich, wegen einiger Misserfolge auf dem literarischen Gebiet, als Malerin. Sie stellte ihre Bilder mehrmals aus und wurde relativ erfolgreich. 1967 begann sie wieder einen Roman zu schreiben. Er trug den Titel „Die andere Wirklichkeit“ und beschäftigte sich mit den Auswirkungen politischer Gewalt auf die Frau. Im selben Jahr starb sie an Herzversagen. Ihr Mann bemühte sich, ihre Bücher zu publizieren, hatte jedoch keinen Erfolg.
Ausz.: 1929 Julius-Reich-Dichterpreis der Stadt Wien; Verkehrsflächenbenennung: 2012 Mela-Spira-Gasse in 1220 Wien.
W.: „Ekstasen. Novellen“ (1928), „Das Weib ist ein Nichts. Roman“ (1929), „Das Wunder von Ulm. Novellen“ (1936), „Bin ich ein überflüssiger Mensch? In: Ulrich, Hermann (Hg.): Kulturelle Schriftenreihe des Free Austrian Movement. Die Frau in der österreichischen Kultur. Literatur, Kunst, Frauenbewegung, Staat und Politik“ (ca. 1944/45, 2001 in Romanform veröffentlicht), „Spiegelungen. Gedichte“ (1953), „Bin ich ein überflüssiger Mensch?“ (2001). Die Novelle „Das Kind“ erschien als Fortsetzungsroman 1928 in der Neuen Freien Presse